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Omar Coleman / Live! – CD-Review

In Rosa’s Lounge, im Herzen Chicagos geht der Blues ab. Jeden Dienstag spielt dort mittlerweile ein Musiker mit seiner Band, der sich schon mit seiner Erstveröffentlichung "Born And Raised" im letzten Jahr einen Namen gemacht hat. Omar Coleman. Nun legt er ein Live-Zeugnis nach, aufgenommen sozusagen in seinem Wohnzimmer, wobei die Songs aus drei verschiedenen Veranstaltungen im letzten Sommer zusammengestellt wurden.

Da ich vor ein paar Jahren zum Stonerrock gefunden hatte, war mir in letzter Zeit der Blues ein wenig abhanden gekommen und Omar Coleman noch nicht geläufig. Doch nur weniger Takte bedurfte es, um auf diesen Zug aufspringen zu können. Die Band startet mit einem ungeheuer funkig treibenden Drive in ihr Konzert, der direkt in die Knie geht. Souverän legt der Leader seine Harp und seine Stimme, die mich auf Anhieb an Paul Butterfield und gute alte Zeiten erinnert, über die prächtig groovende Rhythmus-Sektion, aus der sich die Orgel von Neal O’Hara lässig kompetent zu einem stimmig passenden Solo erhebt. Ein qualitatives Merkmal für das gesamte Album. Egal, ob die oftmals herrlich abgehende Gitarre von Pete Galanis, die Harp des Leaders oder eben die flinken Finger auf der Orgel und dem E-Piano, aus einem zündend köchelnden Rhythmus-Gemisch entwickeln sich faszinierende Solo-Einlagen, die mitreißen und die glücklich machen.

Überhaupt führt die Philosophie von Omar Coleman, der ganz bewusst klassische Blues-Wurzeln (wie auch sonst, wenn man in Chicago lebt) mit weitgehend funkigen Einflüssen verbindet, in "Raspberry Wine" kommt sogar ein wenig Jazz-Feeling hinzu. Ein Eindruck, der sich in den Erinnerungszentren meiner Hirnwindungen noch verstärkt, denn Jimmy Smith, der legendäre Jazz-Musiker schlummerte dort tief versteckt seit vielen Jahren und wurde nun durch Neil´s Keyboard wiederbelebt. Wenn das kein Kompliment ist.

Nach dem Willie Dixon-Klassiker "I´m Ready" nimmt die Band endgültig Fahrt auf und groovt in sieben Minuten "Born And Raised" wohl den letzten Tanzmuffel in die ersten Schweißausbrüche. Eine echte Monster-Gitarre bringt diesen Kracher endgültig auf den Punkt. Diese Musik ist extrem Party verdächtig, ohne jemals trivial zu wirken. Der Geist von Rare Earth schwingt ein wenig mit, wobei die ihre Rhythmus-Küche nicht so sehr aus dem Blues befeuerten. Dass die Band auch die leiseren Töne beherrscht, beweist sie in der schönen Ballade "One Request".
Wie ernst Mr. Coleman es mit den Ursprüngen seiner Musik nimmt, kann man auch an der Song-Auswahl ablesen, erweist er Klassikern wie dem schon erwähnten Willie Dixon oder Johnny Taylor seinen Respekt. Und als seine größte Inspiration nennt er den großen Junior Wells. Der Mann weiß, wo er herkommt. Die Szene dankt es ihm, durfte er doch gerade erst beim traditionellen Chicago Blues Festival mitwirken, was durchaus als Ritterschlag verstanden werden kann.

Omar Coleman hat eine prächtige Kapelle beisammen und spielt einen frischen, modernen Blues, der sich mit Nachdruck gegen die Genre übliche »My Baby Left Me«-Stimmung verwehrt. Omars Musik handelt nicht von Trübsal, sondern sprüht vor Lebensfreude. Wenn ich demnächst mal wieder mit Kumpels zusammen mit dem einen oder anderen geistigen Getränk durch meine Platten stöbern werde, dann weiß ich, welche Scheibe das Stimmungsbarometer auf Touren bringen wird.


Line-up Omar Coleman:

Omar Coleman (vocals, harp)
Pete Galanis (guitar)
Neal O´Hara (keyboards)
Dave Forte (bass – # 1-5)
Ari Seder (bass – # 6-10)
Marty Binder (drums)

Tracklist "Live!":

  1. Snatch It Back And Hold It / Wall To Wall
  2. I’m Ready
  3. Born And Raised
  4. Slow Down Baby
  5. Sit Down Baby / Jody´s Got Your Girl And Gone
  6. Raspberry Wine
  7. Lucky Man
  8. One Request
  9. Give Me

Gesamtspielzeit 61:49, Erscheinungsjahr 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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