Welche weitreichenden Folgen die einst erfinderischen Geistesblitze jenes Technikbegabten aus Nordamerika wohl für die Musikwelt in sich bergen würden, konnte doch niemand erahnen.
Laurens Hammonds elektrisierter Kirchenorgelersatz erkämpfte sich über die Zeit seinen angestammten Platz in der jazzokkupierten Musikanten- und Unterhalterszene der neuen Welt bis über den Großen Teich.
Maßgebliche Klangerweiterungen, wie etwa Rotationsmotoren nebst diversem Spielzeug infizierte Mitte der Sechziger die überwiegend britischen Pop Rock-Szenerien und degradierte das bisherige Statistendasein ideenreicher Organisten zudem jenes vordiktierte Privileg schwarzer Musiker alsdann endgültig.
Ob nun sowohl schnellfingrige R&B-Traditionalisten wie Graham Bond, Georgie Fame oder Zoot Money, als auch postum vom Fortschritt-beweihräucherte Tasten-Großtäter wie Keith Emerson, Dave Greenslade, dazu Jon Lord – letztlich waren es allesamt umbruchswillige Schmiede, die jedwede als unüberwindlich geltenden Kluften zwischen Rock und Klassischem zum Konsens führten.
Einst klimpernde und schwerblütige Hammond-Akkorde wichen den pompösen, virtuos ausufernden Kraftmeiereien, hartglötzige Kurzopern wie "Child In Time" oder "Lazy" bis hin zu radikalen Progrock-Monumenten wie "Tarkus" dominierten seinerzeit die Begierden meist langmähniger und akademisch bebrillter Plattenkonsumenten.
Improvisationfreudiger Orgel-Hardrock sowie Klassik Jazz-zitierender Größenwahn errangen einerseits zwar ihre grenzüberschreitende Akzeptanz, lavierten sich andererseits durch musikalisch allzu kopflastigen Übermut und affektiertem Kunstwillen ins tiefere Tal der zum 'Un-Genre' stigmatisierten Abkömmlinge.
Wenn auch von Nischendasein-Lästermäulern verschrien, oblagen die menschelnden Naturmässigkeiten musikalisch retromaner Sehnsüchte und das Konsumverlangen nach eben jenen rockrevolutionären Anfängen von jeher im Schoß nostalgischer Erinnerungen samt Emotionen.
Sind auch die Vertreter dieser Generation mittlerweile ergraut und fluten die Massen verstärkt die Konzertsäle, um den letzten Einhörnern der aussterbenden Gattung Rockpioniere ihre wohl finale Heiligsprechung zu beglaubigen, besteht doch Hoffnung.
Glücklicherweise demonstrieren auch heutzutage die nachgewachsenen Rockjünger unverdrossen das Interesse an einstigen Hörgewohnheiten ihrer Väter an deren Tasten-und Saiten-traktierenden Helden, um dem musikalisch rasch abbaubaren und aufbruchmüden Digitalwust etwas Lebendigeres entgegenzusetzen.
Um so schöner, wenn sich Protagonisten aus heimatlichen Übungskellern auf die einstigen Leitmotive jener verrockten Aufbruchsära besinnen und ihr Siebziger-Jahre-Equipment nebst röhrender Tasten-Reliquien ans Licht der Öffentlichkeit befördern. So wie zwei musikalisch gestandene Puffbohnier (Erfurter Ur-Einwohner), welche sich scheinbar gesucht und gefunden haben und die die Urgewalt des totgeglaubten Orgelrocks nebst allen spielerisch ungeschliffenen Energien ihrer pubertären Hörerlebnisse ins Heute katapultieren.
Einst sowohl befeuert von der virtuos-erratischen Attitüde der britischen Hardrocker Deep Purple sowie John Lords klassisch pumpender Hammond-Akkorde, als auch Blackmores Rainbow-Elegien verlöteter Bombast der Anfänge möchten nun Stephan Janson und Tom Walther als selbsternanntes »Two Man Hard Rock-Gespann« ihr Nischenplätzchen jener heutzutage rockistisch prähistorisch anmutenden Kabinettstücke besetzen. Die Faszination von Purples, im japanischen Osaka konzertierten Manifestes samt Lords mit rauchigem Blues-Jazz-getränkte Orgel-Furien, ferner Rainbows-Blaupause des epischen Heavy Rocks, dienten ihrer Namensgebung.
Dabei pflegen Osaka Rising einen zwar hochphonig-druckvollen, jedoch instrumentellen Minimalismus ohne Stromgitarren und Tieftöner-Geschmeide, dazu treiben die beatgebenden Ludwigs (Typbezeichnung für das Schlagzeug) die von Rohheit-zerfressenen Hammond-Traktate übers genuine Erstlings-Parcours.
Halten auch hörformatige Streber solch rockistische Chosen nach wie vor für gegenwartsfremdes Retro-Gehabe, so stehen für ungebrochene Traditionalisten, in Zeiten tönender Analepsen, durchaus die Zeichen auf Grün. Auch Osaka Rising, wie viele andere, erfinden hierbei das Genre nicht neu, erfrischen mit ihrer aus Übungsraum-Jams geborenen Originalität und minder technisch laborierenden Machart die an digitaler Überambitionierung krankende Rockwelt.
Trotz Schlaghosen-Spirits implizierter Stilistik sorgt das großteils orgelrockende Duo mit ihrer Feuertaufe für recht songorientierte Alternanz, erbieten sowohl dem Garagendreck fressenden und klassikerhellten Mattenträgern der Siebziger, als auch melodieseligen Synthie-Nerds ihre hörbar motivierte Gunst.
So vermögen Kompositionen wie das melancholische, von Jansons Wehklagen getragene "In The Darkness", das im stampfenden Tanzboden-Kehraus stöbernde "Whisky Bottle", dazu "Rolling Thunder" – ein Steinfräse-gellendes Orgel-Kriechtier – oder ein verschmitztes "John Marston" – als Ray Manzarek-Gedächtnis Instrumental – das retrobehaftete Gängelband zu lockern.
Osaka Risings einzigartige Verschmelzung von tastentestosteroner Rock-Inszenierung und musikantischem Purismus birgt natürlich angesichts der Besetzungslücke gewisse Gefahren tonaler Ödnis in sich, welche sich dank der Variationsfülle ihrer großen Steinbach (eine Kombination aus Hammond-Orgel und Korg-Synthesizer) und omnipotenten Spiellaune, mitnichten einstellt.
Fairerweise muss man sich dementsprechend eingestehen, dass die Beiden dem musischen Ausfluss von anno dazumal, als hochbegabte Tasten-Magister und Showexzentriker ihre Dröhnkommoden auf die Rockbretter wuchteten, mit reichlich heißspornigem Rückgrat und unverbrauchtem Eigenblut einzufangen vermochten.
Osaka Risings unfiltriertes Selbstgemachtes ist letztendlich ein rotziges Retro Rock-Bekenntnis und tönender Gegenentwurf zu konsumgezüchteter Inlandsware.
Line-up Osaka Rising:
Stephan Janson (keys, vocals)
Tom Walther (drums)
Tracklist "Osaka Rising":
- Osaka
- Praise The Lord
- Smash Dance
- Whisky Bottle
- Rolling Thunder
- John Marston
- Rising
Gesamtspielzeit: 36:09, Erscheinungsjahr: 2016
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