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Minerall / Bügeln – Digital Review

Minerall / Bügeln – Digital Review

Bügeln. Eine Tätigkeit die spaltet, aber notwendig ist. Bei uns in der Pfalz (und sicher nicht nur hier) hat das Verb eine weitere Bedeutung. So sagt man ab und an, dass man ganz schön einen gebügelt hat, was nichts anderes bedeutet, als dass man seinen Körper adäquat mit lebensnotwendigen Vitamin-Shots aus Hopfen, Getreide Obst oder Reben versorgt hat,

Allerdings zeigt das Cover keine Gerätschaft, mit der man diese Vitamin-Shots herstellen kann, sondern eine Monsterversion des ansonsten als elektrisches Handwerkzeug wohl in jedem guten Haushalt vorhandenen Utensils zum Glätten von Kleidungsstücken. Es soll aber Menschen geben, die letztgenannter Tätigkeit auch gerne nachgehen.

Wie auch immer, schauen wir mal ob herauszufinden ist, ob die Musik der drei Protagonisten Schlüsse oder besser Interpretationen zum Thema Bügel zulässt. Marcel Cultrera ist Teil des Wiener Trios Speck, das für psychedelischen Krautrock bekannt ist, Tommy Handschick ist normalerweise bei der Kieler »heavy freak-out Krautrock Band« Kombynat Robotron sowie der ebenfalls in Kiel ansässigen »Dope Dooum und Bong Metal«-Band Earthbong zu finden und wem ich etwas zu Dave Schmidt sagen muss, sollte jetzt einen bügeln gehen. Dass Dave als dritter Musiker in diesem Bunde einen perfekten Platz hat ist klar, denn man kennt und schätzt ihn als Sula Bassana, als Mitglied von Formationen wie Zone Six, Electric Moon, Krautzone, Interkosmos, Weltraumstaunen und sicher vielen weiteren Projekten und dann ist er auch Chef des kleinen aber feinen Labels Sulatron Records.

Dass "Bügeln" auf diesem Label erscheint ist daher nicht nur Ehrensache sondern auch die passende Heimat für eine Band wie Minerall, die sich für dieses Debüt vor etwa einem Jahr in den Hannoveraner Buffbergen Studios trafen, Geburtstage feierte (zum Bügeln schrieb ich ja eingangs bereits etwas …) und dann die vorliegende Jamsession starteten. ».. drei der kreativsten Psych Bands aus dem deutschsprachigen Raum … erstes Werk dieses kreativen Prozesses … endloser Jam mit hypnotischer Dynamik … Sphären des Space Echo … eine nicht reproduzierbare Momentaufnahme …« sind Fetzen aus dem Promotext und da sie so perfekt passen, zitiere ich sie gerne, dann besser kann man es in der Tat nicht sagen.

Zwei Stücke sind auf dem schwarzen, 180g schweren und auf 500 Stück limitierten »Recycling-Vinyl«, dem ein Download Code beiliegt. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen: EROC hat gemastert. Und das Ergebnis ist klasse. Klangtechnisch wie auch musikalisch. Die drei Musiker zelebrieren eine psychedelische Reise durch krautige Sphären und die Kombination aus flirrenden Saiten, bebenden Fellen und dem gekonnten Einsatz von Elektronik wie Soundprozessor und Space Echo entstehen Landschaften oder besser Welten, die einen mitnehmen. Dass es zwei Tracks sind und nicht nur einer, ist sicher der Tatsache geschuldet, dass diese Musik auf Schallplatte erscheint, Und genau auf dieses Medium gehört sie auch. Mein alter Freund Marek nennt so etwas »Kerzenmusk«. Minerall bewegt sich auch in spacigen Gefilden und leicht kommt mir da etwas Hawkwind in den Sinn.

Die Band sprich von einer Session und so klingt das auch. Spontan und losgelöst von jedweden Pflichten oder Konventionen wird losgejammt. Das allerdings höchst professionell und wie im Studio perfekt austariert, aber neben kleinen Bearbeitungen am Anfang und am Ende des Jams ist das alles so echt und live, dass es laut Dave nicht reproduzierbar ist. Sollte diese Formation Bestand haben und dem Debüt weitere Scheiben folgen und es gar auf Tour geht, dann werden "Bügeln/Unerforscht" und "Sachebene" wohl auch geil rüberkommen, wenn auch anders, Lässt man sich in diese beiden Kompositionen fallen und taucht darin umher, ist es wirklich schwer vorstellbar, das eins zu eins nachzuspielen. Aber Musiker wie Marcel, Tommy und Dave haben konfektionierte Musik auch eher weniger im Sinn. Was sie aber sicher im Sinn hatten, ist den Hörer ratlos mit dem Albumnamen und dieser Bügelmaschine auf dem Cover zurückzulassen. Es sei denn, die drei bügeln gerne zu dieser höchst entspannenden Musik und haben uns mit herausgestreckter Zunge die falsche Bügelmaschine präsentiert.

Wer auf psychedelische, krautig-spacige Jams steht, sollte sich unbedingt sputen. 500 Stück Bügelwäsche ist viel, aber 500 Vinylscheiben sind verdammt wenig,


Line-up Minerall:

Marcel (guitar, fx, spaceecho)
Tommy ((drums)
Dave Schmidt (bass, fx, synthesizer)

Tracklist "Bügeln":

  1. Bügeln/Unerforscht (22:07)
  2. Sachebene (21:26)

Gesamtspielzeit: 44:33, Erscheinungsjahr: 2024

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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