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Orang-Utan / Same – CD-Review

Orang-Utan / Same

Kann man sich vorstellen, dass ein Album auf dem Markt erscheint, ohne dass die Musiker davon wissen und dass die Beteiligten auch nach inzwischen 49 Jahren noch keinen Pfennig von den Tantiemen dieser Platte gesehen haben? Was aberwitzig klingt, ist nichts anderes als die Geschichte von Orang-Utan, einer sehr coolen Band aus dem Großraum London.
In den späten Sechzigern formierten sich fünf junge Musiker zu einer Formation namens Hunter, benannt nach dem Song von Albert King. Ihr Manager fand diesen Bezug jedoch viel zu blueslastig und so kam es zu der Umtaufung. Welchen Bezug der Name eines heute vom Aussterben bedrohten Primaten zu London, der Band oder ihrer Musik nun auch immer herstellen sollte, es ist nicht überliefert.

Die Aufnahme entstand 1971 an einem einzigen Nachmittag, doch die Bänder samt Manager entschwanden in die USA, wo das Album erschien, ohne dass einer der Bandmitglieder davon wusste.
So oder so soll dieses nun den Auftakt bilden zu einer Reise in die Vergangenheit des abgefahrenen psychedelischen Rock, der zum Ausklang der Sechziger hinein in die beginnenden wilden Siebziger faszinierende und schillernde Perlen wie Flipperkugeln hinein schoss, von denen heute kaum noch etwas bekannt ist. Wir haben eine ganze Menge solch geiler Relikte im Haus und Gretel sagt eh immer schon, dass wir da mal was ausgraben sollten. Ihr Wunsch wird mir Befehl sein.

Zeppelin-mäßig macht das Album auf mit "I Can See In Your Head", hat aber im Gegensatz zum berühmten Avatar sogar zwei Gitarristen zu bieten. Und einen roten King Kong auf dem Cover sowie der Welt größte Bananenschale auf der Platten-Rückseite, die halb Manhattan bedeckt. Cool!
In diesem Sound-Geflecht bewegen sich unsere Primaten-Freunde weiter, näher aber noch bei Grand Funk Railroad. Die konträren doppelten Gitarren, deutlich unterscheidbar nach erster und zweiter Stimme, kumulieren sehr genial aus den lässigen Grooves, Hippie-Musik vom Feinsten.

Ganz besonders erwähnen sollte man das geniale Break in "Slipping Away", wo wir aus einem eigentlich sehr lässig dahin treibenden Song in tiefe Abgründe hinab tauchen – nicht allzu tief, denn die beherrschenden Hooks holen uns rasch ein. Nichtsdestotrotz ist dies ein perfektes Beispiel, wie man damals mit Stimmungen spielte, ohne die technischen Möglichkeiten unserer Tage zur Verfügung zu haben. Dies sind die Momente, wo Orang Utan sich bei den großen Freunden englischer Psychedelic anlehnen. Wer wollte damals nicht ein bisschen Floyd sein? Aber "Love Queen" entwickelt sich plötzlich zu einer treibenden Jam-Nummer – eine Kombi, wie sie heutzutage nur die genialen Gov’t Mule präsentieren könnten. Und das "Chocolate Piano" ist mal wieder Grand Funk Railroad pur – wenn man denn so will.

"If You Leave Me" hat jede Menge klassische Mountain-Riffs, die Mississippi-Queen scheint vorübergehend an den Ufern der Themse angelegt zu haben. Ich kann aber versprechen, Leslie West und Felix Pappalardie sind nicht mit an Bord. Aber hey, ein bisschen Cream ist auch dabei. Die Jungs wussten damals, auf wen sie sich beziehen wollen. Und dann gleich wieder so ein geiler psychedelischer Krempel, als ob Pink Floyd mal Bock gehabt hätten, ein bisschen auf der Straße zu spielen. "Fly Me High" ist eine bedröhnende Substanz.

Insgesamt jammt die Mucke mit ausgeflippten Psycho-Sounds daher, mal etwas temporeicher, mal weniger, aber immer irgendwie als klassischer Hard Rock. Essenz für die Rübe bietet das allemal, der Hypnotic-Faktor wird dauerhaft hoch gehalten und pulsiert perfekt im Takt seiner damaligen Entstehungszeit.

Ich hab mir zuletzt eine ganze Reihe weitgehend unbekannter Zeugnisse der guten alten Zeit noch einmal zu Gemüte geführt, die ich entweder in Gretels Plattenschrank entdeckt oder aber dank einer bekannten Internet-Plattform für Musik und bewegte Bilder entdeckt habe, eine nostalgische und faszinierende Reise zu den Ursprüngen unserer Kultur. Fantastisch, was es in den Annalen zu entdecken gibt, wenn man ein bisschen stöbert. Orang-Utan saßen nicht auf den Bäumen, wie es ihre rothaarigen Verwandten gern tun, so lange sie noch leben dürfen – damals, als alles begann, hatten sie einen fantastischen Weg durch den Dschungel entdeckt in die Plattenschränke der wirklich angetörnten Fans. Zeitgemäß, packend und sehr psychedelisch. So wie es sich gehörte, damals in 1971. Bei uns im Haus sind sie heute noch sehr präsent!


Line-up Orang-Utan:

Mick Clarke (lead guitar)
Nobby Clarke (vocals)
Sid Fairman (guitar)
Paul Roberts (bass)
Jeff Seopardie (drums)

Tracklist "Orang-Utan":

  1. I Can See Inside Your Head
  2. Slipping Away
  3. Love Queen
  4. Chocolate Piano
  5. If You Leave
  6. Fly Me High
  7. Country Hike
  8. Magic Playground

Gesamtspielzeit: 38:38, Erscheinungsjahr: 2005, (Original-LP 1971)

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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