Sowohl das in Spanien ansässige Electronic-Duo Neuronium, bestehend aus dem Belgier Michael Huygen sowie dem Spanier Carlos Guirao (erstes Album: "Quasar 2C361", 1977), als auch der Grieche Vangelis hatten sich in den siebziger Jahren in ihrem musikalischen Genre bereits einen Namen gemacht. Letztgenannter war zunächst zusammen mit dem Sänger und Musiker Demis Roussos und dem Schlagzeuger Loukas Sideras in der Progressive Rock-Band Aphrodite’s Child aktiv, mit der er drei Alben (unter anderem den Klassiker 666 aus dem Jahr 1972) veröffentlichte, bis die Combo sich auflöste und er eine Solokarriere einschlug. Neben vielen anderen Projekten, auch für Film und Theater, erschien sein erstes Solo-Werk "Fait Que Ton Reve Soit Plus Long De La Nuit" (englischer Titel: "Make Your Dream Last Longer Than The Night") noch im selben Jahr. Sowohl der Grieche, als auch Neuronium brachten für den Rest jener Dekade regelmäßig Alben heraus.
Die drei Musiker trafen sich schließlich im Jahr 1981 in London, um eine Session zu spielen. Erstmal wollten sie sich aneinander herantasten um zu sehen, ob das Projekt bzw. das Miteinander überhaupt funktioniert. Und das tat es, wie später zu berichten sein wird. Die hier enthaltenen drei Stücke behandeln eigentlich nur ein einziges musikalisches Thema, eine Grundkomposition von Michael Huygen, die während der Einspielung immer wieder leicht variiert wurde. Wobei der dritte Titel lediglich eine fürs Radio editierte Fassung des Songs darstellt.
Wie sich erst jetzt im Nachgang durch eine Äußerung von Huygen herausgestellt hat, waren beide hier vertretenen Fassungen von "In London …" tatsächlich sogenannte 'first takes'. Das Zusammenspiel der Musiker funktionierte (nachhörbar) prächtig und hört sich an, als hätte das Trio bereits seit Jahren zusammen Musik gemacht. Zunächst wird hier ein dichter und atmosphärisch dicker keyboardbeladener Teppich gelegt, über den dann jeweils, nicht unbedingt soliert, sondern vielmehr mit neuen Ideen und Einschüben addiert wird. So wird eine Soundwand, sprich eine Schicht über die andere gewoben, was das Gesamtwerk zu einer einzigen langen und emotional angenehmen Traumlandschaft werden lässt. Interessanterweise wirkt der Sound dabei nie überladen, nie zu dick aufgetragen und erlaubt fast durchgehend noch Freiräume für das Kopfkino des Hörers.
Wenn im Line-up als Instrumente auch lediglich die Keyboards aufgeführt sind, so hatten die drei Electronic-Fachmänner neben Synthesizern natürlich auch noch einige weitere Geräte am Start, um die Atmosphäre bzw. den Gesamtsound noch bunter, noch lebendiger erscheinen zu lassen. Dabei ist "In London …" tempomäßig eher getragen und hält diese Geschwindigkeit auch durchgehend. Sowas muss nicht immer funktionieren, aber Neuronium und Vangelis hatten definitiv den Dreh raus, nicht auch nur im Ansatz einen Funken Langeweile aufkommen zu lassen.
Auf persönlichen Wunsch von Vangelis wurde die Scheibe seinerzeit nicht veröffentlicht, über die Jahrzehnte kam es jedoch immer wieder mal zu inoffiziellen Releases von Teilen des Werkes, mit denen die beteiligten Musiker aber wohl nie zufrieden waren. Deshalb nahmen sie sich dem Projekt in den letzten Jahren noch einmal an, remasterten die Bänder und bearbeiteten diese hier besprochene Scheibe noch einmal neu, um anschließend damit erstmals offiziell durchzustarten. Diesem Vorhaben kam jedoch der Tod von Vangelis am 17. Mai 2022 dazwischen. Umso schöner und auch ein bisschen tröstend, dass wir "In London …" immerhin noch einmal mit einem klasse Sound versehen genießen dürfen.
Line-up Neuronium & Vangelis:
Carlos Guirao (keyboards)
Michael Huygen (keyboards)
Vangelis (keyboards)
Tracklist "in London …":
- In London [20:00]
- In London (After Hours) [18:29]
- In London (radio edit) [3:05]
Gesamtspielzeit: 41:53, Erscheinungsjahr: 2022 (1981)
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