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Possessed – Bandportrait

Wer hat den Death Metal erfunden? Das ist eine Frage, die manchmal in Foren diskutiert wird, wobei eine Musikrichtung nicht plötzlich erfunden wird, sondern sich entwickelt. Meistens gibt es dennoch einen (Zeit-)punkt und/oder eine Veröffentlichung, an der es festgemacht wird, z.B. wenn der Begriff das erste Mal verwendet wird.
In diesem Fall wäre einerseits der Titel des 1982 erschienen Samplers des Labels Noise zu erwähnen, wobei die darauf vertretenen Bands nicht dem Death Metal zuzuordnen sind, somit wurde zwar der Begriff verwendet, aber er passt nicht wirklich.
Dann gab es 1985 den Song "Death Metal" auf dem Debüt von Onslaught und auf dem von Possessed, wobei letztere ihr Demo von 1984 bereits so genannt hatten. Manche Fans assoziieren mit dem Begriff vor allem die Band Death. Wobei diese und Possessed sich gegenseitig musikalisch beeinflusst haben. Wenn ich mich also auf jemanden festlegen müsste, wären es die 'Besessenen' und genau diese sollen hier vorgestellt werden.
Kennengelernt habe ich sie damals mit dem Song "Fallen Angel". Ein Brieffreund hatte mir diesen (neben einigen weiteren) auf ein Tape aufgenommen, um mir neues Material vorzustellen. Ich war ziemlich beeindruckt, denn das war das härteste, was ich zu diesem Zeitpunkt kannte. Verstärkt wurde dieser Effekt durch den Wechsel mit ruhigen Passagen, die mit der 'Höllenglocke'. Das MUSSTE ich haben…

Seven Churches

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Seven Churches Digi CD zum Kreuz aufgeklappt

Ganz harmlos und scheinbar unschuldig kommt das Intro daher mit Klängen aus dem Film "Der Exorzist". Diese stammen von Mike Oldfield, "Tubular Bells". Der erste eigentliche Track "The Exorcist" fegt die Ruhe hinweg als würde sich ein schwarzer Sturm aus der Hölle durch den Körper von Regan seinen Weg in unsere Welt bahnen.
Mächtig, böse, heavy… und doch mit kräftigem, klaren Sound. Der Nachfolger "Pentagram" legt dann eine Schippe weniger aufs Höllenfeuer, der dritte Track "Burning In Hell" wird durch einen langsamen Mittelteil aufgelockert. Wobei ich "Fallen Angel" immer noch besser finde. Auch die restlichen Songs wissen zu überzeugen, ob durch einprägsame Zeilen (z.B. im Titelsong die ganzen Begriffe mit »Seven« oder eingestreute Ideen.
Was eine Scheibe sich doch hinter dem schlichten Cover verbirgt (mit dem eigentlich geplanten Motiv gab es technische Probleme, so hieß es), für damals bisher nie gekannte Härte. Passend dazu ließen sich die Musiker auf dem Backcover sehr 'evil' mit Kunstblut ablichten, wobei das nur Image war, hinter der Bühne und privat wirkten sie eher wie nette Schuljungs von nebenan, denen man gar nicht zutrauen würde, dass sie mal eben einen solchen Höllenhammer auf die Menschheit losgelassen hatten und damit 1985 wohl das erste Death Metal-Album veröffentlicht – wobei der letzte Song diesen Titel trägt.
Die CD-Version von 1999 lässt sich zu einem umgedrehten Kreuz aufklappen, netter Gimmick, der jedoch nicht an Klapp-Effekt der zweiten LP herankommt.

Tracklist "Seven Churches":

  1. The Exorcist (4:52)
  2. Pentagram (3:34)
  3. Burning In Hell (3:10)
  4. Evil Warriors (3:44)
  5. Seven Churches (3:14)
  6. Satan’s Curse (4:15)
  7. Holy Hell (4:12)
  8. Twisted Minds (5:10)
  9. Fallen Angel (3:58)
  10. Death Metal (3:15)

Gesamtspielzeit 39:24, Erscheinungsjahr 1985

Beyond The Gates

Possessed: Beyond The Gates LP-Cover

Possessed: Beyond The Gates LP-Cover

1986 mussten Possessed-Fans erst einmal suchen… die Hülle der LP ließ sich am Cover auseinander klappen wie der Eingang einer Geisterbahn, dann konnte noch weiter geklappt werden… bis sich schließlich die Innenhülle zeigte. War beim ersten Mal etwas verwirrend, mittlerweile ist es natürlich klar. Klasse Idee.
Weniger gut war der matschige Sound und von vielen wurde zusätzlich das etwas gedrosselte Tempo kritisiert. Wobei ich das gar nicht mal so schlecht fand/finde und die Scheibe damals sehr häufig auf dem Plattenteller rotiert ist. Sicher, die hat nicht die Brachialität und den Überraschungseffekt des Debüts, aber mir hat sie gut gefallen und gefällt auch heute noch, auch weil die Stimme nun etwas mehr im Vordergrund steht. Grundsätzlich ist die Ausrichtung gleich: Ein harmloses Intro, das dieses Mal ein wenig länger ausgefallen ist, dann bricht die Hölle los. Okay, nicht ganz so gnadenlos wie zuvor, aber bei weitem nicht so schlecht wie manche mein(t)en. Die Songs wissen hier ebenfalls zu überzeugen, okay, es gibt kein zweites "Fallen Angel" (das wäre  ja auch langweilig und Wiederholung), doch gerade "Phantasm" begeistert mich durch eine Atmosphäre (mag natürlich daran liegen, dass ich dabei an die gleichnamige Filmreihe denke…). Eigentlich ein wenig schade, dass das Zweitwerk im Schatten des Erstlings stand,  war meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt, und das nicht nur wegen dem genialen Artwork. Damals ist die Scheibe ebenso wie der Erstling auf Tape aufgenommen im Walkman immer und immer wieder rotiert, auch heute lege ich gerne mal die CD (um die LP zu schonen, außerdem ist noch die "The Eyes Of Horror"-EP mit drauf) ein.

Tracklist "Beyond The Gates":

  1. Intro (1:23)
  2. The Heretic (2:40)
  3. Tribulation (4:48)
  4. March To Die (3:12)
  5. Phantasm (4:23)
  6. No Will To Live (6:47)
  7. Beyond The Gates (2:55)
  8. The Beasts Of The Apocalypse (3:13)
  9. Seance (3:03)
  10. Restless Dead (2:59)
  11. Dog Fight (1:23)

Gesamtspielzeit 36:46, Erscheinungsjahr1986

The Eyes Of Horror

Possessed: The Eyes Of Horror EP

Possessed: The Eyes Of Horror EP

1987 folgte eine fünf-Track-EP, die wiederum etwas schleppender (aber nur etwas) als zuvor war, was jedoch recht heavy wirkte. Insgesamt wurde die "Beyond The Gates"-Linie fortgesetzt, was mir durchaus gefiel/gefällt, dabei mit "Swing Of The Axe" ein Song vom Demo neu eingespielt. Die musikalische Qualität war keineswegs gesunken, auch wenn das Ganze weniger Böse rüberkam – entsprechend waren nun die Bandfotos dezent ohne übertriebenes Blut/Nieten/etc. Gepose – Possessed brauchten das gar nicht, um zu überzeugen. Nun gut, anständiger Zwischenhappen dachte ich mir, mal sehen was sie als nächstes machen… doch leider kam es nicht dazu.

Tracklist "The Eyes Of Horror":

  1. Confessions (2:53)
  2. My Belief (3:34)
  3. The Eyes Of Horror (3:16)
  4. Swing Of The Axe (3:59)
  5. Storm In My Mind (4:22)

Gesamtspielzeit 18:04, Erscheinungsjahr 1987

Was geschah weiter: Larry LaLonde hatte zwischenzeitlich Gitarrenuntericht bei Joe Satriani genommen, der auch die Scheibe produziert hat. Larry spielte ab 1987 zusammen mit Les Claypool bei Blind Illusion, 1989 wechselten er und Les zu Primus, was musikalisch ein wenig überraschen mag. Bedauerlicherweise war damit die Geschichte von Possessed so gut wie beendet. Die Band trennte sich. 1990 wurde Jeff Becerra angeschossen und sitzt seitdem im Rollstuhl. Danach erschienen lediglich Demos, Splits und Live-veröffentlichungen.
Jeff Beccera hat  2007 Possessed wiederbelebt, seitdem gab es Auftritte, beispielsweise in Wacken, aktuell sogar eine Europa-Tour, eine Studio-Scheibe soll auch in Planung sein. Vielleicht ist die Geschichte dieser Legende, die auch gerne mal als »The Godfathers Of Death Metal« bezeichnet wird,  doch noch nicht abgeschlossen…


Line-up Possessed (auf den genannten Tonträgern der klassischen Phase)

Jeff Becerra (vocals, bass)
Mike Torrao (guitars)
Larry LaLonde (guitars)
Mike Sus (drums)

Line-up Possessed aktuell

Jeff Becerra (vocals)
Emilio Marquez (drums)
Daniel Gonzalez (guitars )
Robert Cardenas (bass, backing vocals)
Mike Pardi (guitars)


Bildergalerie vom Öffnen der "Beyond The Gates":

Über den Autor

Andrea Groh

Hauptgenres: Doom/Death/Black Metal, auch Post/Progressive/Pagan Metal u.a.
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Mail: andrea(at)rocktimes.de

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