Es gibt Platten, da weißt du bereits bei den ersten Takten, dass sie was taugen. So auch im Fall von "Bad Get Some" von den Newcomern Miss Velvet & The Blue Wolf. Die Band um die charismatische Miss Velvet serviert uns auf ihrem Debüt einen Mix aus brodelndem Rock und Funk Rock, wie ich ihn schon lange nicht mehr gehört habe.
In den Staaten soll die achtköpfige Truppe live schwer am Abräumen sein. Und nicht nur dort, der Weg führte sie mit ihrer EP "Dare" im Gepäck auch nach Estland und Finnland. Auf dem Auguusti Bluues Festival stand sie schließlich mit Eric Gales zusammen auf der Bühne.
Beschrieben wird die Band als »if the 70’s band Chicago and Led Zeppelin had a baby with Janis Joplin, you would get Miss Velvet and the Blue Wolf«. Und in der Tat hat Miss Velvet ein Organ, das in der Lage ist, aus Edelzwicker einen Gewürztraminer zu machen. Eine Mischung aller guten Zutaten aus Etta James und Janis Joplin. Die Mitmusiker stehen da nicht hintenan sondern feuern ihre Parts perfekt in das Gesamtgefüge und kreieren so einen Schmelztiegel aus klassischem Rock und pulsierendem Funk Rock.
Ich erwähnte den Anfang des Albums und der ist von der Art, wie normalerweise Livealben beginnen, oder wie es in solchen zugeht, wenn der Drummer zur Begleitung der Bandvorstellung ansetzt. Der sich dazugesellende leicht funkige Rhythmus bereitet nun alles für DIE Stimme vor.
Für die Funkanteile sind Saxofon und vor allem Trompete und Posaune verantwortlich. Aber nicht nur, denn die hervorragenden Arrangements, die irgendwie an Live-Darbietungen erinnern, wechseln gekonnt zwischen Rockgebläse à la frühe Chicago und der überschäumenden Verve Earth Wind & Fires. Je nach Bedarf rockt die Gitarre geil und dreckig oder streut funkige Licks in die Arena.
Apropos Earth Wind & Fire – wo sonst als in den Detroiter Universal Studios, in denen besagte Band oder auch ein George Clinton arbeiteten, hätte man vorliegende Scheibe aufnehmen sollen? Wenn schon, denn schon!
Es ist faszinierend, wie Miss Velvet & The Blue Wolf von Funk auf Rock und umgekehrt schalten. Wie sie von schnell rockenden Passagen auf Zeitlupe bremsen und zu traumhaften Gitarrensoli eine dezente Posaune ins Rennen werfen. Und dann kommt er, der Track, der auch Glatzköpfen die nicht vorhandenen Haare aufstellt. Ann Peebles "I Can’t Stand The Rain", das ja durch Tina Turners Version hinlänglich bekannt sein dürfte, wird von Miss Velvet auf die Spitze getrieben. Sorry Tina, das hier ist DAS Cover. Zum einen, weil Miss Velvet stimmlich dermaßen alle Register zieht, zum anderen weil zu Bass-, Drums- und Gitarrenfundament die beiden Blechbläser miteinander ’sprechen' und weil die dreckige Gitarre so irrsinnig mit ihren Saiten oszilliert. Es ist viele Jahre her, als ähnliche Begeisterung für eine fulminante weibliche Stimme in mir Wellen schlug: Das war die dänische Musikprofessorin Hanne Boel mit " (I Wanna ) Make Love To You".
Aber es ist keine Zeit, daran zurückzudenken, denn "Dare" läuft an und es kracht an allen Ecken und Enden. Instrumental wie stimmlich ist das eine Offenbarung. Man sollte das laut hören und Kopien allen Trällerelsen dieser Welt in die Briefkästen legen. So geht das weiter, bis "Drowning", eine ruhige, fast psychedelische Nummer, so langsam das Ende des Albums einleitet. Und hier zeigt Miss Velvet, dass auch ruhigere Songs nach Stimme schreien können. Den Abschluss bildet das zweite Cover, Gershwins "Summertime". Und dieser Klassiker wird von allen acht Musikern zelebriert. Die Gitarre verbreitet Crazy Horse-Schwingungen und die Frau am Mikro, na was wohl? Sie begeistert einfach.
Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann muss die nächste Platte am besten ein Live-Mitschnitt sein. Kein Wunder, dass Miss Velvet & The Blue Wolf live so angesagt ist. 'Etta Joplin' lebt!
Line-up Miss Velvet & The Blue Wolf:
Miss Velvet (vocals)
Constance Hauman (keyboards)
Nick Carbone (drums)
Henry Ott (guitars)
James Jones (bass)
Jehiah Bray (sax)
Trevor Neumann (trumpet(
Dan Levine (trombone)
Tracklist "Bad Get Some":
- Bad Get Some
- Run
- Love Train
- Like You Do
- I Can’t Stand The Rain
- Dare
- Edge Of The Line
- Velvet Door
- Drowning
- Summertime
Gesamtspielzeit: 57:29, Erscheinungsjahr: 2017
3 Kommentare
Popopos
27. Juni 2022 um 19:47 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Der Rezensent hat wohl noch nie etwas von Betty Davis gehört
Ulli Heiser
24. August 2019 um 17:09 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Karsten,
das neue Album habne wir in der Pipeline.
Gruß
Ulli
Karsten Thiemann
24. August 2019 um 15:59 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Bei mir läuft gerade der Nachfolger – Feed the wolf – lohnt sich, sehr funky!
Grüße, Karsten