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Potsch Potschka / Spielt Spliff – CD-Review

Potsch Potschka / Spielt Spliff – CD-Review

Bernhard 'Potsch' Potschka ist ein Urgestein in der deutschen Musikszene. Lok(omotive) Kreuzberg, Nina Hagen Band und natürlich Spliff. Zumindest aus diesen drei Formationen sollte man diesen hervorragenden Gitarristen kennen.

Potschka ist allerdings nicht auf die Gitarre zu reduzieren. Bevor er diese entdeckte, lernte er Klavier und Cello und neben dem aktiven Musikmachen betreibt er auch ein eigenes Studio in Berlin und produzierte unter anderem die Krautrocker Agitation Free. Neben dem Rock war er 2004 z. B. auch Komponist des »abendfüllenden Werkes« "Fantasia Iberica", welches von einer spanisch-arabischen Band und dem klassischen Brandenburger Orchester gespielt wurde.

Der Mann kann also Musik, wie man so schön auf neudeutsch sagt. Und aus diesem Grund ist es vermessen zu kritisieren, dass er sich entschieden hat, auf "Spielt Spliff" (wie übrigens auch auf dem Vorgänger In Rock) kein Keyboard einzusetzen. Alles sollte »handmade« sein, die fehlenden Tasten durch verstärkte Gitarrenarbeit kompensiert werden. Ok, dass man als Ex-Spliffer Spliff-Songs nicht original nachspielt, ist klar, das wäre ziemlich sinnfrei. Für mich jedoch – da bin ich old school – gehört das Keyboard zu den Spliff-Nummern schon dazu. Also schauen wir mal, wie das alles so rüberkommt.

Jeder anständige Haushalt hat wahrscheinlich mindestens die "85555" und "The Spliff Radio Show" im Regal stehen, sodass klar sein dürfte, dass diese Band nicht mit dem NDW-Output in einen Topf geworfen werden darf. Trotz radiotauglicher Nummern waren Spliff immer auch als Rock-Act anzusehen, was natürlich zum einen an den handwerklichen Fähigkeiten der Musiker und zum anderen an den perfekten Kompositionen lag. Nun, von dem Klassiker "The Spliff Radio Show" ist leider nichts an Bord. Dafür ist "85555" gut vertreten.

Man merkt den Tracks die Überarbeitung an – und ja, der Fokus wurde auf mehr Gitarrenarbeit gelegt. Es brazzelt schon gewaltig, wenn geballte Powerchords die Regie übernehmen. Auch sonst ist das frische Gewand akkurat gebügelt. So ist "Heut Nacht" ein perfektes Beispiel für die Runderneuerung, die Gitarrenarbeit ist einfach stark und Sänger Sven Sander transportiert die Stimmung des Songs perfekt und mit angenehmem Timbre – wie z. B. auch auf "Rand der Welt". Seine vokalen Fähigkeiten sind perfekt für die Sparte Deutschrock. Er kann sanft und wohlgeformt, diabolisch, hat aber auch die Gene in den Stimmbändern, um bei anderen Truppen hinter dem Mikrofon zu stehen. Und das soll mein einziger Kritikpunkt sein, denn bei "Radio" und besonders bei "Jerusalem" klingt er mir zu sehr nach NDW. Bei "Jerusalem" muss ich stellenweise an eine Mischung aus Otto und Torfrock denken. Dann blitzt wieder der diabolische Touch durch und in Verbindung mit der Gitarrenarbeit klingt er richtig gut.

Nun, das mag an meinen persönlichen Präferenzen liegen und soll die Versionen Potschkas keinesfalls abwerten. Das schwierige Unterfangen, allseits bekannte Spliff-Nummern ins neue Jahrtausend zu transportieren, auf Tasten zu verzichten und Saitengeflirre zu verstärken, ist gelungen. Ob man nun die Originalversionen mit Potschka oder Potschkas Interpretationen der Originale bevorzugt, ist jedem selbst überlassen.


Line-up Potsch Potschka:

Potsch Potschka (Gitarren, Effekte)
Sven Sander (Gesang)
Minas Suluyan (Perkussion)
Johannes Zeiss (Schlagzeug)
Wolfy Ziegler (Bass)
Peter Stahl (Gitarre)
Gundula Ulbrich, Bettina Bauer (Chor)

Tracklist "Spielt Spliff":

  1. Deja Vu (4:14)
  2. Das Blech (3:08)
  3. Radio (3:46)
  4. Tag für Tag (3:56)
  5. Herzlichen Glückwunsch (4:04)
  6. Carbonara (4:26)
  7. Jerusalem (4:11)
  8. Heut Nacht (4:40)
  9. Notausgang (2:57)
  10. Augen zu (3:17)
  11. Rand der Welt (4:27)

Gesamtspielzeit: 43:32, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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