Orkanwarnung über dem Schwabenland! Ein Hurricane der Stärke F5 fegte am Abend des 29.September durch den Keller Klub, nomen est omen in den unteren Gewölben der Stuttgarter Innenstadt beheimatet. Mitten unter ihnen ein Rezensent, der seine Einschätzungen revidieren musste. 'Heiliges Blechle'. Doch davon später.
Kurz nach acht Uhr abends erhielten wir Einlass in die Katakomben. Der Keller Klub bietet eine kultige Location und wartete zu meinem ersten Besuch mit einer Überraschung auf, die große Freude bei mir auslöste. Meine alten Freunde von Monkey 3 haben endlich einen eigenen Hoodie produziert. Nicht mehr lang, dann muss ich meinen Wäscheschrank ausbauen. Schnell wurde deutlich, dass der Laden heute Abend bis unters Dach gefüllt sein wird, eine schweißtreibende Angelegenheit, die das sympathische Personal am großen Tresen erfolgreich mit Kaltgetränken zu bekämpfen wusste. Ganz im Gegensatz zum ersten Auftritt an diesem Abend, der mir ebenfalls alte Bekannte in Erinnerung rief und der für jede Menge Hitzewallung und Bewegung sorgte. Die 1000mods hatten mich schon damals im Siegener Vortex sehr beeindruckt, doch konnte ich in jener Nacht leider nicht bis zum Ende bleiben, weil wir bis zur ersten S-Bahn in Richtung Duisburg wieder in Solingen sein wollten.
Heute Abend gab es jede Menge auf die Zwölf, die 1000mods spielen einen gradlinigen schnörkellosen Stoner Rock mit zwei Gitarren und einer exorbitanten Leidenschaft. Man schaue sich nur mal an, wie Labros über den Fellen wütet. "Super Van Vacation", das Werk der Band aus 2010 steht ja auch in meinen Regalen und einige gute Bekannte wie das Wüstensand getriebene "Road To Burn" sorgten für ein schönes Déjà-vu. Immer wieder explodierten die Songs geradezu in fuzzigen Gitarrenläufen, vorangetrieben von einer Rhythmusfraktion, die man einfach nur dynamisch nennen kann. So wurde das willige Fleisch der Anwesenden bereits in der ersten Stunde schön weich geklopft – ein Auftakt nach Maß. Und das zu Zeiten von Oktoberfest und Wasen.
Yeah, eine derart energiegeladene Eröffnung ist eigentlich gewagt, wird doch die Messlatte sogleich ein gutes Stück hoch gelegt. Könnte man denken. Für die Jungs von Monkey 3 war das keine Option, sie hatten noch eine ganz anders aufgeladene Quelle energetischer Spannung für uns vorbereitet – und das bringt mich zwangläufig und reumütig zu meinen Gedanken über die neue Studioplatte Astra Symmetry. Bedingt durch die diversen Klangspielereien und Keyboard gestützten, sanften Reflexionen zwischen den Hauptparts hab ich den Jungs aus Lausanne einen gewissen Hang zum Ambient unterstellt und schon damals sehr darauf hingefiebert, wie sich das wohl auf der Bühne ausmachen wird. Nun, dieses Erlebnis habe ich inzwischen ein paar Tage hinter mir und bin immer noch dabei, die körperlichen Schäden an meinem Rock ’n' Roll-geschundenen Körper zu pflegen. Sie haben mir gezeigt, wo der Hammer hängt. Aber mal so was von deutlich. Mehr Zeit für epische Klangteppiche? Im Leben nicht. Einzig der dramatisch orchestrale Auftakt aus den Soundmaschinen von Guillaume verbreitete genau die sphärische Untermalung, die das astrale Thema des neuen Albums braucht und die es in der Studiofassung ein Stück weit trägt. Dann erschienen die Protagonisten auf den Brettern, die hier und heute Abend für uns die Welt und ziemlich viel darüber bedeuteten. Neben dem bereits genannten Tastenmann, der sich immer noch DB nennt, nahm Walter hinter der Schießbude Platz, griff Kevin zum Bass und Boris zur Gitarre. Nun, eigentlich griff er erstmal zu so einem dieser merkwürdigen, elektronischen Inhalationsgeräte, die heute so weite Verbreitung erfahren. Als Nichtraucher hab ich mich nie mit diesem Phänomen auseinander gesetzt, aber es muss schon ein guter Stoff gewesen sein, denn Boris blies an diesem Abend viele kleine Wolken in den Keller Klub. Vor allem muss es inspirierend gewesen sein, denn das, was kam, schrottete alle meine Erwartungen.
Soviel vorweg, nie zuvor habe ich Monkey 3 begeisternder, energetischer und virtuoser gesehen. Und ich war schon ziemlich oft dabei. Sie spielten die "Astral Symmetry" komplett für das verzückt mitgehende Publikum. Besser gesagt, sie saugten uns auf wie Boris die Züge seiner elektronischen Zigarette und stießen uns aus als spacigen Wirbelwind, der sich in brachialen, aber gleichsam kunstvollen Riff-Stößen in einen farbenprächtiges Universum verteilte. Nein, besonders ambient ging es nicht zu während der magischen eindreiviertel Stunde. Um den Videoscreen besonders zur Geltung zu bringen verzichtete die Band durchgängig auf Beleuchtungseffekte, was gut war für die Visualisierung der Filmsequenzen, den Fotografen hingegen vor einige unlösbare Aufgaben stellte. Klares Verständnis aber dafür meinerseits, denn schließlich geht es um die möglichst intensive Präsentation der Musik im Hier und Jetzt und nicht um Archive und Erinnerungsstücke. Alles gut!
Faszinierend auch die Interaktion zwischen den Jungs auf der Bühne, die ungeheuren Spaß zu haben schienen. Wie sie immer wieder mit ungeheurer Präzision ihre oft komplizierte Rhythmik einbringen, wie die Riffs messerscharf und glasklar in dein Hirn dringen. Klanglich macht Monkey 3 sowieso in der Szene keiner was vor, das war schon immer so.
Damit genau dieses Riffbrett besonders druckvoll und gewaltig auf die dankbaren Zuhörer einprügelt, griff Guillaume in vielen Nummern zur Gitarre. Dieser aggressive Background bot dann einen fantastischen Grund und Boden für Boris' elektrisierende Soli, die an diesem Abend wirklich nicht mehr von dieser Welt waren. Ich habe meine Bewunderung für diesen Saitenmagier schon oft und hinreichend zum Besten gegeben, aber im Keller Klub schien Boris noch einmal einen drauf legen zu wollen. Mal ein wenig wie Blackmore, einige Referenzen an Herrn Gilmour – aber vor allem ganz viel Boris, der sich vor keinem Gitarrenmann in der Welt zu fürchten braucht. Er spielte sich mehrmals in einen Rausch und beim abschließenden Solo in "The "Fifth' Sun" hatte es den Anschein, als würden die ekstatischen Licks und Improvisationen am Ende alle Wolken teilen, um den wahren Himmel zu zeigen. Musik, die dich in die Unendlichkeit führt – so wie die an verschiedenen Stellen eingeflochtenen Bildextrakte aus Kubricks "2001" verstärkend zu suggerieren vermochten. Ja, wirklich, während dieses Solos rissen einige Enthusiasten plötzlich die Arme in die Höhe, so als hätte der Herr der Rockmusik sie in diesem Moment persönlich berührt.
Und genau das ist ja das faszinierende und immer wieder zutiefst bewegende Gefühl, was mit eindringlicher Gewalt über meinen Körper und Geist herfällt, wenn sie denn den "Icarus" steigen lassen. Sie schenkten ihn mir, als großartige Zugabe und finalen Flug durch Raum und Zeit. Wenn Musik derart intensiv in dich eindringt, dann weißt du nicht mehr, was du tust oder wo du bist. Du fliegst davon, getragen von Wogen unendlicher Energie und Schönheit und du hoffst irgendwie, dass dieser Flug niemals enden wird. Auch, wenn am Ende mein behandelnder Orthopäde wieder einmal auf Umsatz hoffen darf.
Monkey 3 haben mich am diesem Abend tief bewegt, wieder einmal – im Herzen, im Geiste und in meiner Muskulatur. Die Europatour zu "Astra Symmetrie" hat gerade erst begonnen und ich kann jedem Anhänger virtuos aggressiver Rockmusik einen Besuch bei den vier Herren aus Lausanne nur wärmstens empfehlen. Brachiale Stoner-Riffs mit immer komplexer werdenden Grundmustern, elegant exzessive Soli und eine Band, die auf dem Höhepunkt ihres Schaffens agiert. Und dabei anscheinend eine Menge Spaß zu haben scheint. Musik über die Konstellation der Sterne, die dich in die Sterne reisen lässt. Total geil!
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