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Mitch Ryder / Konzertbericht, 19.02.2025, Meisenfrei, Bremen

Mitch Ryder Im Meisenfrei 2025

Höhenflug einer fast vergessenen Legende

Was war das für ein Aufschrei in den (un)sozialen Medien?!
Wie, Wahlen in Deutschland, welches politisch nicht weniger gespalten zu sein scheint als anno Klassenfeind?
Nein, in einer mikroskopischen Winznische der ungeteilten Aufmerksamkeit war im August des letzten Jahres zu vernehmen, dass sich das Detroiter Musik-Urgestein Mitch Ryder nach dreißigjähriger gedeihlicher Zusammenarbeit von der Ostberliner Blues-Rock-Legende Engerling getrennt hat.

Seit über zwanzig Jahren kommt das Mitglied der National Rhythm & Blues Hall of Fame – neben Hall And Oates der einzige lebende weiße Musiker, dem gegenwärtig diese Ehre zuteil wird – im Februar in das Land, in welchem er 1979 durch einen gleichermaßen legendären wie berüchtigten Auftritt im fünften Rockpalast eine Fanbasis erlangte, die bis zum heutigen Tage ausstrahlt.

Mitch Ryder und 'Enkeling'

Mitch Ryder und 'Enkeling'

Letztes Jahr ist er schließlich im hohen Alter beim Vorzeige-Blueslabel des Landes gelandet, welches auch Vertriebswege in den Staaten generieren kann und prompt kletterte das Live-Album The Roof Is On Fire – eingespielt mit seiner europäischen Begleitband Engerling – etwas überraschend in den Billboard-Bluescharts bis auf Rang drei … für Mitch Ryder ein Fest, ist er doch in den Staaten seit seinen frühen Single-Erfolgen mit den Detroit Wheels überhaupt kein Faktor mehr.
Somit war wohl die Ostberliner Luft nicht international genug, das neue Studioalbum With Love wurde in seiner Heimat unter der Ägide von Don Was (Bonnie Raitt, Brian Wilson, Rolling Stones, Bob Dylan) eingespielt und zur diesjährigen Stippvisite in der alten Welt stellte Label-Chef Thomas Ruf eine neue Begleitband zusammen, gespeist aus drei Nationen.

Genau dies entfachte in der Nerd-Bubble hitzige Diskussionen, genießen doch Engerling in selbiger – aus Sicht des Rezensenten völlig zu Recht – einen exzellenten Ruf (nicht wahr, Herr Ruf?).
Somit durfte mit einiger Spannung dem alljährlichen Besuch Mitch Ryders im besten Live-Musik-Club Bremens (und darüber hinaus!) entgegengeblickt werden.

Beobachtung 1: Im Vorfeld hatten einige verkündet, ohne Engerling dem Konzert fernbleiben zu wollen. Dafür ist die 'Meise' aber ebenso gut gefüllt, wie in den Jahren zuvor. Also ist nicht nur der Rezensent neugierig.

Beobachtung 2: Die körperliche Verfassung der Detroiter Legende wird nicht besser. Konnte er letztes Jahr noch Teile des Gigs stehend absolvieren, ist jetzt komplettes Sitzen angesagt und das Betreten und Verlassen der Bühne gestaltet sich als sehr fragil. Aber Ende Februar feiert er auch seinen Achtzigsten!

Beobachtung 3: Die geistige Verfassung ist dagegen ausgezeichnet. Nach der seit dem Rockpalast ikonischen und ironisch verschmitzt vorgetragenen Begrüßung »Good evening, ladies and gentlemen, my name is Mitch Ryder, I’m from Detroit« erfolgen im Laufe des Abends etliche launige Anekdoten aus seinem ereignisreichen Leben und Erläuterungen zu den Songs der Setlist.

Beobachtung 4: Diese Setlist ist sehr ansprechend gemischt, beinhaltet gut das halbe neue Album, bringt Highlights seiner langen Karriere in unterschiedlichen Tempi und glänzt immer noch mit dem fantastisch und mitreißend interpretierten "Soul Kitchen" der Doors.

Beobachtung 5: Stichwort fantastisch und mitreißend interpretiert – selbstverständlich kann Mitch Ryder nicht mehr annähernd diese explosive Kraft aus den Zeiten der Detroit Wheels oder seines Comebacks im deutschen TV ins Mikrofon rotzen, aber dieser gebrechliche kleine Mann blüht erkennbar hinter selbigem auf, klingt teilweise etwas brüchig, bringt aber auch punktuell mit erstaunlicher Kraft sein unvergleichlich rau kehliges Timbre zum Schwingen. Darüber hinaus scheint er fast durchgehend innerlich mitzuswingen.

Beobachtung 6: Das ist sicherlich auch den Qualitäten seiner neuen Begleitband geschuldet, die tatsächlich neue Reizpunkte setzen kann, im Kollektiv bereits ganz gut harmoniert und ansteckend groovt, während individuell instrumentale Klasse das Auditorium begeistert.
Schlagwerker Denis Palatin (Frankreich) und Tieftöner Thomas 'Tom' Germann (Weimar) bereicherten bereits einige Male den Thomas Ruf-Blues Caravan, Léa Worms (Frankreich) brilliert mehrfach mit explosivem Tasten-Stakkato und die Saitenfront bietet den immer wieder reizvollen Kontrast der Modell-Ikonen Gibson Les Paul und Fender Stratocaster. Sean Athens (Iserlohn) schnappt sich dabei gerne das Röhrchen, um auf seiner 'Paula' wilde Slide-Einlagen zu absolvieren, während er ansonsten auch mal in die Harmonika bläst und seinen Chef am Mikro unterstützt.

Laura Chavez und das Solieren auf höchstem Niveau

Laura Chavez und das Solieren auf höchstem Niveau

Co-Star des Abends ist aber die großartige Laura Chavez, ihres Zeichens vor zwei Jahren Gewinnerin des 'Blues Music Awards' in der Kategorie beste’Instrumentalistin' und in der Vergangenheit ebenfalls beim Blues Caravan positiv auffällig geworden.
Sie war auch an den Aufnahmen von "With Love" beteiligt und bringt hier und heute Abend ihren unwiderstehlichen Latin-Groove ein. Darüber hinaus wechselt sie sich mit Sean Athens an der Rhytmus- und Leadgitarre ab, bei "War" spielen beide die selige 'Twin-Guitar' und sie glänzt mehrfach mit überragend gespielten Sololäufen, die das gesamte Niveau auf eine neue Ebene hieven.

 

Fazit:

Nach ungefähr 105 durchgespielten Minuten ist leider Schluss, das Publikum restlos begeistert und der vermeintliche Aufschrei in den (un)sozialen Medien Makulatur – zu gut hat sich die stark verjüngte Begleitcombo präsentiert und damit nachdrücklich für den Bandnamen 'The New Detroit Wheels' empfohlen.
Mitch Ryder möchte im nächsten Jahr zur gleichen Zeit wiederkommen … es ist ihm und uns sehr zu wünschen!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Meisenfrei für die problemlose Akkreditierung.

Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2025 | Olaf 'Olli' Oetken | RockTimes

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

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Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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