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Parasol Caravan / Nemesis – CD-Review

Parasol Caravan / Nemesis

Wieder einmal kreuzen sich verschiedene Wege aus der Vergangenheit. Parasol Caravan erlebte ich erstmals im Herbst 2013 beim ersten Keep It Low-Festival in München. Sie waren ein heißer Tipp einer lieben Freundin und Kollegin, mit der ich – gemeinsam mit Robert und Tommy von Been Obscene zu jenem Event anreiste. Parasol Caravan spielten einen geilen Gig, just einen Tag nachdem die Single "New Stone/Supernova" erschienen und gemeinsam mit den Truckfighters dem heimischen Publikum präsentiert worden war. Der Kauf war Pflicht und wenige Tage später stattete ich mich mit ihrer Split-Scheibe "Use The Fuzz" aus. Das Plattencover dazu steuerte übrigens kein geringerer als Johan Jaccop bei, der hauptamtliche Gitarrist von Glowsun, mit dem mich wiederum eine ganze Reihe cooler Erlebnisse verbinden. Die Stoner-Familie ist verflochten wie das Netzwerk abgefahrener Pilze, die den Boden durchdringen und wilde Gestalten als Ausdruck ihrer selbst an allen möglichen verwunschenen Stellen in die Welt treiben. Von der betörenden Wirkung einiger dieser Exemplare soll nicht weiter die Rede sein, aber die Karawane der Riesenschirmlinge – nichts anderes bedeutet Parasol Caravan – steht in vielerlei Hinsicht sinnbildlich für die Szene dieser geilen Musik, die keinesfalls immer nur aus den Wüsten Arizonas oder aus Texas stammen muss. In Österreich gedeiht der Desert Rock schon seit vielen Jahren und Linz ist mit Parasol Caravan bestens vertreten, dort an der schönen blauen Donau, wo sie zurzeit auch vortrefflich gegen den Ball treten.

Lange Vorrede zu einem kompakten Produkt. "Nemesis" – Album, erster Song und Namen spendende Göttin des gerechten Zorns, erfreut den Stoner-Fan über 35 Minuten mit riffiger Power und fuzzigen Eskapaden.
Parasol Caravan beginnen so, wie ich sie vor Jahren kennengelernt habe. Knallhart, rifforientert und mit einer mächtigen Rockröhre an den Mikrofonen, die sich von einem Brett aus zwei Gitarren nach oben peitschen lässt. Krachende Rhythmusbemühungen machen keinen Hehl daraus, was uns bevorsteht. Stoner Rock kommt aus der Tiefe. Kurz, knapp, prägnant.

"Perseption" aber zeigt uns schon, dass eine gute Portion Heavy Rock und durchaus retrospektive Bezüge auf uns warten. Tief gestimmte Saiten sind das eine, krachender Rock’n’Roll lebt aber eben auch von anderen Zutaten. Brutale, aggressive Riffs und Hooks steigern sich, ohne sich letztendlich zu entladen. Dafür haben sie in der nächsten Nummer eine gänzlich andere Strategie vorgesehen, nämlich ein zutiefst psychedelisches Break mit zweistimmigem Intro und einem sehr geilen Refrain, der nun wieder eindeutig und allein Alexander Kriechbaum zuzuschreiben ist. Die Intensität der sich aus eigentlich dezenten Grundthemen entwickelnden Ausbrüche reißt mit und die geile Talk Box erinnert mich gar nicht an die im Begleitmaterial beschriebenen Quellen, sondern an ein historisch geiles Erlebnis, als ich erstmals die Version von "Superstition" der Herren Beck, Bogert und Appice gehört habe – live übrigens eine Aufnahme, die zum Geilsten gehört, was heftiger, bluesorientierter Rock zustande gebracht hat. "Reason" heißt das. Yeah!

Es ist dem Spannungsbogen des Albums nur folgerichtig, dass mit "Acceptance" eine herrlich eingebremste, jedoch nicht doomige psychedelische Nummer folgt, die auf klare Saitenklänge setzt und mich ein ganz klein bisschen an alte Freunde aus Salzburg erinnert. Kurz Luft holen, denn mit "Serpent Of Time" wird die Temposchraube wieder auf mittlere Stufen hochgestellt und ein Stück weit scheint die Schlange der Zeit tatsächlich ein wenig aus vergangenen Epochen mit den Helden unserer Zeit zu verbinden. "Transformation" kann das sogar noch ausdrücklicher. Ein atmosphärisch dichter, psychedelischer Fuzz nimmt sich alle Zeit, um in eine hypnotische Bassline wie einst bei Deep Purples "The Mule" einzuleiten. Der Song kreiselt bewusstseinserweiternd, hier und da ein wenig aufbrausend, aber immer wieder zu sich zurückkommend. Ein starkes Statement, wie man auch ohne Tempo und Theater Intensität aufbauen kann. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass es zum Ende hin noch einmal zur Sache gehen wird. "Blackstar" setzt auf krachende Riffs und aggressiv leidenschaftliche Vocals, eine kurze ekstatische Tempoverschärfung setzt den Deckel drauf.

Doch einen haben sie noch.
"Transition" kokettiert noch einmal mit einem prägnanten Merkmal der Musik von Parasol Caravan, welches sich durch das Album zieht. Zwischen wilden Riffs und Akkorden und psychedelischen Tüfteleien finden sie immer wieder trotz ihrer Wucht und Dramatik recht eingängige Hooklines und Gesangsparts, die sich einprägen und die einen durch die Songs führen. Die repetitiven Linien und wuchtigen Saitenspiele sind ja typisch für die Stonerszene. Parasol Caravan setzen mit ihrer deutlich auf den Gesang fokussierten Ausprägung ihren eigenen Stempel in die Szene, die immer ein Stück weit auch den Heavy Rock im Auge hat.

In Österreich gedeihen schon seit einigen Jahren prächtige Blüten des Undergrounds und gerade im Bereich Stoner und Psychedelik haben unsere Nachbarn eine Vielzahl interessanter Projekte hervorgebracht. Parasol Caravan gehören da inzwischen schon zu den Etablierten und gelten durch ihre brettharten Sounds und das überaus enthusiastische Spiel seiner Protagonisten vor allem auch live als ein guter Tipp. Damals, 2013 in München, konnte ich mich ja selbst davon überzeugen.
"Nemesis" ist ein tolles Album mit vielen abwechslungsreichen Nuancen geworden, mal Nebelschwaden und mal Kettensäge. So muss das sein.


Line-up Parasol Caravan:

Alexander Kriechbaum (vocals, bass)
Bertram Kolar (guitar, backing vocals)
Richard Reikersdorfer (guitar, talk box)
Vincent Böhm (drums, synths?)

Tracklist "Nemesis":

  1. Nemesis
  2. Perception
  3. Reason
  4. Acceptance
  5. Serpent Of Time
  6. Transformation
  7. Blackstar
  8. Transition

Gesamtspielzeit: 35:10, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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