Als Ilka mich vor einigen Monaten für die Arbeit bei RockTimes warb, tat sie dies in dem Bewusstsein, dass ich dem Geschmack eines früheren Redakteurs recht nahe bin. Natürlich habe ich mich für dessen Vita interessiert und ebenfalls festgestellt, dass da viele Parallelen bestehen. Es war somit kein gewagter Schritt, in diese Bresche zu springen. Die Musik von Neon Burton auf ihrem neuen Album scheint mich in die Sphären meines Vorgängers führen zu wollen, denn hier finden sich zahlreiche Verknüpfungspunkte, die genau in die Vorlieben des Kollegen hinein passen. Aber sie passen eben auch bei mir.
Wunderschön klare, schwebende Gitarrensounds dürfen sich entwickeln, während die Rhythmus-Combo langsam den Motor anwirft. Ebenfalls ohne Hast, wir driften durch paradiesische Pflanzenwelten, schließlich heißt die erste Nummer Tautropfen, "Dew Drops". Psychedelisch geht es zu, bis erstmals krachende Stoner-Riffs dazwischen hauen. Doch die melodisch schwelgende Gitarre hält gegen, wir gehen nicht unter in tosendem Gedonner tiefer Töne. Der Kontrast macht es, dass zeichnet diese Musik aus.
"Sundaze" eröffnet mit einem lässigen Beat, groovt und treibt und lässt uns die Sonne auf den Pelz brennen. Verzerrt fuzzige Saitenklänge verschärfen den Druck, Hennings Gitarre hat einen coolen bluesigen Touch und wird von Drums und Bass mehr und mehr befeuert. Erst nach einem langen Intro folgen die ersten Vokal-Parts, Hennings Stimme passt perfekt in den Sound der Band und eskaliert in den krachenden Steigerungen und riffigen Ausbrüchen der Instrumente.
Hier möchte ich erstmals ein wenig Verwandtschaft zu ganz besonderen Freunden meines Vorgängers Michael erkennen, der nach eigenem Bekunden den Holländern von The Machine sehr nahe stand. "Neon Sleep" erinnert da zu Beginn tatsächlich an eine Nummer, die mir im Ohr geblieben ist, auch wenn ich selbst nicht so eng mit deren Musik vertraut bin. Statt dessen verändert sich der Song eher in die Richtung der Monkey 3 oder My Sleeping Karma, die repetitiven Elemente übernehmen hier klar das Ruder und die Intensität steigert sich wieder in kräftige Riffs hinein. Manche Passagen haben fast ein wenig Post Rock-Charakter und auch der Gesang nimmt mitunter ein paar Anleihen aus den Achtziger Wave-Zeiten. Sehr abwechslungsreich und fast schon ein wenig progressiv, wie hier Stimmungen wechseln. In diesem Song darf sich übrigens der Schöpfer der Cover-Art, Thumpah Lee, mit Gesangsparts einbringen.
Das Konzept des Albums, faszinierend betitelt von einer Kölner Band nach einem Kölner Auto, führt in einer psychedelischen Reise durch die wilde Natur, bedient sich aber nicht nur dem beschriebenen Autos, sondern landet vorübergehend im Trans Sibirien Express und wendet sich am Ende mit einer Tauchglocke der maritimen Welt der Tiefe zu.
Liegt es dem idealisierten Bild der alten Dampflokomotive, dass der "Trans Siberian Express" mit heftigen metallenen Riffs aufmacht? Doch kaum hat man sich ausgetobt, groovt ein fast schon ein wenig jazzig anmutender Flow hinein in die ewigen Weiten der Tundra, Russland ist groß und das Land schier unendlich bis in die Ferne Kamchatkas. Auch hier nimmt mich wieder dieser geile Wechsel zwischen entspannt coolen Passagen und fetzigen Rhythmus-Attacken mit. Vor allem aber klingt das am Ende immer irgendwie kultiviert, man driftet nicht ab in das gelegentlich festzustellende, doomige Dauergedröhne. Nur tiefgestimmte Riffs ergeben allein noch kein Konzept, genau darum gefällt mir der Ansatz von Neon Burton sehr gut.
Der "Mighty Mondeo" ist eine geile psychedelische Nummer, die sich sogar wagt, kurz einmal einen kurzen Gedankensplitter aus Jimis "Purple Haze" zu zitieren. Lässige, fast ein wenig funkige Phrasen jagen uns mitten hinein in eine echte Explosion eines großartigen Gitarren-Freak-outs. Mothers Cake in Österreich machen eine ähnliche Musik, auch die hat mein Kollege Michael mehrmals präsentiert. Es macht Sinn, gelegentlich mal in unsere Archive zu schauen, erst recht, wenn man noch nicht so lange dabei ist. Wenn man auf der Bandcamp-Seite von Neon Burton nachschaut, erfährt man übrigens, dass die Band sich am Ende ihrer Reise im großen Mondeo in Griechenland wähnt und in der Sonne döst. Das wiederum erinnert mich an Heinrich Bölls geniale "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral". Ach ja, und der ist ja auch in Köln geboren worden. Schön, wie die Band hier mit Bezügen ihrer Heimat spielt.
Im abschließenden Tauchgang "Bathysphere" erleben wir eine abwechslungsreiche Reise durch Poseidons Reich. Ein hypnotischer Bass von Simon, sensibles Drumming von Emil und eine sehr psychedelische Gitarre von Henning führen uns elegant und losgelöst durch eine Welt voller Farben. Die soll es dort unten nämlich geben, auch wenn das Licht prinzipiell keine Chance hat, sie zum Leuchten zu bringen. Wofür gibt es Musik?
Ich hatte es bereits erwähnt, mir macht diese Mischung aus kultivierter Psychedelik mit heavy-bluesigen und Stoner getränkten Elementen sehr viel Spaß und man sichert sich in der oft ein wenig eindimensionalen Szene damit eine authentische Position und ein klares und wiedererkennbares Konzept.
Gefällt mir sehr gut!
Line-up Neon Burton:
Henning (guitar, vocals)
Simon (bass)
Emil (drums)
Guest musician:
Thumpah Lee (vocals #3)
Tracklist "Mighty Mondeo":
- Dew Drops
- Sundazed
- Neon Sleep
- Trans Siberian Express
- Mighty Mondeo
- Bathysphere
Gesamtspielzeit: 42:38, Erscheinungsjahr: 2021
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