Gut fünfeinhalb Jahre sind nun seit dem Ableben von Leonard Cohen, einer der größten Lyriker der Musik-Geschichte, ins Land gezogen und nur unwesentlich länger seit der Veröffentlichung seines letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Albums ("You Want It Darker") im Oktober 2016. Wenn man nun nicht genauer darüber nachdenkt, fällt es – ohne despektierlich klingen zu wollen – gar nicht mal so sehr auf, erschien im November 2019 doch noch "Thanks For The Dance" mit Tracks aus denselben Sessions der erstgenannten Scheibe. Dazu kommt, dass der Kanadier sich phasenweise lange Auszeiten zwischen zwei Studioalben nahm, die er ganz bewusst in spirituellen Stätten wie beispielsweise einem Zen-Kloster verbrachte, abgeschnitten vom Musik-Business und dem ganzen Trubel. »Wenn man nun nicht genauer darüber nachdenkt…« schrieb ich weiter oben … Wer sich dagegen wieder sehr viele Gedanken um den Singer/Songwriter gemacht hat, ist der Leonard Cohen-Experte (und Verfasser mehrerer Cohen-Bücher) Christof Graf, der Anfang diesen Jahres zusammen mit dem Co-Autor Michael Brenner "Blicke auf Leonard Cohen …" veröffentlicht hat.
Wow, zunächst blättert man etwas überrascht durch die knapp vierhundert Seiten, während man die ungewöhnlich große Schrift, viele Absätze und sehr viele Fotos im Schnelldurchlauf an sich vorbeiziehen lässt. »Ich glaub, da bin ich schnell durch«, war so mein erster Gedanke und sehr lange hat es auch tatsächlich nicht gedauert. Was aber nicht nur an den gerade geschilderten Fakten, sondern vielmehr an den teilweise sehr interessanten und spannenden Ausführungen der beiden Autoren liegt. Im ersten Teil des Buches kommt Michael Brenner zu Wort, der sich ausführlich nochmal in die Zeit bzw. seine eigene Vergangenheit der Jahre um 1970 begibt. Er beschreibt seine eigene Situation, den damaligen Zeitgeist und wie er zu damaligen Singer/Songwritern wie eben Cohen, aber auch Judy Collins und Bob Dylan kam. Wie diese drei Musiker – und an erster Stelle ist zumeist Leonard Cohen genannt – ihn durch sein ganzes Lebens bis hinein in die Gegenwart begleitet haben. Und wie er zwar davon wusste, es allerdings dann doch nicht auf das erste Hamburger Konzert des Kanadiers im Jahr 1970 schaffte. Das hat er natürlich während der folgenden vier Dekaden mehrfach nachgeholt.
Der zweite Teil des Buches, jetzt geschrieben von Christof Graf, knüpft genau an diesem Punkt, nämlich seinem esten Cohen-Konzert 1976 in der Saarbrücker Saarlandhalle an. Die Eindrücke, die Atmosphäre, der Meister selbst … alles interessantes Zeug. Aber Graf geht auch verstärkt auf andere Dinge, wie beispielsweise die Jahre des Rückzugs und der Abriegelung der Außenwelt in buddhistischen und Zen-Klöstern ein. Ein Leben in Askese sozusagen, wodurch der Musiker es aber wohl tatsächlich schaffte, sich endlich von seinen jahrelangen Depressionen zu befreien. Desweiteren schreibt Graf über seltene Live-Aufnahmen, die mal für ein paar Tage zum Download bereit standen, dann sehr schnell wieder verschwunden waren und den Sinn dahinter (die Copyright-Rechte der/s Labels). Was einem – falls man es noch nicht wusste – ein richtig großes Licht aufgehen und erkennen lässt, dass die Plattenfirmen (neben dem Geldverdienen) diese oder jene Platte nicht unbedingt deshalb zu ihrem dreißigsten, vierzigsten oder fünfzigsten Geburtstag wieder neu rausbringen, weil sie die jeweiligen Musiker so schrecklich toll finden …
Desweiteren sinniert er über seine Arbeit als Blog-Schreiber, die persönliche Beziehung von Cohen und Dylan und ausgiebig auch noch über die von Tony Palmer gedrehte Tour-Dokumentation "Bird On A Wire" aus dem Jahr 1972. Davon gibt es mittlerweile tatsächlich drei Versionen – die erste, von Palmer geschnittene, die Cohen nicht mochte und untersagte. Die zweite (und wohl bekannteste), die er (mit Hilfe) selbst am Schneidetisch zusammenbastelte und ein paar Jahre später auch veröffentlichte sowie nochmal eine dritte, die wiederum Palmer im neuen Jahrtausend fabrizierte.
Aber gut, ich will auch nicht gleich schon alles verraten. Gesagt werden darf, dass das Buch sehr kurzweilig und gut zu lesen ist. Ob der Inhalt dann befriedigt kommt natürlich immer darauf an, wie Cohen-belesen man bereits ist. Der Rezensent hatte auf jeden Fall eine gute Zeit damit und ist um einige Erkenntnisse reicher geworden. Nur was den guten Leonard 1977 geritten hat, seine Scheibe "Death Of A Ladies Man" ausgerechnet mit Phil Spector als Produzent aufzunehmen, kann sich irgendwie immer noch niemand so richtig erklären …
Medium: Buch
Verlag: Michael Brenner Books, 2022
387 Seiten
Hardcover
Farbiger Bilderdruck
ISBN-10: 3982192811
ISBN-13: 978-3982192819
Preis: 29,80 EUR
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