Der New Yorker Pat Reilly ist bislang weitgehend als Gastmusiker mit diversen Bands unterwegs gewesen, tourte durch die USA, Kanada und Europa. Mir war er dabei bislang verborgen geblieben, da es sich wohl weitgehend um eine reine Metal-Formationen handelte. Da bin ich nicht so firm. Besonders spannend klingt dabei die Zusammenarbeit mit Tengger Cavalry, einer Folk-Metal-Band aus der Mongolei und Peking; dem Gründer dieser Band, Nature Ganganbaigal, ist dieses Album gewidmet. Er starb 2019 unter ungeklärten Umständen und muss in den Staaten ein vielfach bewunderter Musiker gewesen sein.
Inzwischen hat Pat 'The Panther' seine erste Solo-Platte auf den Markt gebracht, ein Werk mit sechs sehr gitarrenlastigen Nummern und drei Songs mit Gastsängern. Als ich das betörend schöne, leicht unheimliche und ein bisschen an Aliens erinnernde Cover sah, stellte ich mich innerlich auf etwas spacig Proggiges ein. Seltsam, wie eine Plattenhülle Assoziationen wecken kann – auch wenn sie dann revidiert werden müssen.
Heiliges Blechle, was für eine kernig scharfkantige Gitarre fällt mich da nieder? Ich glaube, so ein einschneidendes Saitenerlebnis hatte ich nicht mehr, seit ich Anfang der Neunziger Joe Satriani für mich entdeckte. Mir stehen die Nackenharre senkrecht. Und ganz zu Unrecht kommt dieser Gedanke nicht. Joe verfolgte damals ein immerhin vergleichbares Konzept überwiegend instrumentaler Gitarrenkracher und sein lässig klares, virtuoses und selbst in wildester Improvisation noch elegant melodiöses Spiel könnte tatsächlich als Vergleich zu den nicht mindern extrovertierten Abflügen von Pat Reilly herhalten. Ich verrate es jetzt schon: Man nehme noch ein wenig von der gedehnten Intensität eines David Gilmour hinzu, dann bekommt man eine Ahnung, wie Herr Reilly uns durch "Path Of Transcendence" führen möchte. Und dabei verwendet er einige Stilmittel, die in dem Kontext durchaus ungewöhnlich sind und der Musik ihre ganz eigene Farbe geben.
So geht gleich im ersten Song, "Between Two Worlds", eine wüste Double-Bass-Drum-Orgie über uns nieder, die aber durch die erhaben ausschwingenden Gitarrenklänge irgendwie domestiziert werden. Was für ein brodelnder Klangteppich als Startbasis, aus dem die Licks in alle Himmelsrichtungen feuern. Und schon fallen wir in eine fast esoterisch anklingende Wolke sanfter Gitarrenklänge. Vogelgezwitscher im Hintergrund. Ein in sich zurückgenommener Rhythmus bringt uns auf Position für eine traumhaft schöne Gitarre, die sich nun wirklich irgendwo zwischen Satriani und Pink Floyd entwickelt. Ganz allmählich steigert sich die Intensität, um gleich wieder in einem neuen Ansatz aufgelöst zu werden. Alles ganz langsam und gedrosselt, und doch sehr ekstatisch. Das gefällt.
Dann gibt es noch einmal Vollgas auf die Ohren, bevor mit "The Sleepless" ein kurzes Zwischenstück eingeschoben wird; eine ganz sanfte Meditation mit spärlicher Gitarre und gefühlvollen Streichern, über die wir im Inlet leider nichts erfahren. Vor allem das traurig stille Cello berührt hier sehr. Diese Streicher gehen nahtlos über in die aggressiven, elektrischen Gitarren und abermals scheint Herr Gilmour ein wenig Pate zu stehen, um den Spannungsaufbau rechtschaffen einzuleiten. Die Nummer "Dracarys" lebt von den eingängigen Riffs und Hooklines, die sich nun wieder ein wenig mehr in metallischem Dunstkreis bewegen. Die solistischen Bemühungen treffen abermals auf den Punkt, präzise und ohne Geschrammel. Das ist alles bis hierhin sehr spannend und voller Überraschungen komponiert und umgesetzt.
"Winter Sunrise" ist dann der Auftakt zu drei Songs mit Gesang, hier mit Anthony 'Q' Quiles an den Vocals. Diese Nummer im Midtempo ist eingängig, die Stimme passt zum Song, Pat hält sich mit angenehmem Understatement zurück und beschränkt sich darauf, seinen Sänger stilvoll in Szene zu setzen, ein kurzes Solo zum Ende hin gibt der Nummer Würze und Struktur.
Doch insgesamt, und das ist nun eine sehr subjektive Einschätzung, empfinde ich schon jetzt die instrumentalen Songs deutlich innovativer und konzeptionell stimmiger. Das wird sich in den beiden anderen gesungenen Nummern leider noch massiv verstärken, weil Michael Centrones Interpretation von Gesang – zumindest in "Birth Of Freedom" – wohl ein Stück weit aus dem Genre stammt, was wir früher als Grunzrock bezeichnet haben. "Vitality" steht dem wenig nach, ich hätte beide Rückgriffe auf möglicherweise vergangene Projekte, mit denen Pat früher auf der Bühne stand, eigentlich nicht gebraucht. Für mich wirken sie ein bisschen wie ein Anachronismus.
Zuletzt wird es dann aber noch einmal sehr transzendental, wenn über plätscherdem Wasser eine schöne meditative Gitarre ganz sanft dahinfließt. "The Farewell Illusion" heißt diese melancholische Nummer, Musik, zu der ich mir gern mal den Rücken massieren lassen würde. Dass wir dann in den letzten zweieinhalb Minuten mit dem bereits eingangs abgehakten plätschernden Wasser zurückgelassen werden, vielleicht um die Gesamtspielzeit über vierzig Minuten zu strecken, muss man nicht unbedingt begrüßen. Beim ersten Anhören lag ich in der Wanne und bekam schon Panikattacken, dass bei mir irgendwo was überläuft.
So ergibt sich für mich nach den ersten fünf Songs doch eine erkennbare Zäsur auf dem Album, die Höhepunkte finden ausdrücklich in der ersten Hälfte von "Path To Transcendence" statt, danach geht den Kompositionen ein wenig die Luft aus.
Wer jedoch einer aggressiv kraftvollen Gitarre auf durchaus ungewöhnlichen Wegen folgen möchte, der wird sich dennoch gerne mit Pat Reilly auf den Pfad der Transzendenz begeben, denn als Saitenmagier und Schöpfer abwechslungsreicher und emotionaler Songs ist der Mann richtig gut und immer dann am Besten, wenn er sich auf seine ureigenen Fähigkeiten konzentriert.
Line-up Pat Reilly:
Pat Reilly (guitar, bass)
Tadpole Jones (drums)
Michael Marrone (drums)
Anthony 'Q' Quiles (vocals)
Michael Centrone (vocals)
Tracklist "Path To Transcendence":
- Between Two Worlds
- Emergence
- Bleeding Life
- The Sleepless
- Dracarys
- Winter Sunrise
- Birth Of Freedom
- Vitality
- The Farewell Illusion
Gesamtspielzeit: 40:03, Erscheinungsjahr: 2020
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