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Phil Shoenfelt / Cassandra Lied – CD-Review

Phil Shoenfelt - "Cassandra Lied" - CD-Review

Eher im Underground bekannt und vernetzt ist der englische Musiker Phil Shoenfelt, der aber auch bereits seit zirka vierzig Jahren Platten aufnimmt und um die halbe Welt tourt. In New York gründete er einst (1981) die Post Punk-Band Khmer Rouge, die unter anderem regelmäßig im legendären Club CBGB’s spielte. Sein Solodebüt erschien um 1990 und (mittlerweile nach Prag umgesiedelt) gründete er weitere Bands wie beispielsweise Fatal Shore sowie Dim Locator, wobei die gerade genannten ihren Hauptsitz in Berlin hatten.

Ältere Scheiben des Briten sind mir nicht bekannt, aber sein aktuelles Soloalbum, "Cassandra Lied", soll laut Ankündigung eine musikalische Abkehr von seinen früheren Werken und somit auch der Rockmusik sein. Es ist tatsächlich schwierig, die hier enthaltenen 15 Tracks zu kategorisieren, was ihnen als Überbegriff aber allen zugeordnet werden kann, ist Wave oder von mir aus auch – zumindest was ich mir darunter vorstelle – Post Punk (wobei ich mit letztgenanntem Begriff noch nie was anfangen konnte).

Die ersten Stücke grooven vom Tempo zwar nicht unbedingt langsam, aber dennoch irgendwie zähfließend aus den Boxen, ohne dies wertend zu meinen. Hier und da kommen Erinnerungen an David Bowies 1977er Werk "Heroes" auf, zumindest was die kreierte Atmosphäre betrifft. Richtig flott geht es dagegen bei "Shadowland" zur Sache, was dann gleich wieder etwas Licht durch die tiefgrauen Wolken blitzen lässt. Das Coole an dieser Scheibe ist, dass die meisten Songs trotz der düsteren Stimmung sehr locker aus der Hüfte gespielt wirken, selbst wenn ein Saxofon bei "Just A Man" im Hintergrund wieder eher apokalyptische Sounds als Gegenpol auf die Bretter legt. Shoenfelts tiefe Stimme passt auf diese Nummern natürlich wie die Faust aufs sprichwörtliche Auge, wenn die Background Vocals von Eva Turnova auch teilweise als toller Kontrastpunkt wirken.

Neben 14 eigenen Tracks hat Shoenfelt mit "The Man Who Sold The World" auch ein Cover des Bowie-Songs im Angebot, an dem sich schon so einige Bands (wie unter anderem Nirvana) bedient haben. Passt natürlich klasse zu dem restlichen Material, da sich David Bowie damals (1970/71) selbst in einer eher dunkleren Phase befand, bevor er kurze Zeit später mit Ziggy Stardust zum "Starman" wurde. "Ionian Dream" startet mit bedrohlichem Bass und einem 'unheimlichen' Keyboard eine weitere Runde, die man sich bestens als Untermalung zu einem (Alp-) Traum vorstellen kann. Trotzdem überzeugt erneut eine gewisse Leichtigkeit im Spiel der Musiker, die seltsamerweise im Kontrast zu der Aura dieser Stücke steht. Die tiefgründigen Texte kann der Hörer übrigens alle im Booklet mitverfolgen, was diese Geschichte(n) noch intensiver macht, als sie es sowieso schon sind.

"Cathy Says" verfügt sogar über einen leichten Pop-Swing, den sich unter anderem The Velvet Underground (alleine der Songtitel weckt schon Assoziationen) in den sechziger Jahren zu Eigen gemacht hatten. Okay, "Psycho" knallt anschließend wieder sehr geradeaus zwischen die Lichter, hält die Scheibe dadurch aber absolut spannend. Schließlich empfehle ich als Anspieltipps "Shadowland", "Cathy Says", "I Hate Myself Today" oder auch "Psycho", denn wer mit diesen Tracks etwas anfangen kann, der wird auch die komplette Scheibe mögen.

Diese gewisse Düsternis in der Musik von Phil Shoenfelt bzw. seinem Album "Cassandra Lied" muss man natürlich mögen, hat sich der Hörer aber erstmal an die etwas beklemmende Atmosphäre gewöhnt, wird er mit jedem Hördurchlauf überraschter sein, wieviele Variationen und auch genretypisch übergreifende Kniffs hier enthalten sind. Das spricht für Qualität und lohnt sich, entdeckt zu werden.


Line-up Phil Shoenfelt:

Phil Shoenfelt (acoustic- & electric guitars, reverse guitar – #1,4,7,10, bass, keyboards – #1,3,6,7,10,12-15, harmonica – #14, lead vocals, background vocals – #2,7,8,11)
Chris Hughes (guitars – #1,2,7,9,10,14, drums & percussion)

With:

Baron Anastis (bass – #15, background vocals – #4-6,9,10,12,14,15)
Kristof Hahn (lap steel – #1,4-6,12)
David Babka (bottleneck guitar – #3)
Petr Holovsky (tenor saxophone – #3)
Eva Turnova (background vocals – #3,4,6-8,10,12)
Xandi Krohn (background vocals – #4)
Anna Newman (background vocals – #13)
Vanais Newman (background vocals – #13)
Marceia Schofield (background vocals – #13)

Tracklist "Cassandra Lied":

  1. Ghost Song
  2. I Hate Myself Today
  3. Shadowland
  4. Just A Man
  5. Resurrection Day
  6. Fly Away
  7. Complicated
  8. Cathy Says
  9. Psycho
  10. Ionian Dreams
  11. Kingdom Come
  12. The Brighter Side Of Darkness
  13. When Did The Feeling Die?
  14. Queen Of Emptiness
  15. The Man Who Sold The World (bonus track)

Gesamtspielzeit: 76:12, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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