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Peter Green Splinter Group / Reaching The Cold 100 – LP-Review

Peter Green Splinter Group - Reaching The Cold 100 - LP-Review

Einer der ganz großen Abstürze in der damals noch relativ jungen Rock-Geschichte fand um 1970 in Person des englischen Gitarristen und Sängers Peter Green statt. Nach nur einem, dafür aber bärenstarken Album mit John Mayall’s Bluesbreakers (A Hard Road, 1967) stieg der Engländer zusammen mit dem Bassist John McVie aus, um gemeinsam mit Mick Fleetwood (drums) sowie dem weiteren Gitarristen Jeremy Spencer die Band Fleetwood Mac zu gründen (wobei McVie zugegebenermaßen anfangs noch sehr zögerlich war und deshalb Bob Brunning bei den ersten Konzerten den Viersaiter bediente). Es folgten drei sehr starke (reguläre) Studioalben mit dieser Combo und über die Jahrzehnte wurden nach und nach immer wieder Live-Mitschnitte aus dieser Zeit auf den Markt gebracht. Was dann ca. 1970 genau geschah, ist immer noch nicht so richtig geklärt. Die am weitesten verbreitete Theorie ist jedoch, dass Green nach bzw. während eines schlechten LSD-Trips vollkommen das innere Gleichgewicht verlor, was sich zunächst psychisch und später dann auch körperlich auswirkte. Er stieg aus seiner eigenen Band aus und verbrachte in den Früh- bis Mitt-Siebzigern sehr viel Zeit in psychiatrischen Einrichtungen.

Nach einem sehr starken Comeback mit der Scheibe "In The Skies" (1979) folgten noch einige weitere (etwas schwächere) Platten, bevor der Musiker zunächst wieder für etwa 15 Jahre in der Versenkung verschwand. Von 1997 bis 2004 folgte dann gar ein weiteres Comeback unter dem Namen Peter Green Splinter Group, das für großes Aufsehen sorgte und fast überall sehr positive Kritiken einfuhr. Der letzte Streich dieser Band war schließlich das hier zu reviewende Album "Reaching The Cold 100", das 2003 erschien. Ob es das beste Werk dieser Band war, sei mal dahin gestellt. Geboten wird so gediegener wie guter (angerockter) Blues, klasse produziert und in Szene gesetzt. Leider gab es einen Haken, denn Peter Green (der immerhin für Juwelen wie "Man Of The World", "Black Magic Woman", "Albatross" oder "Oh Well" verantwortlich zeichnete, um nur mal die Spitze des Eisbergs zu nennen) hatte schon Jahrzehnte lang keine Songs mehr geschrieben (zumindest keine, die auf seinen Platten veröffentlicht wurden) und für dieses Werk hatte er ebenfalls keine Ambitionen in diese Richtung.

So fiel diese Aufgabe seinen Mitmusikern zu, die sie in Person von Nigel Watson, Roger Cotton und Peter Stroud (jeweils für sich alleine oder zusammen mit Nicht-Bandmitgliedern) gechillt, nicht schlecht, aber auch ein bisschen bieder übernahmen. Was völlig fehlt, ist das Aufblitzen von Greens Brillanz an der Sechssaitigen, für die er zu Beginn seiner Karriere (böse Zungen sagen auch »…in einem anderen Leben…«) geradezu berühmt-berüchtigt war. Immer steuert er eine richtig gute Blues-Harp ein, singt abwechselnd mit seinem Schwager Nigel Watson und scheint sein Bestes zu geben. Und was sein Hauptinstrument betrifft: Bereits beim ersten Comeback Ende der Siebziger hielten sich hartnäckige Gerüchte, dass der Großteil der Gitarrenspuren von Snowy White (im Peter Green-Stil) eingespielt wurden. So drehen sich die ersten drei Vinyl-Seiten grundsolide auf dem Teller, tun niemand wirklich weh und lassen dennoch zwangsläufig etwas in Wehmut verfallen. Peter Greens Stimme ist zeitweise brüchig und klingt sehr verletzlich ("Don’t Walk Away", "I’m Ready For You"), was ganz stark kommt und für den Blues natürlich wie geschaffen ist. Die erstgenannte ist mit Abstand die beste Nummer bis zu diesem Zeitpunkt des Albums (wobei die komplette zweite Seite besser als die erste ist). Auf Seite 3 können vor allem das bereits erwähnte "I’m Ready For You" sowie der Slow Blues "When Somebody Cares" (mit sehr guter Gitarren-Arbeit und tollem Harmonika-Solo) überzeugen.

Doch dann Seite 4… vier alte Fleetwood Mac-Songs, die erstmal beim Lesen für Überraschung und nochmal Aufmerksamkeit sorgen. "Black Magic Woman" wirkt ein bisschen, wie mit angezogener Handbremse gespielt und unterscheidet sich sowohl vom Arrangement als auch vom Feeling deutlich von der Original-Version. "It Takes Time" hört sich tatsächlich ziemlich nahe am Ursprung angelehnt an, was richtig gut kommt und Freude macht. Der nächste Klassiker hört auf den Namen "(The) Green Manalishi", kann mit früheren Aufnahmen jedoch nicht mithalten und "Albatross"… bricht mir nach wie vor beim Anhören das Herz. Wer so ein ultimativ schönes Stück schreiben kann, dem gehört alleine dafür schon eine dicke fette Auszeichnung verpasst.

Und selbst wenn mir nicht gerade der Gaul vor Begeisterung durchgegangen ist, so ist "Reaching The Cold 100" dennoch ein gutes, solides Blues-Album geworden. Ein knappes Jahr später war dann Schluss, nachdem Peter Green die Band Anfang 2004 verlassen hatte. Die alten Fans werden auch weiterhin zu den Klassiker-Alben greifen, der unvoreingenommene Blues-Fan dürfte aber durchaus die eine oder andere Entdeckung machen können. Das Doppel-Album kommt übrigens in farbigem 180g-Vinyl (mein Rezensions-Exemplar ist jeweils in weiß), was das Auge natürlich auch schon mithören lässt. Fazit: Musikalisch gesehen kein 'Must have', dafür aber alleine schon wegen des farbigen Vinyls und souverän-warmen Sounds eine feine Ergänzung für die eigene Peter Green-Sammlung.


Line-up Peter Green Splinter Group:

Peter Greenbaum (guitars, harmonica, banjo, lead vocals)
Nigel Watson (guitars, vocals)
Roger Cotton (keyboards, rhythm guitar, background vocals)
Peter Stroud (bass, double bass, background vocals)
Larry Tolfree (drums)

Tracklist "Reaching The Cold 100":

Side 1:

  1. Ain’t Nothing Gonna Change It
  2. Look Out For Yourself
  3. Cool Down
  4. Dangerous Man
  5. Needs Must The Devil Drives

Side 2:

  1. Must Be A Fool
  2. Don’t Walk Away
  3. Can You Tell Me Why (a.k.a. Legal Fee Blues)
  4. Spiritual Thief

Side 3:

  1. I’m Ready For You
  2. Smile
  3. Nice Girl Like You
  4. When Somebody Cares

Side 4:

  1. Black Magic Woman
  2. It Takes Time
  3. Green Manalishi
  4. Albatross

Gesamtspielzeit: 20:26 (Side 1), 17:58 (Side 2), 20:04 (Side 3), 20:32 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2017 (2003)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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