Nachdem das hier vorgestellte Album bereits seit einigen Monaten auf dem Markt ist, wird es mir vermutlich kaum gelingen, gänzlich neue Aspekte in der Musik von Prisma Circus zu entdecken. Die allseits verbreiteten Referenzen zur Band von Cream bis Jimi Hendrix sind schlichtweg nicht zu leugnen, auch wenn sie bereits mehrfach konstatiert wurden, übrigens auch in unserem Archiv.
Allein, eine Vinyl-affin komprimierte Scheibe solcher individueller Klasse in einem Spektrum zwischen retrohaftem Blues Rock, Heavy-Psych und einer herrlichen Beimischung klassischen Krautrocks verdient, näher betrachtet zu werden.
Dass sich die Band als klassisches Power-Trio auf die große Zeit der Anfänge unserer Kultur bezieht, zeigt schon das kultig und verspielt schöne Plattencover in Anspielung wohl auf Promethea, Titelheldin in einem farbenfrohen Fantasy-Comic und somit vermutlich Inspiration für den Album-Titel. So sahen sie aus, die ollen Hüllen um frühes Vinyl, in längst vergangenen Tagen ein Quell inspirierender Vorfreude und hin und wieder sogar Motivation, eine Platte zu kaufen.
Eben "Promethea’s Armageddon", gleichzeitig Albumtitel als auch erster Song, führt uns in eine nicht minder bunte Welt wilder Breaks mit psychedelischen Kreiseln und solistischen Ausbrüchen, wo sogleich erste Verwandtschaften zu den sehr geschätzten Radio Moscow offenkundig werden. Nicht zum letzten Mal übrigens. Ebenfalls deutlich wird gleich im ersten Song, warum so häufig Vergleiche zu den legendären Cream ausgewiesen werden. Die Rhythmusfraktion kann man wahrlich nicht allein als solche bezeichnen. Bass und Schlagzeug entwickeln ein geradezu exzentrisches Eigenleben. Hier agieren drei virtuose Musiker auf Augenhöhe, da wird nicht nur begleitet und unterlegt. Nein, der Bass umschwärmt den Sechssaiter von Alexandre Sanchez Miralles bei seinen wilden Fahrten auf der Suche nach eigener Freiheit und die halsbrecherische Rhythmik des Schlags kann tatsächlich zu allerlei Verrenkungen des geneigten Zuhörers führen, wenn er sich allzu sehr auf die oft vertrackten Spielereien einlässt.
Klingt nach anstrengendem Musik-Konsum? Keinesfalls, die souveräne Meisterschaft, verrückte Breaks in rhythmische Spielereien, mäandernde Meditationen und wüste Solo-Gelage einzuflechten, gelingt den drei Spaniern aus dem Raum Barcelona (muss ich da politisch korrekt von Katalanen sprechen?) in einer erstaunlichen Leichtigkeit und lässt die Songs trotz allem scheinbar widersprüchlichen Patchworks wunderbar organisch und fließend erscheinen. Das geht nur, wenn die notwendige musikalische Potenz vorhanden ist, ein bisschen wie bei den Münchnern von Colour Haze, die ja auch von der individuellen Klasse der einzelnen Bandmitglieder profitieren und in gewisser Weise ähnlich agieren.
Nachdem sich die Band in "El Blues Del Matusser" dem Titel entsprechend herrlich mitreißend bluesig ausgetobt hat, stolpern wir unvermittelt in eine Stampede apokalyptischen Ausmaßes: "El Loco Y El Mago". Ein kurzes Intro wie aus einem Western entnommen, für den Herr Morricone einst Musik schrieb, explodiert in einer ersten Entladung, die rhythmisch an den unvergessenen Nossi von Birth Control erinnert. Und wird sogleich gekappt mit dem nicht minder legendären Break in Grobschnitts Solar Music; am Ende, bevor es in den versöhnlich friedlichen Schluss-Satz geht. Jedenfalls klingt es so. Dazwischen geradezu fundamentale Entladungen einer eskalierenden Gitarre, die wie eine Herde ausgeflippter schwarzer Stiere über uns herfällt. Hier gibt es kein Entkommen, wer jetzt nicht auf den Beinen ist, dem ist nicht mehr zu helfen. Doch der Psych bricht sofort mit dem ausufernden Drangsalieren, gedehnt getragene Improvisationen führen uns aus dem Inferno in eine Trance-artige Welt, vor allem erschaffen von einer Gitarre, die ein wenig am berühmten 'dritten Stein von der Sonne' kratzt. Genau, da war ja mal was bei Jimi. Aber nur, um in einer ebenfalls sehr Kraut-verdächtigen Orgel ein weiteres Highlight dieses Silberlings einzuläuten, nämlich "Fake Coral Snake".
Ja, es gibt immer wieder einige Tasten-Sequenzen, eingestreut vom Drummer Antonio Tamargo Rodriguez, sehr schön pointiert und auf das nötige Minimum reduziert. Doch dann geht schon wieder die Post ab. Aus einer freien, spacigen Saiten-Improvisation katapultieren sich rasende Riffs wie einst in Steamhammers Monster-Song "Penumbra". Das Stück groovt schweißtreibend bis zum Ende, das irgendwie viel zu früh kommt.
Dass die Band sich neben aggressiv, rockigen Attitüden auch auf leise Töne versteht, zeigt sich spätestens, wenn Prisma Circus zu akustischen Waffen greifen. Die Flamenco-Gitarre mit sanft verspielten Hintergrund-Applikationen in "Preludio", eigentlich nur das Intro für den nächsten Titel "El Guia De La Santa Compana", wird derart mit Herzblut gespielt, dass mir eine Gänsehaut erwächst. Verwundert es, dass dieser so gefühlvolle Auftakt in einer wilden Jam mit ausufernden, fuzzigen Gitarren endet? Nicht wirklich. Fantastisch grooven wir über dem Wah Wah und köchelnden Drums auf einem zeitlosen Fluss energetischer Klänge in ein entspannt ausklingendes Nirwana, mit einem sanft melodiös mäandernden Bass des Herrn Joaquin Escudero Arce, der Strukturen und Grenzen aufhebt, uns auflöst in ein psychedelisches Wölkchen und klar macht für den letzten Akt.
Am Ende schenken Prisma Circus mir einen unerwarteten und sehr willkommenen Backflash zu alten Freunden. "Los Pasos Del Coloso" weckt mit seinem hypnotisch strömenden, entschleunigten Drift wehmütige Erinnerungen an "The Center Of The Cyclone" der Egocentrics aus Timisoara, der musikalische Brückenschlag von der katalanischen Metropole auf den Balkan. Dies hätte es nicht gebraucht, um mein Herz zu gewinnen, das hat Prisma Circus vorher schon längst geschafft. Eine bewegende Reminiszenz war es dennoch und ich danke der Chefin, mich unerwartet mit dieser wunderbaren Platte bemustert zu haben.
"Promethea’s Armadeddon" ist ein bärenstarkes Album voller Virtuosität und Power; roh, bodenständig traditionsbewusst, musikalisch versiert und quasi live eingespielt.
Wer abwechslungsreiche Rockmusik aus den Wurzeln früher Blues-lastiger Tage mit allerlei Bezügen zu verschiedenen Quellen, psychedelischen Ausflügen und wilden Solo-Einlagen auf sehr hohem Niveau erleben möchte, den wird es beim Zuhören vom Hocker hauen. Versprochen!
Line-up Prisma Circus:
Alexandre Sanchez Miralles (guitar)
Joaquin Escudero Arce (bass, vocals, acoustic guitar, percussion)
Antonio Tamargo Rodriguez (drums, percussion, acoustic guitar, synth, organ)
Track-List Promethea’s Armadeddon:
- Promethea’s Armageddon
- El Blues Del Matusser
- El Loco Y El Mago
- Fake Coral Snake
- The Obsolete Man
- Pleludio / El Guia De La Santa Compana
- Los Pasos Del Coloso
Gesamtspielzeit: 31:34, Erscheinungsjahr: 2018
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