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No Such Season / Same – CD-Review

No Such Season / Same

Welcome back, Punk!

Das gilt aber eigentlich erst einmal nur für die ersten 71 Sekunden und den ebenso langen Song "Sando’s Bad Juju". No Such Season kommen aus einem Kaff ein paar Meter nördlich von Seattle – und das verpflichtet. Grunge ist hier die Wurzel aller Freude. Und Metal spielt auch eine eindeutige Rolle, wenn unsere vier Jungs aus Everett beginnen, Betrieb zu machen.

Kurz, knapp und mitten in die Fresse, so könnte man das Motto der Band ziemlich präzise umreißen. Vierzehn Songs in 38 Minuten, für archaische Ausflüge und epische Songstrukturen wird da nicht viel Zeit bleiben. Vielleicht macht ja gerade das den Punk aus, denn die Komprimierung auf den Punkt ist jederzeit stimmig und lässt keine Fragen offen. "Giants" ist mein Favorit dazu. Ein Godzilla-Monster-Song mit Sirenenalarm. Das kracht und geht in die Eier.

Anmerken sollte man allerdings auch, dass drei der Stücke nichts anderes als sogenannte Radio-Editions darstellen, was die eigentliche Laufzeit des Materials auf ausgesprochen überschaubare 29 Minuten reduziert. Die Berechtigung dieser zusätzlichen Versionen erschließen sich mir absolut nicht, die klingen nicht anders als die jeweils erste Version. Die Sensoren für den Verarschungsfaktor schlagen da bei mir ein Stück weit aus, aber unverbesserliche Toleranzbürger, die irgendwie alles und jeden verstehen wollen, werden sicher gute Gründe ins Feld führen, warum das alles seine Richtigkeit hat. Na dann, vermutlich bin ich zu blöd dazu. Oder zu intolerant – huch.

Die Energie der Musik bezieht sich fast durchgehend nur aus kraftvollen Riffs und krachendem Rhythmus, Soli sucht man verzweifelt und vergebens. Dafür krachen die Einschläge der schrägen Akkorde über dramatischem Geschepper mit ungebrochener Kraft, fast wie ein Naturereignis. Und genau da sollte man auch die Stimme von Aaron Sparks verorten, denn der könnte mit seiner Rockröhre auch für einige üble Tiefauslöser verantwortlich sein. Das Konzept ist somit absolut in sich stimmig, es ist halt sehr eindeutig überschaubar und puristisch. Und eben leider auch ein sehr kurzes Vergnügen.

"Urban Death Groove" hat übrigens die aus meiner Sicht geilsten Riffs auf der gesamten Platte, hier wird man weichgeklopft wie ein Wiener Schnitzel – und zwar ohne Schutzfolie. Geile Energie, die sich da aufbaut. Es ist der beste Moment des Albums, wenn in das mäandernde "Down River" umgesteuert wird, eine bösartig langsam und durchtrieben treibende Nummer, die wie eine Klapperschlange durch die sengende Wüste kriecht. Hier erkenne ich alte psychedelische Motive meiner rumänischen Freunde von The Egocentrics wieder und habe meinen ganz persönlichen Glücksmoment.

"Paradiddle" ist noch einmal eine geile Krawallnummer, total auf dem Punkt und mit einer krassen Gitarre, die ihre eigenen Riffs mit schrägen Vibes zerlegt. Zwei Minuten und sechs Sekunden dauert der Spaß, dann sind wir bei den bereits beschriebenen Wiederholungen, die die Welt eigentlich nicht braucht.

Wer sich gerade in einer besonders aggressiven Stimmung wiederfindet und einen passenden Indikator sucht, der wird mit diesem Album seine Triebe kanalisieren können. Das kann mitunter sehr wohltuend sein. Sehr viel mehr wird man im Laufe des Albums nicht erfahren und so mag es ein Stück weit begründet sein, dass wir im Prinzip weniger als eine halbe Stunde neuer Songs präsentiert bekommen. Die sind stimmig, fetzig, reißen mit und lassen alles raus. Mehr aber ganz sicher nicht und über nicht einmal dreißig Minuten ist das dann vielleicht doch eher ein kulturelles Erlebnis, welches die eine oder andere Frage offen lässt. Zum Beispiel: Wie lange mögen wohl Konzerte der Band dauern, wenn denn solche wieder gestattet sind?

Nach den Erfahrungen mit dem Album würde ich auf ein extremes Quickie tippen.


Line-up No Such Season:

Aaron Sparks (vocals)
Willem Coumou IV (guitar)
Daunish Chaudry (bass)
Chad Anderson (drums)

Tracklist "No Such Season":

  1. Sando’s Bad Juju
  2. Soiree (Party)
  3. Snake In The Grass
  4. Urban Death Groove
  5. Down River
  6. 0300
  7. Helmet
  8. Giants
  9. Sando’s Revenge
  10. 4th Seal
  11. Paradiddle
  12. Giants (Radio Edition)
  13. 0300 (Radio Edition)
  14. Urban Death Groove (Radio Edition)

Gesamtspielzeit: 38:21, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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