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Michy Reincke Akustik Trio – Konzertbericht, 23.03.2024, Pumpwerk, Wilhelmshaven

Michy Reincke Akustik Trio – Pumpwerk, Wilhelmshaven

Erneut war das Kommunikationszentrum 'Pumpwerk' in Wilhelmshaven Ziel eines Konzerts von Michy Reincke, abermals im Trioformat, wie bereits im letzten Jahr.
Dieses Mal war Wilhelmshaven der Startpunkt der diesjährigen Tournee des Hamburger Musikers. Es gab lediglich eine kleine Änderung in der Besetzung. Pianist Filip Mitov war erneut auf der Bühne, doch anstelle von Jörn Heilbut nahm nun noch einmal der Berliner Musiker Florian Fleischer den Posten des Gitarristen ein. Dieser war bereits im Jahre 2019 dabei.

Die diesjährige Frühlingstournee steht unter dem Motto 'Die Pflanzen rauben uns den Sauerstoff'. Zu dieser Thematik gab es dann später am Abend noch eine entsprechende Abhandlung in der typisch erzählerisch-philosophischen Art des Künstlers. Aber das passt natürlich zu dem, was man über ihn öffentlich lesen kann, auf der Webseite seines Plattenlabels Rintintin Musik: »Michy Reincke ist ein Dichter – vielleicht besser gesagt: ein Verdichter. Er komprimiert in seinen Texten Erahntes, Erlebtes, Erfreuliches, Erlittenes und Erfahrenes. Er bettet die Essenz in Musik ein: eingängig und zugleich hintergründig. Er sucht den Dialog, den Austausch, die Auseinandersetzung mit seinem Publikum. Die Qualität seiner Songs mit der er seine Zuhörer mit klugen Betrachtungen zum Leben, zur Liebe und der Welt zum Nachdenken anregt oder die Herzen leicht macht und lachen lässt, heben ihn deutlich von der herrschenden Skala ab. Und so gilt Michy Reincke seit langem als Sänger/Songschreiber deutscher Popmusik in der Republik als Solitär.«

Florian Fleischer

Florian Fleischer

Und das wird entsprechend auf seiner Webseite ergänzt: »Als erklärte "deutschsprachige Erwachsenen-Musik" sind die Auftritte von Michy Reincke ein Mix aus klugen Texten, großen Melodien und bestem Entertainment.«
Nun ja, des Protagonisten ehemaliges Studium beinhaltete schließlich die Fächer Germanistik, Anglistik und Psychologie.
Und das wurde auch bei diesem Konzert sehr deutlich, denn dieser für ihn offensichtlich wichtige Anteil seiner Konzerte hatte viel Platz eingenommen und kann dieses Erachtens auch eine Gratwanderung darstellen, denn ich bin mir nicht sicher, ob wirklich alle Besucher*innen diesen teils ausufernden philosophischen Ausführungen mühelos folgen können. Auf jeden Fall sind diese Intermezzi zwischen den Songs durchaus hochwertig und auch von viel Wahrheit getränkt, wenngleich mitunter auch stark subjektiver Natur und Platz für Diskussionen bietend. Doch das nur nebenbei und so etwas könnte möglicherweise auch in Form einer separaten Veranstaltung durchgeführt werden.

Wie dem auch sei, es ändert nichts an der stark individuellen Ausrichtung seiner Songs, die sich eindeutig von der Masse deutschsprachiger Musik abhebt. So konnte man in dieser Hinsicht auch Einiges der von ihm vorab vorgetragenen Ausführungen in den Texten vieler Songs wiederfinden, ob es nun darum ging, »Kraft für den Frieden in sich selbst zu sammeln«, »Nicht aufzuhören, dem Leben zu vertrauen«, »Sich zufrieden geben mit seinen Talenten«, oder dass »Gott zu uns spricht« mit dem nachfolgenden Song "Jetzt und in Ewigkeit". Etwas ausführlicher wurde dann die philosophische Betrachtung zum Tourneemotto 'Die Pflanzen rauben uns den Sauerstoff'. Der Weg führte lange zurück, in jenen Teil der Erdgeschichte, als die Dinosaurier ausgestorben waren und der Mensch noch nicht anwesend. So wurden entsprechende Vergleiche vorgetragen hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre, im Verhältnis von Stickstoff, Sauerstoff und Edelgasen etc.. Als es dann bereits Menschen gab, kam kurz die Situation auf den Osterinseln zum Vortrag, und ob die dort Lebenden nicht klug gehandelt hätten, als man dort radikal abholzte.

Nun, es folgte dann "Erzähl mir nicht, dass Du nur tust was man Dir sagt", eines der Lieder aus dem letztjährigen Konzert, einige andere waren neu im Programm, davon zwei Titel, bei denen es sich offenbar um zwei ganz frische handelt, leider ging Michy nicht darauf ein, schade, es wäre angemessen gewesen, hierzu ein paar Worte zu verlieren, oder?
So bin ich nicht ganz sicher zu den Songtiteln, einer davon heißt wohl "Alles hier wartet" und der andere entweder "Lieber Du" oder "Leben und Du" oder eben ganz anders. Wie auch im letzten Jahr wurde ein Titel speziell für die verstorbene Kollegin Regy Clasen vorgetragen, "Sie trug ein Licht in ihrem Herzen". Kurz noch zu "Alles hier wartet", dieses Stück hatte eine sehr interessante Struktur, verfügte über einen leichtgängigen Swing und war recht leicht und lasziv gestaltet. Maßgeblichen Anteil hatte hierbei der auch im Jazz beheimatete Gitarrist Florian Fleischer, der im Übrigen für sehr viele, oft leider recht kurze, Farbtupfer in einigen Songs sorgte. So gab es zwischenzeitlich kurze Unterbrechungen durch Reincke, als er die Bühne verließ, einmal um sich Wasser zu holen und einmal, um sich eine Blondine aus dem Publikum auszusuchen für einen ganz bestimmten Song! Nun, diese Zwischenräume nutzten Mitov und Fleischer für kurze jazzige Einlagen, gut gemacht! Auch beim bekannten "Nächte übers Eis" konnte Fleischer mit seinem Slide-Einsatz überzeugend eine magische Stimmung verbreiten, nur dieses Mal verzichtete man auf den Einsatz von wabernden Nebelschwaden.

Reincke mit Britta

Reincke mit Britta

Doch zurück zum angerissenen Thema. Alle ahnen schon, worum es geht, was ich soeben erwähnte – "Für immer blond" war wie immer wichtiger Bestandteil des Programms, oder, wie Michy ausführte, »der Höhepunkt der Show«. Und dieses Mal suchte er sich, nachdem er durch den Saal geschritten war, dann doch eine Blondine aus der dritten Reihe aus, namens Britta. Auch sie wurde auf der Bühne darauf hingewiesen, dass sie wiederum auf jener Mundharmonika, die – so augenzwinkernd – anlässlich einer Afrikatournee gern von dankbaren Menschen, die an Lepra und Typhus erkrankt waren, gespielt wurde. Aber – man hätte es ja schließlich mit einem alten Lappen abgewischt, trotz Bedenken seitens des Gesundheitsamtes. Nun, Britta brauchte keine Angst zu haben, Michy packte das Instrument noch originalverpackt auf der Bühne aus.

Letztlich bleibt mir ein erfrischender Konzertabend in Erinnerung, mit niveauvollen Texten in Musik voller Harmonie eingebettet, Texte, die oft zum Nachdenken anregen, und die das widerspiegeln, was uns generell und auch persönlich umgeben kann. Besonders wenn sehr emotional geprägte Stücke zum Vortrag kamen, dann konnte man sich vielleicht auch dabei ertappen, sich in diesen Momenten darin zu verlieren, und damit ist dann auch das erreicht, was Musik ausmachen sollte. Durch die beiden sehr guten und einfühlsamen Begleiter wurde es noch zusätzlich perfekt abgerundet. Diese warme Stimmung war es schließlich dann auch, die zum Wohlfühlen führte.

Der erste Teil des Konzerts erstreckte sich zeitlich von 20:00 bis etwa 21:30 Uhr! Nach einer kurzen Pause dauerte der zweite Teil dann von etwa 21:50 bis 22:35 Uhr und danach gab es schließlich die Zugabe mit "Es wär so schön". Ja, sicher wäre es schön, die Band im nächsten Jahr wiederzusehen.
Noch kurz zusammengefasst, war die Länge der Vorstellung sicher auch darauf zurückzuführen, dass recht viele philosophisch ausgelegte Exkursionen in die Tiefe des Geistes dazu führten, dass zwischen den Songs mitunter doch lange Pausen entstanden, so sei es jedem/jeder selbst überlassen, das gutzuheißen oder dem Ganzen kritisch gegenüber zu stehen. Ich zitiere hierzu gern einen der Songtitel von Reincke: »Ich will die Sache nicht unnötig in die Länge ziehen.«
Darum, kurz und knapp auf den Punkt gebracht: Es war erneut ein Konzert mit sehr guter Musik, und:

»Es ist nur eine Frage von Feigheit oder Mut.
Aber das Leben, das Leben ist gut.
Es ist alles Musik. Es bleibt immer Musik.
Es ist Frieden & Krieg, wenn Du fliegen kannst, flieg!
Es ist nur Musik.«

Im Übrigen geht mein Dank an Reent Fröhlich vom Pumpwerk-Team für die Akkreditierung.


Line-up Michy Reincke Akustik Trio:

Michy Reincke (vocals, guitars)
Florian Fleischer (guitar, background vocals)
Filip Mitov (piano)
Britta (harmonica)
plus Samples, eingesetzt durch den Soundmaster Jochen

Setlist:

  1. Niemand kommt so selten vor wie Du
  2. Ich will die Sache nicht unnötig in die Länge ziehen
  3. Nach ganz oben
  4. Alles hier wartet
  5. Sie fliegen vorbei
  6. Der Mond, mein Freund aus Silber
  7. Erzähl mir nicht, dass Du nur tust was man Dir sagt
  8. Für immer blond
  9. Nächte übers Eis
  10. Unerreichbar nah
  11. Sie trug ein Licht in ihrem Herzen
  12. Lieber Du (???) Leben und Du (???)
  13. Jetzt und in Ewigkeit
  14. Du brauchst keine Angst zu haben
  15. Alles Musik
  16. Taxi nach Paris
  17. Valerie, Valerie
  18. Es wär so schön (Zugabe)

Bildnachweis für alle Bilder des Konzertes: © 2024 | Wolfgang Giese | RockTimes

 

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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