Mit der vierten Veröffentlichung der Reihe "Live At Fabrik Hamburg" widmet man sich seitens des NDR Kultur den Gebrüdern Brecker. Doch wir hören nicht die Brecker Brothers, die Einigen von uns sicher noch bekannt sein dürften durch ihre gemeinsamen Platten der Siebziger, allesamt Spitzenveröffentlichungen der Fusion-Bewegung.
Nein, am 18.Oktober 1987 spielten die Beiden separate Konzerte, einmal ist es die Michael Brecker Band auf der ersten CD und dann die Randy Brecker Band auf der zweiten CD. Beide verfügten auch über eigene Bands mit unterschiedlichen Musikern, jeweils hochkarätige und bekannte Mitspieler.
CD 1 startet mit einem Titel von Don Grolnick, "Nothing Personal", und Michael Brecker am Saxofon setzt bereits klare Zeichen seiner Klasse mit einem furiosen Einsatz, das Publikum dürfte angesichts dessen sicher 'aus dem Häuschen' gewesen sein. Doch auch der unter anderem bei Miles Davis geschulte Gitarrist Mike Stern setzt sich eindrucksvoll in Szene, und so präsentiert man über die Spielzeit von über einundzwanzig Minuten ein Statement. Ein Statement darüber, dass sich die Grenzen zwischen Jazz und Fusion/Jazz Rock offensichtlich weiter gelöst hatten, und auf der Basis von swingendem Jazz, angetrieben durch das enthusiastische Spiel des Drummers Adam Nussbaum, werden verbliebene Elemente der Fusion-Bewegung, mühelos integriert. So klingt der Jazz moderner und die Fusion freier und beweglicher.
Allerdings entführt uns "Upside Downside", eine Komposition von Mike Stern, dann doch wieder in diesen kraftvoll groovenden Funk, wie man ihn auch von den Brecker Brothers noch kennt. "My One And Only Love" ist eine zarte Ballade mit einem wiederum sehr ausdrucksstarken Auftritt Michael Breckers und zum Schluss legt man nach einigen elektronischen Spielereien in der langen Einleitung von "Original Rays" – ich halte diese Passage nicht unbedingt für gelungen – ab etwa Minute Sieben endlich los mit einer druckvollen und virtuosen Gestaltung des gut neunzehn Minuten langen Songs, der mich ein wenig an die Musik von Weather Report erinnert.
Während sich Bruder Michael überwiegend Fremdkompositionen zuwandte, so legt Trompeter Randy bei seiner Titelauswahl gleich drei Eigenkompositionen vor mit den Tracks #1, 3 und 5. "No Scratch" startet den Reigen dieses Konzerts. Wie einst bei den Brecker Brothers steht dem Trompeter mit Bob Berg hier auch ein Saxofonist zur Seite. Erstmalig dabei, zu Beginn seiner Karriere, ist übrigens der Bassist Dieter Ilg. Auch Randy erweist sich als der bekannte druckvolle Trompeter. Auch hier ist es im Eröffnungstitel so, dass sich Jazz im Hard Bop-Stil mit Elementen der Fusion trifft, gleichfalls mit dem Hauptaugenmerk auf dem Jazz, dafür sorgen gleichermaßen der Pianist David Kikoski und Drummer Joey Baron auf beeindruckende Weise.
Und natürlich ist es wieder das Saxofonspiel, dass besondere Akzente setzt, so durch Bob Berg, der ebenfalls Erfahrungen unter anderem bei Miles Davis sammeln konnte. Auffällig ist beim Konzert der Randy Brecker Band, dass dieses wesentlich stärker am traditionellen Jazz der Fünfziger und Sechziger orientiert ist, stark festzumachen am bekannten Jazzklassiker "On Green Dolphin Street". Die Fusion bleibt im Wesentlichen außen vor und taucht nur gelegentlich als Element auf, am meisten ausgeprägt bei "Snakes", einer Komposition von Bob Berg.
Insofern ist es den Brüdern gelungen, jeweils eine unterschiedliche CD vorzulegen, die im Falle von Michael mehr die Freunde der Fusion ansprechen sollte und im Falle von Randy mehr die Freunde des reinen Jazz. Beiden gemein ist jedoch ein gelungenes Abbild des modernen Jazz jener Ära der Achtziger, wobei ich die Band von Randy insgesamt mit mehr Ausdruckskraft ausgestattet empfinde, die Brüder für sich allein gesehen jedoch beide zur Höchstform als Solisten aufliefen.
Line-up Michael Brecker Band:
Michael Brecker (tenor sax, electronics, EWI)
Joey Calderazzo (keyboards);
Mike Stern (guitar)
Jeff Andrews (bass)
Adam Nussbaum (drums)
Line-up Randy Brecker Band:
Randy Brecker (trumpet)
Bob Berg (tenor sax)
Dieter Ilg (bass)
David Kikoski (piano)
Joey Baron (drums)
Tracklist "Live At Fabrik Hamburg 1987":
Michael Brecker Band:
- Nothing Personal (21:24)
- Choices (11:19)
- Upside Downside (9:42)
- My One And Only Love (10:10)
- Original Rays (19:10)
Randy Brecker Band:
- No Scratch (12:23)
- Search (7:41)
- There’s A Mingus A Monk Us (12:17)
- On Green Dolphin Street (7:38)
- Forever Young (10:04)
- Snakes (14:32)
Gesamtspielzeit: 71: 48 (CD 1), 64:37 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2022
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