"Hangar" ist nach "Mutterschiff" und Absturz das dritte Album der deutschen Schwerpsychedeliker. Irgendwo in einer Melange aus schwerer Psychedelic und treibendem, instrumentalem Stoner Rock. Soweit die erste Einschätzung, denn nach intensivem Hören – und das ist unabdingbar, um in dieser Story als Hörer 'mitzumachen' – gesellen sich weitere spannende Spielarten hinzu: durchaus etwas Kraut, Fusion, eine Spur Space, sodass das Konglomerat auch dem Prog Rock zuzuordnen ist .
Aber das Sezieren der Stile ist verlorene Zeit, denn als Ganzes will und muss das Album gesehen werden. Gesehen und vor allen Dingen gehört. Auch "Hangar" ist nämlich ein Konzeptalbum, das an die Story des Vorgängers anknüpft. Gelungen wird das von der Band verkauft, die neben der Fortsetzung, also entweder Reparatur und Weiterentwicklung bzw. Neubau des havarierten Raumschiffes auf dem Planeten X-Alpha Wolf, auch die eigene, musikalische Weiterentwicklung in die Waagschale wirft.
"Absturz" wurde vom Kollegen Jochen besprochen und da lese ich nichts von wegen, die Musiker müssen sich weiterentwickeln. Ich kann mir das auch nicht vorstellen, denn was die drei aus Plauen hier vorlegen, zeugt von enormer musikalischer Kompetenz. Die Stücke bauen aufeinander auf (logisch, bei der Story), sind in ihrer Komposition stets dem gerade aktuellen Chapter angepasst und vor allen Dingen freut es mich immer wieder, und so auch hier, wenn sich bei Kopfkinomusik niemand in den Vordergrund spielt. Ja mehr noch, sie sind eigentlich alle im Vordergrund. Kein Instrument wäre in seiner Aussage so präsent und prägend, wären die anderen nicht ebenfalls zur Stelle. Das zeugt von sehr gekonntem Songwriting.
Nun zur Story, die auf dem Planeten spielt, auf dem das Schiff unfreiwillig und beschädigt gelandet ist. "Prototyp" beschreibt den Bau eines neuen Schiffes, was eingangs durch metallische Arbeitsgeräusche akustisch demonstriert wird. Leise und dezent schiebt sich repetitiv die Gitarre ins Geschehen, steigert sich in Lautstärke, nimmt sich wieder zurück und beginnt von neuem. Eine klasse Demonstration, bzw. musikalische Umsetzung des Themas. Breitwandig setzt die Truppe dann plötzlich gemeinsam an, um zu bauen. Die Vielfalt der zu erledigen Arbeiten werden gekonnt musikalisch beschrieben. Herrlich melodiöse Prog-Passagen wechseln mit gesteigerter Dramatik und auch das anfangs zu hörende monotone Grundthema wird wieder bemüht. Im Kopf setzt der Hörer das so um, dass er den Fortschritt, die Rückschläge und Reparaturen mitbekommt.
An dieser Stelle sei nochmal gesagt, dass dieses Album das perfekte Gerüst ist, um dem entspannten Hörer die Möglichkeit zu geben, auf dem Planeten am Geschehen teilzuhaben.
"Biospirit" behandelt das Finden von adäquatem Treibstoff für die weitere Reise durch den Kosmos. Man spürt beim Zuhören fast, wie sich Gefäße füllen, wie experimentiert wird, wie Tropfen fallen, wie verschiedene Energien freigesetzt werden. Das alles bewerkstelligen die Protagonisten durch ihr Spiel mit Tempo, Dramaturgie und Spieltechnik. Letztere besteht aus perfekten Symbiosen aus forschem Vorwärtsrock und angedeuteten Breaks. Die Chemie- , Bio- und Nuklearküche brodelt.
Der Plasmafusionsreaktor ist fertig. "Tokamak" ist sein Name. Musikalisch fliegen wir um das Teil, betrachten es, fassen es an und genießen die Schönheit des Brockens. Wir riechen nichts, wir bekommen keine schmutzigen Hände, erfassen aber die enorme Kraft, die saubere Energie und die brachiale Power, die dieser Antrieb entfesseln kann. Spannend wird das instrumental dargeboten. Kraftvolll pumpt der Bass, stoisch treiben die Felle und energiegeladen oszilliert die Gitarre. Alle Stufen des Reaktors werden getestet, sodass vom fast Stillstand bis zum Overdrive alles im Fluss ist. Gigantische Wirkung erzielt hier auch der Syntie- und Gebläseeinsatz. Genau an den richtigen Stellen wird dadurch die Dimension des Themas dokumentiert. Das ist Kino vom Feinsten.
Endlich ist es soweit, alle Teile des Raumschiffes werden miteinander verheiratet und das wird natürlich in "Weihe" anständig gefeiert. Leicht orientalisch klingt das am Anfang, wodurch sicherlich auf die Exotik der Lebensmittel dieses Planeten auf diesem Fest hingewiesen wird. Während die Gitarre dieses Flair vermittelt, baut sich im Hintergrund die Rhythmusabteilung auf, wie das weiland Deep Purple in Highway Star tat, Diese Band aber bitte schnell wieder ausblenden, denn wir wollen weiter die "Weihe" feiern, auf der mittlerweile ein psychedelischer Jam zelebriert wird.
Natürlich wird bei dem ausschweifenden Fest auch die Maschine getestet. Obwohl das im "Leerlauf" geschieht, spürt man die gewaltige Kraft des Antriebs.
» … A new ship is born.«
Ich bin nun extrem gespannt, wenn die Crew mit ihrem Schiff Mother Engine den Orbit von X-Alpha Wolf verlässt und in »unendliche Weiten« aufbricht …
Line-up Mother Engine:
Cornelius Grünert (drums)
Christian Dressel (bass)
Chris Trautenbach (guitar)
Plus:
Marius Leich (keys, synth)
Jens 'Fluff' Piesende (saxophone)
Vladimir Esionov (trombone)
Tracklist "Hangar":
- Δ Prototyp
I. Form
II. Windkanal
III. Belastung - Φ Biosprit
I. C2H6O
II. 104 ROZ
III. HVO - Δ Tokamak
I. Torus
II. Kompression
III. Injektion
IV. Lawson Kriterium - Ω Weihe/Leerlauf
Gesamtspielzeit:77:24, Erscheinungsjahr: 2017
Neueste Kommentare