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Mirror / No Man’s Tale – CD-Review

Wenn auch Malocher mit kohlegeschwärzten und auf Machen insistierte Antlitze längst zum Kiosk-Latein vieler Ruhries gehören, so lebt im hiesig größten Ballungsrevier wohl nach wie vor ein Binom aus äußerer Härte sowie innerer Weiche zwischen all den schweigenden Zechen und ausgeglühten Industriebrachen.
Ebenso verlässlich vermarktete Selbiges unentwegt seine musikalische Authentizität zwischen rockistisch kumpelhafter Untergrund-Folklore und massentauglicher Pop-Blüten.
Einmal abgesehen von der krautigen siebziger Hochkonjunktur, mit Grobschnitt, Faithfull Breath, Shaa Khan und Konsorten, fristete das vergleichsweise handwerklich für Puristen zu überheblich sowie introvertiert aufspielende Genre des progressiven Rocks darin ein zwar jenseits befruchtetes, dennoch verschrobenes Mauerblümchendasein.
Trotz alldem halten noch genügend Bands heutzutage, mit eben jenen Vorlieben an ihren meist schwarm- oder eigenfinanzierten Manifesten das vom Establishment verhasste, jedoch von Genre-Liebhabern geschliffene, Schwert in die Höhe.

Mit eben jener Euphorie, respektive Leidenschaft, dazu unter dem allmächtigen Einfluss britisch gesalbter Progkost, schlugen sich die Gelsenkirchener Mirror im Heimatland mit Achtungserfolgen in den späten Achtzigern durch den Dschungel vermarktungsunwilliger Mäzene. Nahezu drei Jahrzehnte später, andernfalls in einer nostalgischen Zeit angestauter Achtziger-Fluten, untermauern die mittlerweile dem Frischlings-Status entwachsenen Protagonisten mit dem Studio-Drittling alsgleich gestalterischen Steißgeburt "No Man’s Tale" erneut ihr musisches Selbstbewusstsein.
Angesichts stetig musikalischer Paradigmenwechsel, nichtsdestoweniger der quitschfidelen Menage à trois zwischen zuweil wohligen Gitarren-Masturbationen, dazu in Weltschmerz suhlender Sanges-Taumel auf dem Lagerstatt schmelziger Keyboard-Überdosen, investieren diese damit in dem Glauben am Nerv retrolüsterner Genre-Konsumenten zu rühren.

So dürften primär sowohl Progressive Rock-Grünlinge als auch Gegenwarts-Flüchtlinge Mirrors langjährig aufgestaute Schubladen-Kompositionen sowie – für germanische Verhältnisse – ungelenkes Niederknien vor den besetzten Podesten langzeitgedächtnisprägender Jahrhundert-Bands mit Hang zu megalomanen Klängen bis zu behäbig rumpligen Rhythmen krautiger 'elder statesmen' in ihre Déjà Vu-verklärten Hörareale einschließen.
Sonst allerdings hört man hier den charmanten Versuch, mit Hilfe neuentflammter Spielfreude und Uwe Kitzas bedeutungsschwangerem Sanges-Ausdruck samt germanisch anglisierter Gefühls-Phonetik jene rockistische Bückware einst barock anmutender Musikalien mit einem Gutteil artifiziellen Komponierens umweltgerecht zu recyceln.

Kurzum, die Gelsenkirchener Progrock-Patrioten mit Unabhängigkeits-Boni meinerseits vermögen es, mit ihrer akustisch recht gepflegten, in zwei Tagen eingespielten Schnellproduktion, teutonisch-ästhetisiertes zugleich putziges Songwriting mit virtuos längsterprobter obendrein Epigonen-gekeulter Akkuratesse miteinander zu versöhnen.


Line-up Mirror:

Stefan Bugal (guitars)
Roland Weidenheimer (keyboards)
Uwe Kitzka (vocals)
Michael Flynn Filipiak (drums)
Günter Köhler (bassguitars)

Tracklist "No Man’s Land":

  1. Prologue
  2. No Man’s Land
  3. Who Can Hear Me? (Another World)
  4. The Earth Watcher
  5. The End Of Silence
  6. The Birth (A New Life)
  7. When Silence Turns To Thunder
  8. Not Too Late
  9. The Power Of Tears

Gesamtspielzeit: 42:26, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ingolf Schmock

Als gebürtiges Mauerkind zudem frühzeitig mit westlichen Rock'n Roll-Ultrakurzwellen-
Oddyseen und Beatclub-Aufklärungen sozialisiert, galt mein musikalisches Verständnis
deren meist langmähnigen Aussenseitern. The Who, Small Faces, The Move...,später dann
Hartglötzer wie Black Sabbath, Deep Purple&Co., zu guter Letzt Schwurbel-Pioniere
ala Yes, Genesis, ELP...waren (sind) meine Helden sowie Seelenklempner.
Heute liegt mein Hauptaugenmerk (auch Hierzulande) auf sowohl handgemacht Rockistischem
mit Engagement und Seele, als auch Prog-gebrandmarkten virtuos-Verspieltem.

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