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Neev / Philosotry – CD-Review

Nur einen Steinwurf entfernt von Lissabon liegt Cascais, die Heimatstadt von Neev.
Neev ist Multiinstrumentalist, Sänger, Komponist und Textschreiber.
Nach diversen Singles brachte der Portugiese im Sommer 2020 sein Debütalbum "Philosotry" auf den Markt.
Neben der Tatsache, dass Neev auch Gitarre sowie Keyboards spielt, ist die "Philosotry"-Gästeliste verdammt lang.
Achtzehn weitere Musiker sind an den Songs beteiligt. Unter anderem ist es Dean Parks (Paul Simon, Rod Stewart, Randy Newman, Madeleine Peyroux und viele andere mehr).
Aus der Vielzahl an Gästen resultiert wohl auch die Tatsache, dass die zwölf Songs in insgesamt sechs Studios eingespielt wurden.
So werden die Sunset Sound Studios, Hollywood, Village Studios, West LA, Redmojo Studios, Lissabon, Start Point, Devon oder The Pool, London genannt.
Wenn bezüglich des Neev-Musikstils Pop auftaucht, dann sprechen wir von äußerst hochklassigem Pop. In Neevs Händen wird Pop zu einer besonderen Kunstform.

Geradezu besinnlich beginnt der Album-Eröffnungstrack "Calling Out", der zwischen melancholischem und fast schon orchestralem Format hin und her pendelt. Schon dieses Stück entwickelt sich zu einem Anziehungspunkt gekonnt inszenierter Musik.
Mit seinen phasenweise hohen Tönen ist Neevs Stimme sehr emotional. Neben dem tollen Arrangement ist sein Gesang, der in besonderer Art auch noch wunderschön mit den Chorstimmen harmoniert, ein weiteres prägendes Element seines Pop. Amy Keys gefällt in der Rolle der Duett-Partnerin sowie Backing-Sängerin.
Auf der anderen Seite der Tracklist befindet sich "Nao Se De Mim". Knapp über drei Minuten Intensität wirken auf den Hörer wie ein edel, bunt blühender, duftender Blumenstrauß. Wie aus dem Songtitel zu entnehmen ist, singt Neev in seiner Heimatsprache. Von der orchestralen Form entführt uns der Protagonist mit dem letzten Track ins Reich der Träume. Dieses Stück stellt nicht nur den Neev-Gesang in den Vordergrund, sondern punktet in spezifischer Weise durch die schon sehr zurückhaltende Instrumentierung. Hinhörer!

Neben Neevs hinreißender Stimme spielt er auch noch eine klasse Gitarre.
Wie abwechslungsreich man ein Lied gestalten kann, zeigt sich in "Mess Up With You". Bemerkenswert, wie sich ruhige, von der akustischen Gitarre getragene Momente mit dynamischen Elementen abwechseln. Die künstlich erzeugten Drum-Sounds passen perfekt zu den Fingerschnipp-Klängen in den relaxten Parts. Herrlich!
Wenn man sich dem Statement "World Of My Own" widmet, stellt man fest, wie besonders diese vom Künstler besungene Welt ist. Hier ist Neev, auch wenn er die gesangliche Intensität zeitweise nutzt, definitiv nicht alleine, denn in dieser Welt haben unzählig viele Leute Platz. Gemeint sind alle die, die diese Nummer einfach nur schön finden.

Neev ist Neev, auch wenn er sich, wie bei "Ann Marie", dem Country-Stil im Genre Pop widmet.
Es mag abgegriffen klingen, wenn ausgerechnet hier die Dean Parks-Pedal-Steel zum Einsatz kommt. Country ja, aber man muss diese musikalische Richtung im Einklang mit der Neev-Handschrift für den besonderen Pop sehen. So verschmelzen die Elemente.
Auch in "This Dream" ist Dean Parks vertreten. Abermals spielt er die Pedal Steel-Gitarre, allerdings ist dieses Mal die verträumte Variante angesagt. Ja, diese Nummer ist wirklich traumhaft. Eine Ballade voller Chiffontücher, die sich verspielt vom sanften Wind treiben lassen.

Jetzt aber! Das Fass der Energie ist noch nicht leer.
Neev rockt! Neev ist in "Come On People" das Sprachrohr des Pops der anderen Art.
Kurz vor dem Platten-Ende zeigt der Portugiese, wie er sozusagen aus der Haut fahren kann. Hammer! Was den Hörer im Intro mit einer akustischen Gitarre sowie Gesang einfängt, wendet sich fast ohne Vorankündigung zu einem hinlangenden Rock, der, wie könnte es bei Neev anders sein, durch zurückhaltende Phasen noch durchdringender wirkt. Die vokale Verfremdung ist keine einfache Spielerei. Wow! Dieses E-Gitarren-Solo haut rein.
Nach allen vorherigen Liedern hätte der Rezensent nie daran gedacht, solche Worte für einen Neev-Song zu benutzen.
Wenn Joao Barradas in "It Is What It Is" das Bottleneck einsetzt, dann spricht dieser Sound nicht für den Blues, sondern die Slide-Gitarre ist ein Sentimentalitäts-Spender erster Güte.

Sein erstes Album ist wie ein Quell der Überraschungen, auch wenn Neev quasi eine eigene Handschrift offenbart. Die Begegnung mit den zwölf "Philosorty"-Songs ist von Nachhaltigkeit geprägt.
Vom Norden Westeuropas in den Süden der EU.
Wenn in der Pressemitteilung ein Vergleich mit dem isländischen Künstler Àsgeir gezogen wird, dann gilt dies als eine Einladung, sich mit der ausgewöhnlichen Neev-Musik zu beschäftigen.
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.


Line-up Neev:

Neev (vocals, backing vocals, acoustic guitar, guitars, piano, keyboards, string arrangement)
Larry Klein (bass – #1,5,6,7,8,9,11,12, keyboards – #3,6,9,12, percussion – #9, tambourine – #6,12)
Brian Macleod (drums – #1,3,4,5,6,7,8,9,11, percussion – #5,6,9, tambourine – #7)
Lyle Workman (electric guitar – #1, guitars – #3,5,6,8,11)
Pete Kuzma (Hammond B-3 organ – #1,4,7,11, electric piano – #11)
Windy Wagner (backing vocals – #1,2,3,5,8,11)
Amy Keys (additional lead vocals – #1, backing vocals – #1,2,5,8,11, additional vocals – #11)
TJ Lindgren (additional orchestration – #1)
Tiago Carvalho (programmed drums – #1,4,8, keyboards – #4,5,8, bass – #4,8, string arrangement – #5)
Chris Bond (drums – #2, percussion – #2, bass – #2, guitars – #2, synthesizers – #2,5, keyboards – #5)
Thomas Dybdahl (keyboards – #3)
Stego (programmed drums, keyboard synthesizers – #3)
Dean Parks (electric guitar – #4, pedal steel guitar – #7,9)
Patrick Warren (strings – #4, Wurlitzer electric piano – #6, keyboards – #7,11)
Simon Wadsworth (string arrangement – #5)
Joao Barradas (electric guitar – #10, slide guitar – #10, bass – #10, percussion – #10, string arrangement – #10)
David Lacerda (drums – #10)
Ruben Alves (piano – #11)

Tracklist "Philosotry":

  1. Calling Out
  2. Lie You Love It
  3. Mess Up With You
  4. Loot
  5. Something Trivial
  6. World Of My Own
  7. Ann Marie
  8. Staring Through
  9. This Dream
  10. It Is What It Is
  11. Come On People
  12. Nao Se De Mim

Gesamtspielzeit: 50:18, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
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