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Monkey 3 / Live At Freak Valley – LP-Review

Monkey 3 / Live At Freak Valley

Zwei Bands haben mich durch meine wildeste Zeit in der Stoner-Szene getragen. Zum einen The Machine aus der Gegend von Rotterdam, zum anderen die Schweizer Instrumental-Truppe aus Lausanne vom Genfer See, Monkey 3. Dass The Machine irgendwann auf der Bühne in Netphen auflaufen würden, daran bestand wohl nie ein Zweifel, viel zu tief waren die Jungs um David Eering mit den Rockfreaks in Siegen verbandelt. Bei Monkey 3 hatte ich da schon eher bedenken, war mir doch bekannt, dass der Boss und Booker der Veranstaltung nicht gerade ein Fan von instrumentalen Bands ist. Als The Machine tatsächlich im Mai 2013 die Bühne enterten, war ich noch Mitglied im Club, aber durch eine familiäre Katastrophe aus dem Verkehr gezogen. Ich hab geheult, damals, als meine Freunde um 21 Uhr on stage gingen und ich nicht bei ihnen sein konnte.

Zwei Jahre später war Freak Valley für mich persönlich erst einmal Geschichte, als sich Boris (Gitarre und Kopf der Band) und seine großartige Kapelle auf den Weg machten ins Tal der Rock Freaks. Und Boris weiß, was man von ihm erwartet. Zu der Zeit war ihr aktuelles Album "The Fifth Sun" vor allem geprägt durch die stark progressive Hymne "Icarus", einer sensationellen Nummer mit allem, was die Band auszeichnet: Allem voran fantastische Steigerungsläufe, die aus einem hypnotischen Drift abgehen bis ins Nirwana – und Harmonien, die einen der Welt entrücken können. Aber "Icarus" hat auch sehr lange sehr ruhige Phasen und geht über fast eine Viertelstunde. Angesichts des begrenzten Zeitplans und der bekanntermaßen sehr actionorientierten Stoner-Gemeinde fiel dieser Übersong damit vermutlich durch das Abendprogramm. Vielleicht war es ja gut so, das Werk benötigt ein Stück innere Einkehr und Ruhe, die ein solches Konzert nur schwerlich vermittelt. Eine Live-Version hätte ich dennoch gerne auf der Platte gehabt, tröste mich aber mit der Erinnerung, dass ich kurz vor Weihnachten in Weil der Stadt eine fantastische Version des Songs geboten bekommen habe, mit keiner geringeren Vorband als Space Debris übrigens.

Gehen wir also mal davon aus, dass der "Icarus" aus strategischen Gründen nicht fliegen durfte, aber ansonsten sind viele Kracher dabei, die Monkey 3 sozusagen in der Ära vor dem Wechsel zu Napalm Records ausgezeichnet haben.

Mit "Last Gamuzao" und "Pintao" beginnt das Konzert standesgemäß, soll heißen, dass die primären Bedürfnisse der Anwesenden bedient werden. Knallharte, wiederkehrende Riffs und am Ende ein wildes Gitarren-Freak-out dürften genau die Erwartungshaltung der enthusiastischen Fans befriedigt haben. Und mit "Bimbo" legen sie gleich in dieser Stimmung nach, die aber schon bald in klassischen Space Rock übergeht und sich wunderbar Zeit nimmt, den beschrittenen Pfad ausgiebig zu beschreiben. Damit haben wir erst einmal zwei Songs vom Debütalbum und eine Nummer von der letzten Veröffentlichung unter der Haube.

Wenn wir die zweite LP auflegen, kehre ich tatsächlich zu meinen Monkey 3-Ursprüngen zurück: "Jack", der Song, der einst meine Liebe zu den Schweizern entfachte. Ich hab ihn unzählige Male daheim gehört und ungefähr genauso oft live erlebt. Dieser zeigt auf beeindruckende Weise, wie der dritte Affe – übrigens benannt nach dem legendären Film "Planet der Affen" – im Allgemeinen funktioniert. Transzendentale hypnotische Kreise beginnen behäbig, bis die Intensität ganz langsam gesteigert wird. Kaum einer versteht es, die Daumenschrauben so dezent, aber wirkungsvoll anzuziehen wie Monkey 3. Und wenn Boris von der Leine gelassen wird, dann geht der Silberrücken ab. Damals übrigens noch ganz klar strukturiert und irgendwie berechenbar. Das hat sich in der heutigen Zeit ein wenig geändert, wo die Strukturen der Nummern ein wenig komplexer geworden sind, was sicher dem Label und der verstärkten Professionalität geschuldet ist. "Jack" aber ist und bleibt ein Meisterwerk und in der Kombination mit dem sehr meditativen "Driver", beide vom legendären Album "39 Laps", ein Stück junge Musikgeschichte in der Stonerszene.

Unvergessen übrigens die "Jack"-Version einst im Salzburger Rockhouse, als Boris ein zusätzliches Solo einbaute, weil vorübergehend der Viersaiter des damaligen Bassmanns Picasso den Geist aufgab. Da hat man zutiefst erleben können, über welche geniale Potenz die Gitarre des Herrn verfügt. Einfach ein bisschen außerirdisch – wie der Film über den komischen Planeten.

Der Kompromiss an die Gegebenheiten: Die krachende Single "Birth Of Venus" geht im Gegensatz zum unschlagbaren "Icarus" in die Tracklist ein, ist aber eigentlich nur ein brachialer Wachmacher für eines der Wunderwerke von Monkey 3. Der einzige Song vom Album "Beyond The Black Sky" hat sich inzwischen zu einer Monsternummer entwickelt. Selbst heute noch, wo das aktuelle Album, "Sphere", wirklich hinreißende Nummern vorwärts marschierenden psychedelischen Space Rocks zu bieten hat, wirkt die komprimierende Wirkung von "Through The Desert" mit seinen galaktischen Riff-Einschlägen – krautig krawalligen und ebenso zurückgenommen ausschwärmenden Breaks sowie herrlichen Licks von Boris' einzigartiger Gitarre – wie ein Extrakt dessen, was Monkey 3 uns vor die Rübe knallen wollen. Und das tun sie, mit aller Lust und Freude. Liebe Gemeinde, jetzt gibt’s auf die Fresse. Vor ein paar Wochen in der Höhle haben sie fast den Berg damit gesprengt. Attacke und Riff-Einschläge wie von einem Asteroiden!

Schade, dass am Ende keine Zeit mehr für die klassischen Abräumer "Once Upon A Time In The West" und "One Of This Days" geblieben ist. Ja genau, Monkey 3 spielten früher die alte Ennio Moricone-Nummer aus dem Leone-Film und den klassischen Pink Floyd-Kracher mit einer Hingabe, die allemal wert gewesen wären, auf dem Album vertreten zu sein. Allein der Zeitplan im Festival-Ablauf hatte vermutlich etwas dagegen und in den letzten Jahren hat man komplett auf diese Stücke verzichtet. Das Gesamtwerk von Monkey 3 ist inzwischen derart komplex geworden, dass man eigene Werke zu Recht in den Vordergrund stellt.

Das Live-Album vom Freak Valley Festival kann als eine Art Schnittstelle zwischen der alten und der neuen Zeit angesehen werden, die mit "The Fifth Sun" in die neue Napalm-Ära überging. Vor einigen Monaten hatte ich einen sehr spannenden Gedankenaustausch mit meiner Kollegin Andrea, die im Gegensatz zu mir die Band quasi über ihre neuesten Songs kennen lernte und dann aus Begeisterung über die Musik quasi in die Vergangenheit eindrang. Auch sie beschreibt die Zäsur in der Entwicklung der Band.

Wie sagte meine sehr geschätzte Kollegin Maria vom Chiemsee in der Balver Höhle so schön, als Monkey 3 mächtig, auch bei den neutralen Besuchern, abräumte: »Mann, dass der Boris nicht das klassische Solo bei "Jack" gespielt hat….« Ja, die neuen Songs mögen besser und professioneller austariert sein, aber wir Fans von der ersten Stunde lieben unsere vier Affen mit der Nummer Drei so, wie sie schon immer waren. Das muss nicht kompliziert sein, wenn der Turbo gezündet wird, es muss halt immer nur voraus und nach oben gehen.

Und das konnten sie schon immer, ganz früher, beim Freak Valley-Festival und das praktizieren sie noch heute. Die neuen Platten sind wirklich Klasse, aber wer das Herz des Affen verstehen möchte, der muss in ihre Vergangenheit eindringen. Die Freak Valley-LP schenkt uns eine Live-Scheibe und leider die einzige. Es gibt eine inzwischen schwer zu beschaffende DVD aus dem Jahre 2007, die auch toll ist, aber Boris hat mir einst in einem Interview anvertraut, dass er mit den bisherigen Live-Ausbeuten sehr zufrieden ist und sich über die vielen Youtube-Auftritte freut. Weitere Live-Aufnahmen sind daher nicht zwingend zu erwarten und das erhöht den historischen Wert dieser Aufnahme ganz erheblich.
Monkey 3 ist eine unfassbar geile Live-Band. Danke Rock-Freaks, das Ihr Euch dem angenommen habt.


Line-up Monkey 3:

Boris (guitar)
Kevin (bass)
dB (Guillaume) (keyboards)
Walter (drums)

Tracklist "Live At Freak Valley":

LP 1:

  1. Last Gamuzao/Pintao
  2. Bimbo

LP 2:

  1. Jack/Driver
  2. Birth Of Venus/Through The Desert

Gesamtspielzeit: 53:44, Erscheinungsjahr: 2017 (2015)

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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