Das Wichtigste möchte ich zuerst mitteilen, damit die Chance, dieses Album zu bekommen, nicht allzu schlecht steht. Denn das neue Werk des dänischen Musikers Bjørn Jeppesen unter der Projektflagge Nattefrost ist äußerst streng limitiert. Lediglich 300 Exemplare der in dunklem Grün designten Vinylscheibe wurden aufgelegt. Da heißt es also, schnell zu sein.
"Skaldic Themes", die neue Studioplatte des nordischen Musikers schließt sich an den Vorgänger Homeland aus dem Jahr 2014 an. Das 2017 erschienene Absorbed In Dreams And Yearning stammt aus dem Jahr 2006 und wurde 2017 das erste Mal in die klassische Rille gepresst. Schaut man sich die Namen der fünf Stücke auf "Skaldic Themes" an, ist klar, dass es, wie es ja auch der Albumname bereits suggeriert, wieder um nordische Themen geht.
Die Skalden waren im Mittelalter an den skandinavischen Höfen als Dichter zugange und ihre Dichtung, die Skaldik, war »eine der nordischen Kunstgattungen neben den Sagas und eddischer Dichtung« – so mein ergoogeltes neues Wissen.
Dass Nattefrost elektronische Musik macht, ist bekannt. Und so startet die Platte auch gleich mit Synthesizergeräuschen, bis sich die Szenerie öffnet und sich dunkle Blubbertöne sowie abgrundtief knarzende Frequenzen zu einer weiten Soundlandschaft verbinden. Und genau diese Mischung aus Berliner Schule einerseits und filmreifem Ambient andererseits macht die Musik von Bjørn Jeppesen stilistisch so spannend und interessant. Durch thematische Melodieführung sowie an- und abschwellender 'dunkler und tiefer' Rhythmik wird die Zwiesprache guter und weniger guter Toten sehr schön dargestellt.
"Scandinavia" versetzt einen gleich von Anfang an in eiskalte, nordische Landschaften. Unnatürliche Klänge, diffuses Bassgebrabbel und eine klare, kleine Melodie werden durch gesprochene Worte und chorales Gesumme zur stimmungsvollen Reise durch unwirtliches Gelände. Ganz anders präsentiert sich "The Gate Of The Gods", dem Stück der Band Navigator, deren Musiker Jens Peschke, Tony Andersen und Kent Eskildsen hier zusammen mit Bjørn Jeppesen weniger bedrohliche und auch moderner klingende Tunes freisetzen. Wenn wir in nordischen Landschaften bleiben, dann geht nun virtuell eine Sonne auf. Auch auch der (künstliche?) Choralgesang klingt deutlich positiver. Es scheint zu guten Göttern zu gehen.
Gewitter an stürmischen Gestaden begrüßt die Langschiffe. Düster und bedrohlich oszilliert die Elektronik, ’spitze' Frequenzen prasseln wie abgeschossene Pfeile aus den Lautsprechern. Es sind Geschichten, die die Skalden, pardon, die Bjørn Jeppesen da erzählt. Vor dem geistigen Auge stehen die zerzausten Nordmänner an der Reling ihrer Schiffe und müssen nicht nur den Naturgewalten trotzen. Bjørn transportiert den Hörer mitten hinein in fantasievolle Filmszenen. Ob die "Longships" nun flott durchs Wasser gleiten oder aber gegen die wilde Brandung ankämpfen … Augen zu und der Film läuft. Zu hypnotischem Grundrhythmus laden melodische Sequenzen den Hörer zu immer wieder neuen Szenarien ein.
Voluminös orchestral startet "Illusions Of Past & Future". Wenn man das Wort Illusion mit musikalischen Mitteln erklären will, dann nur so, wie Nattefrost es gerade tut. Das Verhältnis Vergangenheit und Zukunft definiert sich durch das mächtige Orchestrale einerseits und die flirrenden Synthies andererseits. Wenn die Musik ruht, erzählt Sarah Elgeti zu beruhigedem Wellenrauschen …
Line-up Nattefrost:
Bjørn Jeppesen (all hardware and software synthesizers, vocoders, spoken words – #A-1)
Sarah Elgeti (spoken words- #B-2)
Navigator (- #A-3):
Jens Peschke
Tony Andersen
Kent Eskildsen
Tracklist "Skaldic Themes":
Seite A:
- Spirits Of The Dead (9:00)
- Scandinavia (4:39)
- The Gate Of The Gods (4:45)
Seite B:
- The Longships (11:30)
- Illusions Of Past & Future (4:33)
Gesamtspielzeit: 34:27, Erscheinungsjahr: 2017
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