Melodie und Rhythmus in unruhigen Zeiten
Es gab mal Zeiten, da ging es für jede auch nur ansatzweise ambitionierte Band darum, ein möglichst professionell klingendes Demo zu produzieren, um selbiges dann in genau dem richtigen Augenblick genau den richtigen Leuten unterzujubeln. Wenn dies tatsächlich glückte, winkte in nicht wenigen Fällen Studiozeit und schlussendlich ein Plattenvertrag.
Mittlerweile geht es schon länger nicht mehr um Plattenverträge. Mit Tonträgern lässt sich im Musikmarkt kein Geld mehr verdienen. Alternativ gibt es im Netz der unbegrenzten Möglichkeiten nunmehr die verschiedensten Plattformen, um Musik via Streaming zugänglich zu machen. Im besten Fall wird dann Geld über Live-Auftritte verdient.
Unnötig zu erwähnen, dass zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Rezension genau dieses Modell gewaltig ins Wanken gerät. Der Musikbranche stehen wiederholt einschneidende Zeiten bevor … und natürlich nicht nur dieser.
Vorläufig bleibt nichts anderes übrig, als sich mit möglichst guter Musik aus den vorhandenen Konserven abzulenken.
Gegenstand der Betrachtung soll hier ein junges schwedisches Quartett aus Lidköping sein. Eine Band, die derzeit sagenhafte 143 monatliche Hörer beim Streaming-Dienst Spotify verzeichnen kann. Da das Coverbild ihres Debütalbums, "Not Meant To Die", bei aller amateurhafter Anmutung unweigerlich Assoziationen an Black Sabbath weckt, sei hier ein kurzer Vergleich zur in Rente befindlichen Heavy Metal-Legende erlaubt: 7.412.115 monatliche Hörer!
Dieser Vergleich hinkt aber nicht nur bezüglich Popularität gewaltig, sondern auch musikalisch … das Cover führt etwas in die Irre, obwohl Predicted beileibe keinen schwedischen Pop oder gar Schlager zum Besten geben. Melodischer Hard Rock mit metallischen Geschmacksnoten wird hier in einer Independent-Produktion geboten, welche hörbar eher Richtung des Eingangs erwähnten Demos tendiert, aber durchaus im positiven Sinne.
Hier ist nichts trotz aller Melodiösität auf Wohlklang abgeschliffen, die Aufnahme bewahrt sich eine knochentrockene, puristische, angeraute Intensität, welche amtlich, nur etwas dünn aus den Boxen pustet.
Der Rezensent ist in diesen Gefilden Tourist … während die Band selbst Avenged Sevenfold und Bullet For My Valentine als ihre größten Einflüsse postuliert, ertappt sich der Ausflügler dabei, hier nicht selten Spuren der Axel Rudi Pell Band zu entdecken, nur ohne exaltiertes Operettengeschmetter, ohne virtuose Blackmore-Gedächtnisausflüge, ohne Pomp, ohne Tasten und ohne Pathos … stattdessen ein durchgängig hochklassiges Songwriting mit Hits am Fließband, die ohne jeden Firlefanz in die Gehörgänge kriechen.
Dieses sehr charmante Debüt ist ein melodisches Kleinod erster Güte und hat das Potential, eine latente Suchtgefahr auszulösen. Spieltechnisch gibt es aus Laien-Sicht absolut keine Beanstandungen … Sänger Johan Ask schmettert halt keine enervierenden Arien, sondern presst in angenehmer Tonlage und milder Rauheit seine Zeilen raus, während sich die Rhythmusabteilung keinerlei Blöße gibt. Teilweise kommt vokalistisch auch eine außerordentlich gut ineinander verzahnte Zweistimmigkeit/Mehrstimmigkeit ins Spiel … mit sich perfekt ergänzenden Stimmlagen. Das Schöne dabei ist, dass das alles nicht wirklich perfekt klingt und doch unglaublich viel Spaß macht. Die zwei offenbar gleichberechtigten Sechssaiter verzahnen sich gelegentlich ebenfalls vorzüglich, eine gut geölte Riff-Robustheit kommt aber auch keinesfalls zu kurz. Und auch bei den Saiten-Läufen offenbart sich eine ansteckende Melodieführung.
Fazit:
Von solchen 'Demos' dürfte so mancher Klick-Champignon nur feucht träumen … die 'Hit'-Dichte ist enorm, der Abnutzungsfaktor beim Endlosschleifen-Hören verblüffend gering und das Wort 'Melodic' ist hier ausdrücklich nicht als Drohung für die Freunde etwas härterer Klänge zu verstehen … sozusagen unwiderstehlicher Heavy-Schlager ohne Sülze!
Line-up Predicted
Johan Ask (vocals)
Simon Stridh (guitar, vocals)
Emil Zettergren (guitar, vocals)
Elias Andreasson (bass)
Simon Gartman (drums, vocals)
Tracklist "Not Meant To Die":
- Intro (01:00)
- Broken Mind (04:15)
- Falling Down (05:18)
- Lost In Time (03:44)
- Werewolves (04:13)
- Not Gonna Wait (05:21)
- In The Shadows (04:26)
- My Secret Place (03:18)
- Fire Away (05:11)
Gesamtspielzeit: 36:49, Erscheinungsjahr: 2019
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