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Poco / One Night In Nashville -CD-Review

Poco / One Night In Nashville

Pioniere zwischen Wohlklang und Lieblosigkeit

Stell dir vor … es tobt nach langer Pandemiedurststrecke endlich wieder handfester Blues Rock auf den Bühnen durch die bundesdeutschen Clubs … und kaum einer geht hin.
Ein Phänomen, welches leider derzeit signifikant zu beobachten ist … aber was hat das mit der hier zu rezensierenden Veröffentlichung zu tun?

Musikalisch gar nix, denn Poco sind und waren nie verdächtig, jemals in die Nähe des Blues Rocks geraten zu sein. Sie gelten vielmehr als Pioniere dessen, was sich bis heute als 'Country Rock' etikettieren lässt. Gegründet 1968, letztlich aus der Asche Buffalo Springfields hervorgegangen, erschien bereits 1969 das Debütalbum "Pickin' Up The Pieces" und nahm quasi die Millionenseller Eagles vorweg, die sich erst zwei Jahre später mit Poco-Gründungsmitglied Randy Meisner formieren sollten, welcher wiederum bei Poco 1969 durch einen gewissen Timothy B. Schmit ersetzt wurde, der seinerseits acht Jahre später eben diesen Randy Meisner bei den Eagles beerbte. Alles klar?

Der große Unterschied bei diesen beiden Bands? Während die Eagles bis zum heutigen Tage ihre Arbeit monetär vergolden können, sind Poco nie über eine kommerzielle Statistenrolle hinausgekommen – wie der Blues Rock hierzulande.
Eine kleine Ausnahme bildete das 1978er Album "Legend", wo Poco es schafften, die Eagles an Seichtheit locker zu überbieten.
So finden sich denn auch immerhin drei Stücke dieses Erfolgsalbums in der ausgewogenen Setlist vorliegenden Konzerts vom 20.05.2004 in Nashville’s Belcourt Theatre. Der Auftritt in ihrer damaligen Homebase fand mit immerhin vier Mitgliedern der Inkarnation statt, die 1971 das dritte Studioalbum "From The Inside" herausbrachte. Mit Richie Furay war auch mal wieder derjenige dabei, der Poco 1974 erstmals verlassen hatte, da ihm damals die musikalische Ausrichtung und (kommerzielle) Perspektive der Band nicht behagte.

Dem Rezensenten wiederum behagt die Lieblosigkeit dieser Veröffentlichung nicht. Der Inhalt ist beileibe nicht neu und wurde erstmals 1995 (in Nordamerika) unter dem schönen Titel "Keeping The Legend Alive" zugänglich gemacht, einschließlich einer DVD, welche das Ereignis auch visuell erlebbar machte … sogar in 5.1 Surround Sound. Kurze Zeit später folgte die europäische 'Billigversion' "Alive In The Heart Of The Night" ohne DVD, aber immerhin mit einem informativen Booklet.

Poco / One Night In Nashville

Poco / One Night In Nashville

Jetzt haben wir hier die Drittauflage mit dem einfallsreichen Titel "One Night In Nashville", ohne DVD, ohne Booklet, dafür aber erstmals auch mit einer Vinylvariante, welche auf sage und schreibe 9 von 16 Titeln eingedampft wurde. Ohne Worte, da rettet auch TRANSLUCENT BLUE nichts mehr!

Ach ja … der musikalische Inhalt. Da kann der Rezensent sich kurz fassen … wem die Eagles schon immer zu hart waren, wird hier seine helle Freude haben. Schöne, locker flockige Melodiebögen, plüschiger Satzgesang, mehr Westcoast PPop als Country Rock, alles sehr geschmackvoll und 1A instrumentiert … tut niemandem weh und lässt einen in Anbetracht der heutigen Radio-/Tuben-/vorgefertigte Playlist-/Sonstwie-Landschaft etwas sehnsüchtig an längst vergangene, vermeintlich bessere Zeiten denken. Traurig macht dagegen, dass mit Paul Cotton und Rusty Young letztes Jahr gleich zwei der vier hier zu hörenden Bandveteranen verstorben sind … letzterer besaß die alleinigen Namensrechte, womit nun auch Poco endgültig Geschichte sind.

Fazit:
Ein leider sehr fades Abschiedsgeschenk, denn die Aufmachung/Ausstattung dieser (Wieder)Veröffentlichung ist verdammt mager.
Stell Dir vor, es gehen Pioniere einer ganzen Musikgattung in die ewigen Jagdgründe, und kaum einer bekommt es mit. Der Backkatalog von Poco ist mindestens Genrefreunden mit Hang zum Wohlklang dringend ans Herz zu legen.


Line-up Poco:

Rusty Young (vocals, acoustic guitar, electric guitar, lap and pedal steel guitar, mandolin, banjo)
Richie Furay (vocals, acoustic guitar, electric guitar)
Paul Cotton (vocals, acoustic guitar, electric guitar)
George Grantham (vocals, drums and percussion)
Jack Sundrud (vocals, bass)
Tony Harrell (piano, b3 organ, accordian)
Phil Kensie (saxophone)

Tracklist "One Night In Nashville":

  1. Where Did The Time Go (1:09)
  2. Keep On Tryin' (2:24)
  3. Crazy Love (3:17)
  4. Pickin' Up The Pieces (3:33)
  5. Bad Weather (5:29)
  6. Call It Love (5:02)
  7. Let’s Dance Tonight (5:16)
  8. Magnolia (7:43)
  9. You Better Think Twice (3:49)
  10. Spellbound (7:25)
  11. Indian Summer (5:29)
  12. Kind Woman (5:14)
  13. Rose Of Cimarron (6:14)
  14. Ride The Country (6:19)
  15. Good Feelin' To Know (4:44)
  16. Heart Of The Night (6:46)

Gesamtspielzeit: 79:54, Erscheinungsjahr: 2021/2022

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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