Preamp Disaster? Vorverstärker Katastrophe? Nee, so schlimm klingen die Schweizer doch gar nicht…eigentlich sogar recht entspannt.
Habe nach dem Namen weitaus ge/verstörteres erwartet. Okay, verzerrt wird hier schon und ich kann mir die Band auch beim stundenlangen jammen vorstellen – aber dies sollte kein Fiasko darstellen.
Den Vierer gibt es mittlerweile seit fünfzehn Jahren und "By The Edge" ist das vierte Studioalbum. Kurzer Blick zurück: 2009 erschien "Among The Clouds", 2011 "Through Woven Branches» und schließlich 2017 "Waiting For Echoes".
Wirklich fleißig an Veröffentlichungen sind die Eidgenossen nicht, dasselbe gilt für die Spielzeit des vierten Scheibchens (vier Songs in knapp einer halben Stunde, das ist dann nur ein -chen). Egal, solange die Musik gut ist.
Diese lässt sich gar nicht so leicht einordnen, ist rockig, metallisch, sphärisch, spacig. Der Begriff Postdoom trifft es ganz gut, irgendwo zwischen Postrock, Stonerrock, Doom mit psychedelischen Einsprengseln. Meistens instrumental vor sich hin wabernd, stellenweise mit Stimme, teilweise growlend. Im zweiten Song "Dark Brilliance" gibt es eine gesprochene Passage.
Das Ganze wirkt heavy und mächtig, teilweise riffend, oft dahin fließend, hat dennoch filigrane Momente und Strukturen – ist daher geschickt in sich widersprüchlich gestaltet, gleichzeitig schwer und leicht, walzend und schwebend.
Das passt gut zu dem Cover, spiegelt die düstere Landschaft mit erstarrter Lava im Vordergrund, den fernen Bergen und die mysteriös schwebenden Pyramiden. Wer in der Kargheit eine raue Schönheit erkennt und davon fasziniert ist, wird dies vermutlich ebenso von den Klängen sein, die sich auf dem Silberling in der Hülle befinden.
Verworren, verwirrend, täuschend in Gestalt, genretypisch scheinbar formlos fließend, doch mit Details, die es zu entdecken gilt, was etwas Unberechenbares hat. Einem Wandel unterworfen, der nur scheinbar gegensätzlich ist, dabei in sich stimmig und harmonisch (außer wenn absichtlich disharmonisch).
Dies mag für diejenigen, die klaren Songaufbau bevorzugen, katastrophal erscheinen, entspringt jedoch eher dem Entropiefaktor des Universums gefangen in Musik, die in ihrer grundsätzlichen Natur chaotisch ist. Diese Auswüchse und Ausbrüche werden durch Riffs gebändigt, beherrscht und Form gebracht.Das macht möglich, "By The Edges" an sich vorbei oder in sich hinein fließen zu lassen. Das Eintauchen in die Klanglandschaften offenbart deren Dimension, die bei flüchtigem Hören nicht so erkennbar ist. Dann kann die halbe Stunde sehr intensiv sein, unterstützt von der passenden, gelungenen Produktion von V.O. Pulver (u.a. Poltergeist)
Eine (musikalische) Katastrophe ist das Scheibchen sicherlich nicht – wie Preamp Disaster ihre Vorverstärker behandeln kann aus der Ferne nicht beurteilt werden…
Zu bemängeln gibt es höchstens die etwas dürftige Spiellänge von weniger als einer halben Stunde, womit "By The Edges" dann eher eine Vier-Track-EP als eine Full Length-CD ist. Aber wer mag, kann sie ja zwei Mal laufen lassen. Vielleicht wird die nächste Veröffentlichung etwas üppiger in der Länge.
Line-up Preamp Disaster:
Damian Ruckstuhl (guitar)
Sandro Hächler (drums)
Urs Schnyder (guitar, vocals)
Silvan Weibel (bass)
Tracklist: "By The Edges":
- Above The Bloodine (5:16)
- Dark Brilliance (6:49)
- Holdun (7:21)
- Entering One Last Epoch (9:18)
Gesamtspielzeit: 28:48, Erscheinungsjahr: 2022
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