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Procol Harum / Novum – CD-Review

Procol Harum - Novum - CD-Review

Wahrscheinlich hat jeder Musik-Fan die eine oder andere Band in seinem Plattenschrank stehen, die er zwar sehr liebt, sie aus unbestimmten (meistens Zeit-) Gründen aber trotzdem nicht allzu oft anhört. Eine dieser Bands im Leben des Rezensenten ist Procol Harum, bei denen mir (wenn wieder drübergestolpert bzw. wiedergefunden) gefühlte zwei bis dreimal pro Kalenderjahr mit den ersten drei Scheiben und speziell A Salty Dog immer wieder das Herz aufgeht. Umso erfreuter war ich, als mir das brandneue Studioalbum "Novum" – das erste seit geschlagenen 17 Jahren – der Engländer auf den Schreibtisch flatterte. Diesmal nicht als Soloprojekt von Gary Brooker mit Gastmusikern, sondern tatsächlich als Bandprojekt (mit langjährigen Mitgliedern) eingespielt, sind hier elf prächtige neue Songs mit einer Spielzeit von einer knappen Stunde vertreten.

Und das Warten hat sich so dermaßen was von gelohnt! Das Quintett legt hier einmal mehr diesen so typischen Mix aus souligem Rock, ein paar proggigen Einflüssen und wenigen Klassik-Splittern vor, die natürlich mit jeder Menge Blues gewürzt wurden. Gary Brookers Stimme ist – wie er selbst auch – ein wenig älter geworden, was aber sowas von nullkommanix von ihrer Magie, Stärke, ihrem Soul sowie dem so ausdrucksstarken Feeling nimmt. Der Sound der Band ist insgesamt sehr erdig, sehr organisch ausgefallen, Geoff Whitehorn (Ex-Back Street Crawler, Ex-Roger Chapman & The Shortlist) macht einen klasse Job an der Gitarre und sowohl Matt Pegg (bass), Geoff Dunn (drums) als auch Josh Phillips an der Hammond halten den Laden perfekt zusammen.

All dies wäre natürlich nur halb so viel wert, wenn die Songs nichts taugen würden. Tatsächlich gibt es aber keinen einzigen Ausfall zu bemängeln. Zum ersten Mal ist hier Pete Brown (ehemals u. a. für Cream tätig) als Texter anstelle von Keith Reid (O-Ton Brooker: »Oh, Keith ist an ’ner Kreuzung irgendwann mal links abgebogen, während wir geradeaus weiterfuhren.«) mit an Bord und lieferte ebenfalls einen richtig guten Job ab. Das Grandiose an "Novum" aber ist das Gesamtpaket. Vom Songwriting, den Arrangements über die erzeugte Atmosphäre bis hin zu den musikalischen Feinheiten ist hier alles nahezu perfekt umgesetzt. Nur eines der Highlights ist das ruhig beginnende "Soldier", das sich nach den ersten beiden Strophen sowohl melodisch als auch dramaturgisch in ungeahnte Höhen schwingt. Nimmt man dazu den starken Text und Brookers leicht brechende Stimme, dann ist hier ein Kleinod für die Ewigkeit entstanden.

Der zweite Überflieger der Scheibe ist "Sunday Morning", ein – wie eigentlich alle Tracks des Albums – im Midtempo gehaltenes Stück. Diese Nummer ist Procol Harum pur, mit aller Dramatik, mit allen Kniffs und Tricks bei den Melodien und aller Größe. Matthew Fisher hin, Robin Trower her – wie (nicht nur) hier bewiesen wird, ging und geht es tatsächlich auch ohne die beiden. Und wie! Ansonsten wären da noch das witzige bzw. etwas zynische "Neighbour" (mit coolem Akustikgitarren-Riff), das bittersüße "Businessman" (über ehemalige Manager), die starke Ballade "Last Chance Motel" oder das melancholische "The Only One"… alle Stücke treffen ins Schwarze und gehen als Sieger durchs Ziel.

Die neue Scheibe der Engländer ist also erfreulich stark ausgefallen, ein gefundenes Fressen für die Fans der Band und darüber hinaus ein ganz fetter Tipp für alle Musik-Fans. "Novum", soviel ist sicher, wird man auch noch in fünfzehn oder zwanzig Jahren in die Anlage schmeißen und genauso begeistert sein. Somit dürfen wir uns bereits alle schon auf die anstehende Deutschland-Tour im September 2017 freuen. Und ich lehne mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich sage, dass ein grandioser Abend mit Gänsehaut-Feeling und dem ein oder anderen Tränchen im Auge garantiert sein wird.

Ach so, und noch was: Ich hab hier überhaupt keine Lust in die Unkenrufe anderer einzufallen, dass "Novum" aufgrund des hohen Alters von Gary Brooker wahrscheinlich die letzte Procol Harum-Scheibe gewesen sein wird. Ich freue mich viel lieber schon auf die nächste!


Line-up Procol Harum:

Gary Brooker (piano, vocals)
Geoff Whitehorn (guitars)
Matt Pegg (bass)
Geoff Dunn (drums)
Josh Phillips (Hammond organ, montage)

Tracklist "Novum":

  1. I Told On You
  2. Last Chance Motel
  3. Image Of The Beast
  4. Soldier
  5. Don’t Get Caught
  6. Neighbour
  7. Sunday Morning
  8. Businessman
  9. Can’t Say That
  10. The Only One
  11. Somewhen

Gesamtspielzeit: 56:13, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

3 Kommentare

  1. Rainer Hellstern

    Markus,
    nachdem Du einem hier den Mund wässrig machst…
    Ich höre mir die Lieder gerade durch. Das ist ja soooo schön. Echt.
    Spitzenmässig.

    Grüße,
    Rainy

    1. Markus

      Hi Rainer,

      yep, ist wirklich ein supergeiles Album geworden, ich war selbst etwas überrascht, WIE gut! Gary Brooker hat nichts verlernt und diese Stimme ist immer noch grandios. Die ersten beiden Alben der Band sind auch wieder (auf Vinyl) rausgekommen, werden natürlich demnächst ebenfalls in diesem Theater vorgestellt werden 🙂

      Beste Grüße,
      Markus

    2. Gerhard

      Hi Rainer,

      wie kann ich Dich erreichen?
      Tel. geht nicht, E-Mail kommt zurück…
      Auch bei uns ändern sich die Tel.nummern: momentan gilt 0721/4700646

      🙂 Gerhard

      Gerhard Pollreiß

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