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Paul McCartney / Flowers In The Dirt – CD-Review

Paul McCartney - Flowers In The Dirt - CD-Review

Die Achtziger waren für die alten Helden der sechziger und siebziger Jahre ein eher hartes Jahrzehnt. Neue, junge und aufstrebende Bands mit einem völlig neuen Ansatz waren plötzlich unterwegs und zogen mit elektrischen Synthie-Sounds vor allem das junge, aber auch das etwas ältere und somit sehr zahlungskräftige Publikum auf ihre Seite. Um den Anschluss nicht zu verpassen, versuchten sich die meisten Rock-Veteranen anzupassen und mitzuziehen, was musikalisch aber oft (von den großen Namen seien hier nur mal die Rolling Stones, Bob Dylan und sogar Lou Reed genannt) ganz furchtbar in die Hose ging. Selbst eine Ikone wie Paul McCartney hatte ab Mitte jenes Jahrzehnts ganz gehörig mit sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen, was schließlich in dem Tiefpunkt "Press To Play" (1986) endete, selbst wenn hier von mir bezüglich der Verkaufszahlen (für damalige Verhältnisse) noch Jammern auf hohem Niveau betrieben wird. Aber damals war damals und der Ex-Beatle fühlte sich offensichtlich nicht nur schlecht beurteilt, sondern fand auch seinen (vielleicht davor etwas verloren gegangenen) Kampfgeist wieder. Er wollte wieder oben stehen, qualitative Superlative leisten und ein Platin-Album abliefern. Aber ist ihm das auch gelungen?

Für die neue Scheibe, aus der dann "Flowers In The Dirt" werden sollte, arbeitete McCartney eng mit Elvis Costello zusammen, was ihm zwar frische Ansatzpunkte, allerdings auch nicht immer eine harmonische Atmosphäre bescherte. Aber wie dem auch sei, der gute Paul schaffte es auch hier, mit "My Brave Face" sowie "This One" zwei geniale Popsongs abzuliefern, die nicht nur zu abgefeierten Single-Hits wurden, sondern auch dem Album an sich einen ganz kräftigen Schub verpassen sollten und ihn wieder zurück in die Erfolgsspur brachten. Insgesamt gesehen ist die Scheibe allerdings ziemlich poppig – und mir ehrlich gesagt sogar ZU poppig – ausgefallen. Dass ein Mann wie McCartney keine komplette Grütze fabriziert, dürfte klar sein. Und dennoch sind ein paar der Songs des Albums etwas beliebig bzw. nichtssagend geraten. Songs wie "Distractions", "Motor Of Love" oder "Rough Ride" fördern zwar die ureigene Paul-Melodik zutage, sind aber auch schnell wieder vergessen und haben im Langzeitgedächtnis kaum Chancen. Was leider ebenso für einige andere der Albumtracks gilt.

Einer meiner Favoriten ist neben den erwähnten Single-Hits unter anderem die Nummer "Put It There", die mit locker-flockiger Atmosphäre überzeugt, ihre Wurzeln im Folk hat und im übrigen sehr englisch wirkt. Erinnert sogar etwas an den seligen Ronnie Lane (Ex-Faces) zu dessen Solojahren. Und zum zweiten wäre da noch das für den Protagonisten eher untypisch bzw. seltener so instrumentierte "That Day Is Done", das ebenfalls durch seine Nähe zum Folk überzeugt, während ich einen Mann an einem stinknormalen Abend vor meinem geistigen Auge sehe, der gedankenverloren bereits Geschehenes wieder Revue passieren lässt. Zu den besseren Stücken gehört auf jeden Fall auch "You Want Her Too", das mit Karnevalsmusik beginnt und sogar als Duett mit Costello gebracht wird. Als Bonus Track findet man hier auch die Single-B-Seite "Ou Est Le Soleil", die als Ergänzung für die dritte Auskopplung "Figure Of Eight" diente.

Ein ganz anderes Gesicht als das Original-Album bietet der beigefügte zweite Silberling, der deutlich abgespecktere Demo-Versionen von Songs für dieses Album präsentiert, die 1988 mit Elvis Costello aufgenommen wurden. Aber nicht nur das, denn hier befinden sich sogar noch fünf Tracks, die es gar nicht auf die fertige Scheibe schafften. Warum? Kann ich beim besten Willen nicht sagen, denn qualitativ halten diese Nummern nicht nur das Niveau, sondern sind sogar besser als so manches, das schließlich auf "Flowers In The Dirt" landete.

Letztendlich war "Flowers In The Dirt" sicherlich nicht Paul McCartneys beste Platte, hatte aber mit zwei sehr starken Hits und einigen anderen guten Songs durchaus was zu bieten. Außerdem führte ihn die Scheibe wieder zurück in die Erfolgsspur, die er auch mit dem Nachfolger "Off The Ground" (1993) halten konnte, bevor es Ende der neunziger Jahre verkaufstechnisch wieder etwas ruhiger wurde.


Line-up Paul McCartney on CD 1:

Paul McCartney (guitars, bass, piano, percussion, drums, lead vocals)
Hamish Stuart (guitars, harmony vocals)
Robbie McIntosh (guitars)
David Rhodes (E-bow guitar)
David Gilmour (guitar – #5)
Steve Lipson (bass, guitars, programming)
Trevor Horn (keyboards)
David Foster (keyboards)
Greg Hawkes (keyboards)
Elvis Costello (keyboards – #3,9, vocals)
Nicky Hopkins (piano – #10)
Chris White (saxophone)
Dave Bishop (saxophone)
Chris Davis (saxophone)
Judd Lander (harmonica)
Guy Barker (trumpet)
Mitchell Froom (drums)
Chris Whitten (drums)
Dave Mattacks (drums)
Linda McCartney (harmony vocals)

Tracklist "Flowers In The Dirt":

CD 1:

  1. My Brave Face
  2. Rough Ride
  3. You Want Her Too
  4. Distractions
  5. We Got Married
  6. Put It There
  7. Figure Of Eight
  8. This One
  9. Don’t Be Careless Love
  10. That Day Is Done
  11. How Many People
  12. Motor Of Love
  13. Ou Est Le Soleil

CD 2:

  1. The Lovers That Never Were
  2. Tommy’s Coming Home
  3. Twenty Fine Fingers
  4. So Like Candy
  5. You Want Her Too
  6. That Day Is Done
  7. Don’t Be Careless Love
  8. My Brave Face
  9. Playboy To A Man

Gesamtspielzeit: 54:10 (CD 1), 30:25 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2017 (1989)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Markus

    Hi Rainer,

    thanks a bunch, my friend, es ist immer sehr interessant auch Meinungen von langjährigen (Macca-) Fans zu bekommen. Und JA, die Bonus-CD schlägt das Original-Album um Längen 🙂

    Leider ist das neue Hawkwind-Album noch nicht in unserer Redaktion aufgeschlagen. Aber ich hab' schon munkeln hören, dass es gar nicht so toll sein soll…???

    Dafür ist das neue Procol Harum-Album grandios geil! Das Review dazu folgt demnächst in diesem Theater 🙂

    Beste Grüße,
    Markus

  2. Rainer Hellstern

    Hallo Markus,
    die Bonus Tracks von McCartney und Costello haben mich echt weg geblasen. Soviel pure Freude am Singen und Spielen.
    Interessant wie sich die Songs dann im Studio bei Elvis und Paul dann zu teilweise (nicht alle) auch überproduziertem Käse entwickelt haben.
    Flowers in Dirt gehört auf alle Fälle zu den besseren Platten vom Paule.
    Ach.. und Press To Play war ein Verkaufsfiasko ohne Hits drauf aber in Sachen kniffliger Songstruktur und deren Umsetzung hat diese Platte einiges zu bieten.

    Meine 5 liebsten Macca Alben:

    1. Band on The Run
    2. Chaos and Creation in the Backyard
    3. Tug of War
    4. Ram
    5. Flaming Pie

    Gruß Rainy

    Ach.. ich warte sehnsüchtig auf die Review der neuen Hawkwind CD…??

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