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Michael Crimson / Medusa – CD-Review

Michael Crimson / Medusa

Sicherlich hat schon fast jede(r) Leserin/Leser die selten dämliche »Wow«-Werbung im Fernsehen gesehen, zumal man damit ja fast täglich 'zugewowt' wird: »Fühle Dein Wow« oder »Hast du heute schon Dein Wow entdeckt…« und so weiter und so fort – den unsäglichen 'Wows' sind keine Grenzen gesetzt. Nun hat mich doch tatsächlich ebenfalls das 'Wow' gepackt, als ich nämlich mit der Schönheit der Medusa konfrontiert worden bin. Kein Wunder, dass sich Poseidon in sie verguckte, doch die Romanze der beiden wurde der Gorgone zum Verhängnis, sie wurde von Athene verflucht und später von Persus, der wiederum dem Akrisios ein Dorn im Auge war, mit Athenes Hilfe enthauptet. Was sagt uns das? Die Wege der Liebe sind unergründlich.

Michael Crimson hat sich in seinen Texten mit dieser Geschichte der griechischen Mythologie auseinandergesetzt. Dabei geht der Künstler den Charakteren von Medusa und Perseus auf den Grund und somit gleichzeitig auf eine Art Entdeckungsreise. Dabei möchte er seine Erfahrungen hinsichtlich romantischer Liebe, Selbstfindung und Glauben sowie Trauer und Tod erforschen und dem Zuhörer auf musikalische Art näher bringen. So eröffnet er diesem eine mysteriöse, aber auch anpassungsfähige neue Welt.
»Enjoy!« schrieb der Promoter mir handschriftlich auf den Waschzettel. Ja, ich bin eingetaucht in Crimsons mystische Welt und genoss tatsächlich jede Note dieser wunderbaren Kompositionen.

Begonnen wird mit der Ballade "Seashell Eyes", in der Crimson stellenweise flehend, ja fast zerbrechlich klingt. Doch wenn die Chöre einfallen, gewinnt das Stück an unbändiger Kraft. Und ich bemerke, wie ich leise mitsumme, denn der Song hat Ohrwurmcharakter, wie im Grunde eigentlich alle Stücke auf der Scheibe, obwohl diese stellenweise einen sehr komplexen Aufbau haben. Auffallend auch, dass die Songs ohne Pause ineinander übergehen. Mir kam es fast so vor, als lauschte ich einem Musical, zumal die Stimme von Michael Crimson sehr variabel klingt. Man könnte ab und zu sogar meinen, an dem Werk sind verschiedene Sänger beteiligt. Das gibt der Platte einen ganz besonderen Reiz. Wunderschön zum Beispiel der eingeflochtene Erzählstil in "Viperine Hair" sowie der engelsgleiche Chor zum Abschluss.

Düster ist das Intro, welches von Björn Torstensson mit der Pauke bei "The Grass Of Grief" erzeugt wird, es hört sich an, wie ein aufziehendes Gewitter. Doch dann setzt der Chor wieder ein und – unterstützt von Roy Howells Slideklängen – wird diese, einem ordentlich Angst machende Düsternis, ganz schnell verscheucht.
Offenkundig sind die widerholt eingesetzten Backing-Sänger/innen nicht nur schmückendes Beiwerk, sie haben oftmals sogar eine tragende Rolle in den Songs. Wohltuend finde ich auch die stets präsenten, aber sparsam eingesetzten Gitarrensoli.

Eine feine Instrumentalnummer ist "A Season In Hell", in welcher die Gitarristen zeigen, dass sie ihre Äxte furios beherrschen, auch ohne sich in technisch selbstverliebten Frickeleien zu verlieren. Gerade bei den Gitarrenparts hab ich manchmal den Eindruck, Gary Moore wäre wieder auferstanden, um ein paar Licks beizusteuern.

Der Abschluss-Titel lässt noch einmal Hoffnung aufkeimen, Hoffnung auf das Gute, welches das Böse besiegt hat. Sehr fröhlich klingt dieser Song, "What Would You Say". Nun, was ich sagen würde? Alle Daumen nach oben, nur leider ist für meinen Geschmack die Spielzeit viel zu kurz. Deshalb würde ich sagen: Gut gemacht – ich hätte gern mehr davon gehabt!


Line-up Michael Crimson:

Michael Crimson (vocals, guitar)
Dan Göransson (guitar)
Fredrik Hermansson (keyboard)
Dan Jisei (bass)
Lenne Lehtonen (drums)
Annie Stark (backing vocals)

Guests:
Roy Howell (slide guitar – #2,6,7,9,10)
Björn Torstensson (timpani – #6)
Tove Eriksson (backing vocals)
Karin Hellström (backing vocals)
Emelie Sjöström (backing vocals)

Tracklist "Medusa":

  1. Seashell Eyes
  2. The Maiden
  3. Viperine Hair
  4. The Dungeon
  5. Weeping Window
  6. The Grass Of Grief
  7. Nevermore
  8. A Season in Hell
  9. In the Winter
  10. What Would You Say

Gesamtspielzeit: 38:00, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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