![Midnight Deadbeats / Moonshine Carnival](https://www.rocktimes.info/wp-content/uploads/2020/10/midnight-deadbeats-moonshine-carnival.jpg)
In Basel geht mächtig die Post ab, was Rockmusik angeht – zumindest jenseits kriesengeschwängerter Tage, die Szene dort ist ausgesprochen lebendig. Doch auch auf den Tonträgern sind uns hier in der Redaktion schon einige sehr geile Begegnungen der beflügelnden Art widerfahren. Die Midnight Deadbeats bilden da keine Ausnahme, eine Schweizer Webseite zitiert sie als Protagonisten von Arschtritt-Rock ’n' Roll-Punk-Metal. Yo man, lass ich mir gerne gefallen.
Ein Power-Trio hat grundsätzlich die besten Voraussetzungen, die zitierten Gesäßtritte zu inszenieren und Musiker, die 2017 mit einigen Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten eine Einheit formierten, bieten alle Voraussetzungen, uns den Allerwertesten aufzureißen. Und damit lassen sie sich keine Sekunde Zeit, das Debütalbum kommt mit jeder Menge Anlauf und Volldampf in unsere Stuben.
Überfallartig und fast ein wenig an "My Generation" von The Who erinnernd, fallen sie über uns her. Die ersten Songs sind getragen von genau diesem Geist aggressiver energetischer Rockmusik, die vor allem eins will: uns an den Haken nehmen. Das gelingt, fast im Sinne eines klassischen Konzerts. Wenn du auf die Bühne gehst, hau erst einmal ein paar Kracher raus, um die Menge weich zu spielen. "Rock ’n' Roll" wird seinem Titel gerecht und bietet knallharten klassischen Rock, die leicht metallische Verschärfung in "Useless Machine" legt ein klein bisschen im Tempo nach. Etwas punkig klingt’s auch.
Und wenn ich beim vierten Track, "Suicide Clutch", wieder das perfekte Zusammenspiel zwischen dem wunderbar grummelnden Bass, dem treibenden Schlag und der Chili-scharfen Gitarre wahrnehme und doch denke, dass es hier scheinbar nur in eine Richtung geht, mache ich eine kehrtwendende Erfahrung. Bleib geduldig Gevatter, gleich werden wir neue Gefilde erforschen. Waren Black Sabbath irgendwie bisher schon ein wenig im Hinterkopf, wenngleich ohne ihre so klassische doomige Entschleunigung, wandern wir hier auf einem spannenden Pfad von Harmonien, die ein wenig an den "Fortunate Son" von CCR erinnern. Doch das quirlig auskeilende Gitarrensolo durchbricht erstmals den bislang vorherrschenden, weitgehend auf riffige Kompromisslosigkeit orientierten Duktus, ein wunderbar präzise auf den Punkt gespieltes Freak-out. Da kommt noch was auf uns zu.
Und dann bekommen wir die volle Breitseite, jetzt wird deutlich, dass der pulsierend krachende Auftakt tatsächlich strategischer Art gewesen sein muss. Die Band beweist, dass sie auch andere Stimmungslagen in petto hat. "The Battle" entwickelt sich zunächst wie ein metallischer Boogie. Erneut besticht das perfekte Zusammenspiel der Instrumentalisten, während die leidenschaftliche Stimme nebenbei ihre Punkte sammelt. Der Song marschiert wie eine gedopte Dampfmaschine und gipfelt in einem effektbehaftet fuzzigen Solo, während im Hintergrund sukzessive die Intensität und das Tempo heruntergedrosselt werden. Jetzt lebt der Doom. Seinem Wesen entsprechend tobt er nicht, er saugt uns auf. Gnadenlos, markant und scharfkantig. Wow, das ist eine echt geile Nummer!
Ein bärenstarkes Intro wie zu Zeiten der Zeppeline vermischt sich plötzlich mit punkigem Metal, die Stimme klingt niemals aggressiver auf dem gesamten Album. "Chupacabra", ein südamerikanisches Fabelwesen, welches Ziegen in den Hals beißt und ihnen das Blut aussaugt, klingt ziemlich böse, im Titel wie im Sound. Blut spritzende Riffs und wildes Gebrüll. Der Gesang geht allmählich über ins Gegröle, hier passt es gespenstisch gut. Fuzz, Punk, Metal. Abgefahren, Gefangene gibt’s keine!
"Kill Me" ist ja auch keine so schöne Botschaft, dazu kann man keinen Kuschelrock spielen. Darum gibt es düsteren Heavy Rock, walzend und pflügend wie ein erbarmungsloses Gefährt. Und der Gesang schwenkt über in Grunge, dem Sound der Neunziger. Spätestens jetzt muss ich mich mal damit auseinandersetzen, dass die Jungs, wie nachzulesen ist, in den Achtzigern aufgewachsen sind und ihre Musik doch irgendwie zwischen den Dekaden hin und her pendelt. Da haben wir es vielfach mit klassischem Hard Rock und dann wieder mit Ausbrüchen in benachbarte Spielfelder und Epochen zu tun. Das macht das Album vielseitig, der Spannungsbogen ist gut gewählt und stilisiert im Prinzip nicht einzelne Stücke in den Vordergrund, sondern das stimmige Gesamtkonzept. Du willst Dampf ablassen? Herzlich Willkommen!
"Vicious" ist eine geile Powernummer, eigentlich klassischer Heavy Rock, der einfach nur drauf los marschiert. Genau das richtige für ein Live-Event und ich denke an Woodstock, wo sie mit Gesängen den Regen vertreiben wollten. Vielleicht sollten wir mal versuchen, Corona wegzusingen, damit wir endlich wieder zu Konzerten gehen können. Das schlichte Break nach zwei Dritteln des Songs und das überschwänglich geile Solo auf der Gitarre, das sich wie aus einem Ei pellt und immer mehr an Intensität gewinnt, während im Hintergrund die Rhythmusfraktion den Saft raus nimmt, gehört zum absolut besten, was das Album zu bieten hat. Schön kontrastierend, energetisch und mit einem Knall vorbei. Hoher Spaßfaktor.
Saufende und Kannen schwingende Skelette im Cover-Artwork, die vor einem tempelartigen Inferno recht untot auf uns zu schwanken – was wollen die Künstler uns damit sagen? Dass wir fetten Spaß haben sollen? Dass sie morbide dröhnende Riffs eines Tony Iommi mit den dunkleren Sounds der Seattle-Szene aus den Neunzigern zu neuem Leben erwecken möchten, vermittelt mir die Musik. Zum Bandnamen passt das alles allemal.
"Birds" ganz am Ende hat dann mit seinem eingebremsten Rhythmus und der tiefen Intensität für mich die meiste Sabbath-Energie. Diese drei Jungs sind abgestimmt aufeinander wie ein Schweizer Uhrwerk, das bleibt unzweifelhaft hängen. Und sie beherrschen ihre Instrumente perfekt, wir bekommen ein souveränes Erstlingswerk vor die Ohren geknallt, das jede Menge Nachhall hinterlässt.
Czar Of Crickets hat mir einst The Universe By Ear vermittelt, dafür werde ich ewig dankbar sein. Doch es gibt inzwischen immer mehr Projekte aus dem Umfeld, die mit grundehrlicher Rockmusik mein Herz und auch tiefere Regionen erreichen. Ihr wisst schon: Eier, wir brauchen Eier. Diese Musik hat sie.
Danke Leute, macht weiter so.
Line-up Midnight Deadbeats:
Mono Mojo (guitar, vocals)
Harald Binder (bass)
Jukka Altermatt (drums)
Tracklist "Moonshine Carnival":
- Dishwasher
- Rock ’n' Roll
- Useless Machine
- Suicide Clutch
- The Battle
- Chupacabra
- Kill Me
- Vicious
- Liberty Vultures
- Birds
Gesamtspielzeit: 44:41, Erscheinungsjahr: 2020
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