Wow, Pete Townshend ist unter die Roman-Autoren gegangen. Grundsätzlich natürlich keineswegs ein abwegiger, dafür aber doch ziemlich seltener Schritt für einen Rockmusiker. Nun könnte man natürlich aufgrund des von Fans und Kritikern doch sehr verhalten aufgenommenen letzten The Who-Albums "Who" aus diesem Jahr auf eindeutige Gedanken kommen, aber weit gefehlt, da die Arbeiten an diesem Roman bereits im Jahr 2013 abgeschlossen wurden. Und ganz so abwegig ausführliche Geschichten zu erzählen war es für den Engländer ja sowieso noch nie, wenn man sich frühere musikalische Werke wie Tommy, Quadrophenia oder (das nie wirklich beendete bzw. in seiner Gänze veröffentlichte) "Lifehouse" so betrachtet.
Aber wie dem auch sei, "Das Zeitalter der Angst" ist ein in der Ich-Form geschriebener Roman, wobei das Ego in dieser Geschichte nicht Townshend selbst, sondern ein Kunsthändler mit anderem Namen ist. Und dennoch lässt der gute Pete jede Menge von sich selbst in diesen Charakter einfließen. Ein früheres Leben als Profimusiker, eine glücklicherweise überstandene Heroin-Sucht und das starke Interesse an der Kunst im Allgemeinen. Allerdings ist der Erzähler keinesfalls die Hauptperson in dieser sehr interessanten Geschichte. Auch nicht unbedingt die weitere Figur eines vor Jahrzehnten sehr erfolgreichen Rocksängers, der als Hauptdarsteller bei den Dreharbeiten zu seinem ersten Spielfilm eine übersinnliche Wahrnehmung erfährt, die sein gesamtes zukünftiges Leben komplett über den Haufen wirft. Vielmehr ist es der Patensohn des Kunsthändlers, selbst ein erfolgreicher Musiker, der mit seiner Band regelmäßig im Londoner Club Dingwalls auftritt und auch Platten veröffentlicht.
Der Frontmann hört in seinem Kopf immer öfter und lauter die Gedanken der Leute im Publikum, was ihn sehr verstört und ihm verständlicherweise mehr und mehr Angst macht. Sein Patenonkel und Kunsthändler, dem er davon erzählt, kennt auch diesen ehemaligen Rocksänger, der vor Jahrzehnten scheinbar wahnsinnig wurde und er bringt die beiden zusammen. Eine sehr große Rolle nehmen in dieser Story natürlich auch etwa eine Handvoll Frauen ein, eine davon geheimnisvoller als die andere. Aber logischerweise werde ich euch hier weder die komplette Geschichte erzählen und noch weniger, wie sich in der mittleren Phase immer wieder die unterschiedlichsten Konstellationen verschieben oder sogar wie sie ausgeht.
Insgesamt gesehen darf man Pete Townshend für seinen ersten Roman "Das Zeitalter der Angst" ein ehrlich gemeintes Kompliment aussprechen. Der Autor versteht es immer wieder, neue und dann nochmal neue Spannungsbögen aufzubauen und den Leser bei der Stange zu halten. Die Auflösungen zu den verschiedenen Situationen sind nicht immer der absolute Brüller, allerdings stets nachvollziehbar und schlüssig. Eine Frage bleibt letztendlich offen, aber dabei handelt es sich um eine, auf die wir alle (von wenigen Ausnahmen abgesehen, glaubt man den Geschehnissen dieser Geschichte) niemals eine Antwort erhalten werden. Zumindest nicht zu Lebzeiten.
Die knapp 280 Seiten sind flüssig und kurzweilig zu lesen, was für eine sehr gute Übersetzung des Musik-Journalisten Alan Tepper spricht. Hin und wieder ’stolpert' das Auge des Lesers über Rechtschreibfehler, die sich glücklicherweise aber in erträglichen Grenzen halten.
Hannibal Verlag, 1. Edition
Original-Titel: The Age Of Anxiety
ISBN-10: 3854456859
ISBN-13: 978-3854456858
Preis: 23,00 € (D)
279 Seiten, broschiert
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