«

»

Metallica / Rock Classics Sonderheft Nr. 34

metallica-das-sonderheft

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine der weltweit einflussreichsten und erfolgreichsten Metalbands feiert ihren 40. Geburtstag. Aber keiner kommt zum Feiern und Gratulieren. Noch dazu findet das Stelldichein zum runden Bandgeburtstag ohne neues Album, ohne Festival und ohne eigene Tournee statt. Genau in dieser, von der Corona-Pandemie geprägten Zeit springt der in Wien ansässige SLAM Media Verlag gewissermaßen in die Bresche und widmet sich in seiner Reihe 'Rock Classics' in Ausgabe 34 ausschließlich dem Flaggschiff des Thrash Metal Metallica. Auch wenn es auffallend ruhig um die US-amerikanische Band geworden ist, so lässt Schlagzeuger Lars Ulrich zumindest wissen, dass es keine aktuellen Rentenpläne bei den Rockern gibt. »Sofern unsere Schultern, Knie, Ellbogen und Nacken intakt bleiben, sehe ich keinen Grund, warum wir nicht weitere 20 Jahre durchhalten sollten«, stellt der Sohn des Tennisprofis Torben Ulrich, der 1980 mit seiner Familie nach Kalifornien kam, klar.

Das aktuelle Sonderheft ist bereits das vierte Tribut zu Ehren der Metal-Legende aus dem Wiener Verlag und hat schon im Vorwort einen starken Fanbezug. Thomas 'Creeping Death' Sulzbacher unterzeichnet als Chefredakteur und sofort ist klar, wohin die Reise geht, die vor allem mit neuen Interviews der Protagonisten verbunden ist. Zu Beginn des Editorials zitiert der Rock Classics-Chefredakteur die Juroren des schwedischen Polar Music Prize, dem inoffiziellen, vom ehemaligen ABBA-Manager Stig Anderson ins Leben gerufenen Nobelpreis für Musik. 2018 hieß es für die Siegerformation Metallica in der Kategorie Populärmusik aus Sicht der Jury: »Seit dem emotionalen Chaos Wagners und Tschaikowskis Feuerwerken hat niemand mehr Musik geschaffen, die so physisch und wild ist, gleichzeitig aber auch so zugänglich. Durch das virtuose Spiel des Ensembles und die zunehmenden Tempi haben Metallica die Rockmusik an einen Ort geführt, an dem sie nie zuvor gewesen ist. In der Welt von Metallica können sowohl das Schlafzimmer eins Teenagers als auch eine Konzerthalle in eine Walhalla verwandelt werden.« 'Bravo' -möchte man den Juroren angesichts dieser treffenden Annäherung an das Phänomen Metallica zurufen. Zusätzlich sei die Frage gestellt: Wer hätte vor 40 Jahren geglaubt, dass diese Band jemals in die Nähe eines Ensembles gerückt werden könnte?

Mit den Zeilen im Vorwort geben die Herausgeber den Ring frei für die Erkundungstour durch die Fans. Die Anhänger spielen bei der Wahrnehmung, Vermarktung und Weiterentwicklung der Marke Metallica eine wichtige Rolle, wie die 100 Seiten der Publikation zeigen. Wer über Metallica schreibt, darf die Fanbasis nicht unterschätzen. Das Sonderheft ist somit Nachschlagewerk und Sammelobjekt. Neutrale Musikliebhaber können beim Studium in kurzweiliger Form ihr Wissen erweitern. Schließlich vereinen Metallica – in der seit 2003 gültigen Besetzung mit James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammett und Robert Trujillo – Hardcore und Mainstream zugleich.

In Stein gemeißelt für die Fangemeinde des Thrash Metal sind das Debüt "Kill 'Em All" (1983) sowie die beiden Nachfolger "Ride The Lightning" (1984) und "Master Of Puppets" (1986.). Während jedem Studioalbum auf bis zu maximal zwei Seiten eine Geschichte rund um den Entstehungsprozess gewidmet ist, erfahren die Leser auf Seite 63, was es mit dem erfolgreichen "Black Album" (1991) auf sich hat, das durch die Balladendichte geprägt war. Aber auch später stießen die Musiker ihre Anhänger hin und wieder gern mal vor den Kopf. Dagegen galt als sicher: »Metallica hatten einen Status erreicht, der ihnen – bei aller noch so harschen Kritik – blinde (oder taube?) Loyalität der Fans zusichert«, schreiben die Autoren des Sonderheftes im Zusammenhang mit den oft kritisierten Scheiben "Load" und "Reload" (1996/97).

Das Sonderheft informiert nicht nur über die derzeitigen Bandmitglieder, sondern auch über den früheren Gitarristen Dave Mustaine (Megadeth) sowie die ehemaligen Bassisten Ron McGovney, Cliff Burton und Jason Newsted. Insbesondere Burton, der am 27. September 1986 beim tragischen Unfall eines Tourbusses ums Leben kam, genießt bis heute im Umfeld der Band ein hohes Ansehen. Diese Erkenntnis kommt immer wieder hoch, auch auf den Fotos ist der ehemalige Bassist  oft zu sehen. Apropos Fotos: Einen besonderen Charme vermitteln die Aufnahmen, die an die gefühlte Zeit einer Schülercombo erinnern. Die überschaubare Zahl der Musiker in der Bandhistorie steht für die geringe Fluktuation bei Metallica. Gitarrist Kirk Hammett schloss sich bereits und damit zwei Jahre nach Bandgründung im Oktober 1981 dem Quartett an.

Auch wichtige Weggefährten hinter den Kulissen, wie beispielsweise Produzentenlegende Flemming 'Razz' Rasmussen, kommen zu Wort. Kurzporträts beleuchten die unterschiedlichen Charaktere der Beteiligten. Die Bandmitglieder verraten in Interviews ihre musikalischen Vorliebe abseits des angestammten Genre und erläutern manchen Entscheidungsprozess rund um die Alben. Natürlich entscheidet der Nachfolger des 2016 erschienenen Albums "Hardwired…To Self-Destruct" maßgeblich darüber, welchen Stellenwert die Band weiterhin genießt. Sich als Leser einen Überblick über die Geschichte und die Philosophie der Metal-Legende zu verschaffen, kann die eigene Sichtweite nur schärfen. Die Lektüre zeigt ferner, wie Künstler und Musikindustrie in Beziehung stehen.

Erhältlich ist "Metallica – Das Sonderheft " im Zeitschriftenhandel sowie bei Amazon.


Seitenzahl: 100, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>