Alle Jahre wieder kommen Neuauflagen alter Alben von großen Bands, das ist nichts wirklich Neues, aber wenn diese Neuauflagen in Vinylform den abermaligen Weg unters Volk finden, dann ist das durchaus etwas Besonderes. Zumindest dann, wenn die im Plattenschrank stehende eigene Ausgabe ein verkratzter und verrauschter Veteran aus dem Jahr 1988 ist. Gerade erst konnten wir euch die neuen Vinyl-Versionen von Atom Heart Mother sowie Obscured By Clouds von Pink Floyd vorstellen. Was dann logischerweise noch fehlt, ist das Album "Meddle", das genau zwischen diesen beiden im Jahr 1971 veröffentlicht wurde.
Wo soll man eigentlich noch ansetzen, wenn eine Scheibe bereits hundertfach reviewt und ausgeschlachtet wurde? Am besten vielleicht am neusten Aspekt, nämlich dem Sound dieser 180g-starken Prachtausgabe des Jahres 2016. Der ist nämlich nicht nur älteren Versionen, sondern auch sämtlichen (mir bekannten) CD-Veröffentlichungen überlegen. Die Musik atmet und lebt hier sprichwörtlich, was logischerweise am optimalsten an der Kult-Nummer "Echoes" festgemacht werden kann. Ein Mammut-Stück über dreiundzwanzigeinhalb Minuten mit – wollen wir es zugeben? – durchaus auch mal ein paar Längen…
Bevor jetzt aber möglicherweise Entrüstungsstürme bezüglich dieser heiligen Kuh in unserer Redaktion aufschlagen, darf ich natürlich im gleichen Atemzug attestieren, dass das Stück selbstverständlich legendär und spektakulär ist. Speziell auch für seine Zeit, für die es unglaublich experimentell und gar riskant war. Aber nur wer wagt, kann gewinnen – eine Floskel, die sich schon alle zunächst verkannten und heute verehrten Innovatoren auf die Fahnen geschrieben hatten. Im Falle Pink Floyd war es allerdings so, dass die vier Engländer mit diesem Stück umgehend sehr erfolgreich waren. Ehre, wem Ehre gebührt.
Wenn wir uns der ersten Seite der Platte zuwenden, finden wir das für mein Empfinden ungleich spannendere Stück "One Of These Days" als Opener. Mittlerweile wegen seiner Verwendung im Fernsehen und Radio ebenfalls bekannt wie ein bunter Hund, wirkt der Song auf mich sogar noch mysteriöser und spannender. Die restlichen vier Tracks sind gut, allerdings auch nicht unbedingt außergewöhnlich. "A Pillow Of Winds" startet mit einer wunderschönen Akustikgitarre und ruhigem Gesang, die den Weg auch bis ans Ende gehen. Bei "Fearless" wird es wieder etwas elektrischer, bleibt aber bei dem sehr relaxten Tempo des Vorgängers. Letzten Endes ist die komplette Scheibe aber auch eine gesunde Mischung aus Spannung und relaxten Nummern. Feine Sache.
Der Kultstatus von "Meddle" basiert also – ähnlich wie bei "Atom Heart Mother" – auf (fast) nur einem Song. Was dann anschließend mit Dark Side Of The Moon und Wish You Were Here rundum deutlich optimiert wurde. Hatte Roger Waters also doch Recht damit, das komplette Songwriting und die Kontrolle an sich zu reißen? Schwer zu sagen und wie immer sehr geschmacksabhängig. "Meddle" galt bisher als Kultalbum und dem werde ich hier auch nicht wirklich widersprechen. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob der vorauseilende Ruf vielleicht nicht etwas größer als der tatsächliche Gehalt ist…
Line-up Pink Floyd:
Roger Waters (bass, vocals)
David Gilmour (guitars, vocals)
Rick Wright (keyboards, vocals)
Nick Mason (percussion)
Tracklist "Meddle":
- One Of These Days
- A Pillow Of Winds
- Fearless
- San Tropez
- Seamus
- Echoes
Gesamtspielzeit: 23:22 (Side 1), 23:32 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2016 (1971)
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