Auf dem Reeperbahn-Fetsival wurde Michi Rieder, der unter dem Künstlername Nikolaus Wolf firmiert, mal als »Weird guy from Bavaria« angekündigt. Warum auch immer … denn seltsam oder abgedreht kommt der bayrische Musiker auf seinem Debütalbum "The Birds Of Desert Sun" überhaupt nicht rüber. Eher sehr erdig, mit einem Fuß in den psychedelischen Sphären der sechziger Jahre. Und wenn das nicht schon gleich mal ein Adelsschlag ist … Der Protagonist komponiert Musik für Filme und hatte 2017 bereits die EP "Roekki Zimt" am Start. Fünf Jahre bis zu seinem ersten abendfüllenden Album hat es dann aus unterschiedlichen (hier nicht diskutierenden) privaten Gründen gedauert. Erhältlich auf Vinyl und digital, liegt mir eine schöne schwarze Scheibe für dieses Review vor. Und wir springen gleich mal mitten rein ins Geschehen.
Wie bereits erwähnt hat Rieder eine richtig coole Mischung aus psychedelischem Garage/Pop-Rock/Roots mit Sechziger-Einschlag am Start. Was direkt beim Opener "Brother’s Fist" klar wird, bei dem schön garagig nach vorne gerockt wird, ohne den Hörer direkt zu überrollen. Ein feines Saxofon-Solo von Gast Flo Riedl rundet den flotten Einsteiger dann gekonnt ab. Noch besser wird es bei "Easy Riders" mit einer einleitenden Sitar, schleppendem Rhythmus und einem so geilen Refrain, dass man sofort hellhörig wird. Die verzerrte Gitarre hört sich nach 1968 an und ein ganz großer Bonus sind auch die Harmony- und Background Vocals von Steffi Brückner, die die Songs mit ihren Stimmbändern zusätzlich veredelt. Spätestens bei "Get It On" hat Rieder den Hörer mit seinen cleveren Melodien, dem starken Songwriting und ultracoolem Sixties Garage-Sound im Sack. Wenn zu Beginn von "Honkey Boy" dann auch noch eine Slide-Gitarre Einzug hält, ist auch diese Geschichte schon als Gewinner abgehakt.
Und selbst wenn man die Akkordfolge zu "Over The Clouds" bereits zu kennen glaubt, zaubert der Protagonist hier ebenfalls nochmal eine wunderschöne Ballade aus dem Ärmel. Mit dem die zweite Seite eröffnenden Titeltrack geht es tief in die Wüste Arizonas, halb verrückt nach einem Schluck Wasser und die Geier bereits auf einem einsamen Kaktus sitzen sehend. Und ohne jetzt tatsächlich auf jeden weiteren Song einzugehen sei noch gesagt, dass Nikolaus Wolf es bei "Wasteman" auch mal richtig krachen lassen, "40 Fingers" erneut über fast schon unverschämt geile Background Vocals von Miss Brückner verfügt und das abschließende "White River" (mit knapp fünfeinhalb Minuten das längste Stück der Platte) dieses Album dann gekonnt und mit nochmal mächtig Power seinem Ende entgegen führt. Das mag sich jetzt alles etwas überschwenglich anhören, aber den Rezensenten hat diese Scheibe aus all den bereits genannten Gründen schlichtweg verzaubert!
Mit "The Birds Of Desert Sun" hat Michi Rieder bzw. Nikolaus Wolf zum Jahresende nochmal eine dicke fette positive Überraschung abgeliefert. Unter anderem besticht – trotz Texten, die es durchaus in sich haben – die scheinbar unglaubliche Leichtigkeit und Coolness dieser zehn Tracks, das feine Songwriting, die gute Produktion, die geilen Melodien und nicht zuletzt die guten Musiker, inklusive Sängerin. Und obwohl ich noch keine Rückschau vorgenommen habe, ist eigentlich jetzt schon klar, dass dieses Album auf meiner persönlichen Bestenliste des Jahres 2022 ganz oben landen wird. Also entweder unbedingt anchecken oder am besten gleich blind kaufen, denn diese Platte wird jeden Fan der genannten Stilrichtungen überzeugen.
Aber Vorsicht: Macht süchtig!
Line-up Nikolaus Wolf:
Michi Rieder (guitars, bass, mandolin, sitar, piano, organ, mellotron, harmonium, keyboards, synthesizer, space effects, flutes, whistles, maracas, lead & background vocals)
Domi Schauer (piano, bongos, bass, double bass, guitars, slide guitar, e-bow, sitar, piano, organ, mellotron, harmonium, background vocals)
Thomas Promai (drums – A-#1,2,4, organ – B-#2)
Ivo Thomann (drums – A-#3,5, B-#2-5, maracas – B-#2)
Steffi Brückner (harmony & background vocals)
With:
Flo Riedl (bariton saxophone – A-#1)
Daniel Weber (piano – A-#5)
Lothar Beyschlag (brass – A -#5)
Tracklist "The Birds Of Desert Sun":
- Brother’s Fist
- Easy Riders
- Get It On
- Honkey Boy
- Over The Clouds
- The Birds Of Desert Sund
- Moon Mono
- Wasteman
- 40 Fingers
- White River
Gesamtspielzeit: 17:37 (Side 1), 19:19 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2022
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