Wenn CDs von Czar Of Crickets kommen, versuche ich ungehört und uninformiert anhand des Covers und Bandnamens zu raten, welche Musik sich darauf befindet. Im Falle von Posthumanbigbang war meine Vermutung (unter anderem aufgrund der bunten Farben) Psychedelic Rock – tja, das war falsch. Aber was machen die Berner? Die Antwort ist gar nicht mal so einfach, irgendetwas in der Richtung Post Metal, Progressive Metal, Progessive Rock, Experimental Metal … oder so …
Der Beginn (Urknall) von Posthumanbigbang war 2009, als die Band von Remo Häberli und seinem Bruder Patrick gegründet wurde. Remo hat zudem ein Studio in der Schweiz, in dem er Bands wie Unhold, ELR, Horace und weitere produziert hat – und natürlich seine eigene.
2012 ging ein erster Stern in deren Universum auf, dieser bekam jedoch keinen eigenen Namen. Danach herrschte jahrelang Ruhe im All … bis 2020 nun eine Sonne erschien, deren Strahlen anscheinend an Dschungelaugen erinnert.
Wie das Covermotiv von "Jungle Eyes", auf dem Farben leuchten vor dunklem Hintergrund, ist auch die Musik. Diese fängt mit recht exotisch wirkenden Klängen an, die sehr gut zu dem Design passen, doch schon bald setzen schwere Riffs ein und eine raue, dann eine klare Stimme.
Der Opener "Cycles" lebt von diesen Unterschieden, ist einerseits fettes Metalbrett, ist andererseits durchsetzt von zarten, verträumten Tönen oder etwas fremdartig wirkenden Spielereien.
Auch "Homebound II" ist eine Melange aus verschiedenen Elementen, als wären verschiedenartige Garne ineinander verwoben, die sich zu einem vielschichtigen Ganzen zusammenfügen. Dieses ist manchmal melodisch, manchmal eher aggressiv, immer wieder sich wandelnd. Dies bleibt im weiteren Verlauf der CD so, wirkt wie ein Spaziergang durch einen Dschungel mit vielen unterschiedlichen Bäumen und anderen Pflanzen. Manche davon sind farbenprächtig und leuchtend, andere eher bedrohlich und dunkel.
Posthumanbigbang haben einerseits moderne Momente, grob in die Richtung Post Metal oder Sludge gehend, dann fast schon herkömmlich wirkende Melodielinien, dann elektronische Elemente und teilweise sogar ausgefallene Rhythmik, die Einflüsse von Weltmusik beinhaltet. Stellenweise wirkt das fast schon meditativ.
Der Titeltrack "Jungle Eyes" ist ein Beispiel für die Wandlungsfähigkeit. Am Anfang fühlt man sich in einen Dschungel versetzt, dann folgen Gitarrenriffs, diese treten in den Hintergrund, wenn unterschiedliche Arten von Gesang dominieren und übernehmen dann wieder die Macht, und so weiter … die ganzen Einzelheiten aufzuzählen würde hier zu weit führen.
Instrumentalstücke wie "Theme" wirken wie Filmmusik, die Ruhe ist jedoch nicht von Dauer, schon "Coals" kommt wieder mit einer Keule.
Wie so oft (und aus meiner Sicht erfreulicherweise) bietet auch diese Czar Of Crickets-Veröffentlichung Metal (und mehr) jenseits von Standard, spannend gemacht und reizvoll. Traditionalisten, die Songs nach althergebrachtem Schema / Aufbau suchen, werden hier natürlich nicht fündig. Aber wer offen (für Neueres) ist, kann im Dschungel einiges entdecken, findet ein vielschichtiges faszinierendes Universum der Klänge, das sich nicht leicht in Worte fassen lässt, sondern gehört und entdeckt werden will.
Line up Posthumanbigbang:
Remo Häberli (lead & backing vocals, lead & rhythm guitars, bass, synths, percussion, keys, programming)
Mike Liechti (drums)
Patrick Häberli (backing vocals)
Lukas Bleuer (lead guitars)
Isabelle Ryser (bass)
Guests:
Rita Häberli (accordion)
Philipp Thöni (vocals)
Florian Haldimann (bass)
Bernhard König (lead guitar)
Adrian Lüthi (lead guitar)
Mischa Kästli (drums)
Michael Stucki (vocals)
Sebastian Schmid-Arenas (spoken voice)
Tracklist "Jungle Eyes":
- Cycles (6:54)
- Homebound II (4:30)
- Bury (6:06)
- Bitter Tears (9:06)
- Jungle Eyes (8:12)
- Theme (2:20)
- Coals (7:30)
- Hate (2:41)
- Driftwood (6:53)
- Off (4:52)
Gesamtspielzeit: 64:31, Erscheinungsjahr: 2020
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