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Procol Harum / Shine On Brightly – LP-Review

Procol Harum - Shine On Brightly - LP-Review

Die englische Band Procol Harum hatte im Mai 1967 einen Traumstart, als sie mit ihrer ersten Single "A Whiter Shade Of Pale" (noch heute ein Klassiker) nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch in Kanada und einigen weiteren Ländern einen Nummer 1-Hit platzieren konnte. In den USA reichte es immerhin zu einem starken fünften Platz. Leider verkaufte sich das hammerstarke Debütalbum nicht besonders gut, aber immerhin schaffte es die zweite Single, das heute trotz seiner Größe leider etwas in Vergessenheit geratene, "Homburg" in England wieder in die Top10, in Kanada in die Top15 und in den USA in die Top40. Die Band war während der Jahre 1967 und 1968 doch deutlich zusammengewachsen und auch die musikalischen Ambitionen wurden größer. Schließlich fiel das Quintett über Monate hinweg zwischen Konzertverpflichtungen in verschiedene Londoner Studios ein, um das zweite Album "Shine On Brightly" aufzunehmen.

Da trotz des Single-Erfolgs von "Homburg" Stimmen laut geworden waren, dass der Song sich zu sehr nach dem ersten großen Erfolg anhörte, wollte die Band auch diesen Kritikern etwas entgegen setzen. Für die erste Seite des neuen Vinyls kamen fünf ’normale' Tracks zum Einsatz, während die zweite Seite fast gänzlich von dem so psychedelischen wie progressiven, siebzehneinhalbminütigen "In Held Twas In I" in Beschlag genommen wurde. Gestartet wird "Shine On Brightly" mit der ersten Single-Auskopplung, dem erneut bärenstarken "Quite Rightly So". Die Zutaten waren im Prinzip gleich geblieben: Eine grundsolide, alles zusammen haltende Rhythmus-Abteilung (David Knights am Bass und B.J. Wilson an den Drums), die starke Gitarrenarbeit von Robin Trower, die genialen Orgelflächen von Matthew Fisher, die mystischen Lyrics von Keith Reid sowie das klasse Songwriting und der soulvolle Gesang von Gary Brooker zauberten eine weitere Perle vor dem Herrn aus dem Ärmel. Eine weitere Perle, ein weiterer Song für die Ewigkeit.

Dem nicht sehr viel hinterher steht der Titeltrack, atmosphärisch dicht und mit einer perfekt ausgewogenen Dosis Melancholie ausgestattet. Sämtliche Instrumente sind wunderbar heraus zu hören, was natürlich auch für die sehr gute Produktion von Denny Cordell (der ein paar Jahre später zusammen mit Leon Russell das Label Shelter Records gründen sollte) steht. Das zunächst sehr eingängige "Skip Softly (My Moonbeams)" ändert nach ca. 1:45 Minuten plötzlich die Richtung und driftet stark in eine psychedelische Richtung ab, die bereits etwas von dem Mammutwerk der zweiten Seite andeutet. Bedrohlich wirkende Moll-Akkorde auf dem Piano breiten sich aus, bis dann plötzlich erneut das Ruder herumgerissen wird und der Track im Stil von flotter Jahrmarkt-Musik ausklingt. Muss man auch erstmal drauf kommen. Nach dem nicht ganz so starken blueslastigen Stampfer "Wish Me Well" (mit den ersten Co-Lead Vocals von Trower) ereilt den Hörer dann mit "Rambling On" ein weiteres Highlight.

Dass LSD zur damaligen Zeit schwer angesagt war, ist ja weitläufig bekannt und bei der gerade genannten Nummer geht es dann auch darum, dass der Protagonist im Kino einen "Batman"-Film anschaut, diesen durch die Luft fliegen sieht und sich dann denkt, dass er das ganz sicher auch kann. Geht aber nochmal gut aus, da er von einem aufmerksamen Mitbürger gerade nochmal davon abgehalten wird, aus dem Fenster zu springen und sein Trip anschließend mit einem harmlosen Absturz ausgeht. "Magdalene (My Regal Zonophone)" ist für ca. 1:50 eine schöne Piano-Ballade, bevor die Geschichte wieder ins Psychedelische abdriftet. Das knapp zwanzigminütige Epos "In Held Twas In I" beginnt meditationsartig mit gesprochenen Vocals zu einer brummenden Orgel, bis der nächste Part vom Piano geführt wird. Die Nummer ist ein echter Trip, ein Kurzfilm für das geistige Auge, musikalisch klasse umgesetzt, wenn vom Text her auch etwas abgedriftet. Aber das kennen wir von Keith Reid – der in einem Interview im Jahr 2008 darauf bestand, dass seine damaligen Texte von Büchern und nicht von Drogen beeinflusst waren – ja bereits. Musikalisch haben wir es hier ganz sicher mit dem ambitioniertesten Werk der Band zu tun, das sein hohes Ansehen in den Rock-Annalen definitiv auch verdient hat.

Selbst wenn mir persönlich sowohl das Debüt, als auch das Nachfolgewerk A Salty Dog noch besser gefallen, ist "Shine On Brightly" eine der besten Scheiben von Procol Harum. Nach dem schon erwähnten "A Salty Dog" fiel die Original-Band leider mehr und mehr auseinander, als sukzessive Matthew Fisher, David Knights sowie Robin Trower die Gruppe verließen. Aber das ist eine andere Geschichte, die in der Zukunft an anderer Stelle in diesem Magazin weitererzählt werden wird.

Wie beim Vorgänger ist auch der Sound dieses neu aufgelegten 180g-Vinyls butterweich, erdig warm und lässt keine audiophilen Wünsche offen.


Line-up Procol Harum:

Gary Brooker (piano, lead vocals)
Robin Trower (guitars, co-lead vocals – #A-4)
Matthew Fisher (organ, piano on last part of #B-2, co-lead vocals – #B-2)
David Knights (bass)
B.J. Wilson (drums)
Keith Reid (lyrics)

Tracklist "Shine On Brightly":

Side 1:

  1. Quite Rightly So [3:40]
  2. Shine On Brightly [3:32]
  3. Skip Softly (My Moonbeams) [3:47]
  4. Wish Me Well [3:18]
  5. Rambling On [4:31]

Side 2:

  1. Magdalene (My Regal Zonophone) [2:50]
  2. In Held Twas In I [17:31]

Gesamtspielzeit: 18:56 (Side 1), 20:23 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2017 (1968)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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