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Purified Black – Elvis Didn’t Do No Drugs / CD-Review

Wer als Kind im Dreck gespielt hat, dessen Immunsystem ist später härter drauf. Heißt es doch … Aber wer sich nicht die Finger schmutzig machen soll, weil dann ja auch mal die Kleider dreckig werden könnten und – um Himmels Willen – auch der Teppich und die Couch, der kämpft später mit Allergien und Berührungsängsten. Nun wollen wir uns kein medizinisches Wissen anmaßen, aber irgendwie verhält es sich mit der Musik doch manchmal ähnlich: Ein bisschen Schmutz tut gut und ist gesund und macht die Angelegenheit wesentlich authentischer als klinisch rein Produziertes. Im Falle der Konstanzer Band Purified Black ist der Schmutz besonders sichtbar – nein, hörbar. Er ist tiefschwarz und klebt wie Öl an den Händen, wird wie Kohlestaub mit inhaliert. Es gibt viel Schwarz – und doch klingt die Band rein und klar und direkt. Purified Black, eben.

Nach den beiden starken EPs I Can’t Tell You Who I Am und But I Can Cry What I’m Not hat man nun die Essenz der Band auf dem ersten Album in Komplettlänge gebündelt. Es besteht aus acht Songs der EPs (die der zweiten neu abgemischt, die der ersten sogar neu eingespielt) und aus vier neuen, bislang ungehörten Stücken. Die Gangart der Gruppe ist bei allen Songs klar: ein Spiel aus Licht und Schatten. Was auf dem Plattencover zu sehen ist, ist auf der CD (auch das passt zum Konzept: beidseitig pechschwarz in gerillter Vinyloptik) zu hören.

Purified Black präsentieren schon im Opener "City Of G.O.D." einen Wechsel aus pulsierendem Glühen und abwartendem Glimmen. Das mag sich arg poetisch lesen – doch auch der Klang der Band ist nunmal intensive Poesie. Der düstere und wuchtige Refrain wechselt sich ab mit der mystisch-wehmütigen Strophe. Verbindendes Element ist die oft gegenwärtige Hammondorgel. An ihrem Rotieren lässt sich zuweilen die Zündstufe in der Musik der Band erkennen. Mysteriös und abwartend, aber auch im Ruhigen stets unruhig und angespannt – oder zerstörerisch und bedrohlich oszillierend. Im Review zu "I Can’t Tell You Who I Am" habe ich das mal als 'Brachial-Elegie' bezeichnet …

Bei "Why Try" wirken Purified Black in der Strophe beinahe Trance-artig beschwipst und im Chorus exklamatorisch-expressiv. Hier hören wir die mitunter beste Leistung von Sänger Tico, der auffällig und angenehm 'anders' ist – kein Lehrbuch-Gesang, sondern ein wenig Psycho-Hörspiel mit ’schreienden' Vocals. Keine Sorge – nicht schräg, dafür aber authentisch. Bei "Liar", einem schweren Mid-Tempo-Monster, wird die verstörend-intensive Atmosphäre zu einem Höhepunkt getrieben. Man fühlt sich ja beinahe verfolgt! Besondere Hinhörer sind zudem "One Clear Thought" mit seinem langgezogenen Crescendo und der mit fast neun Minuten Spielzeit eindeutige Längengewinner "Step Inside" – klasse epische Lieblingsnummer für Prog-Freunde mit coolem B-Part im Black Sabbath-Klang.

Auch die vier brandneuen Stücke des Albums decken eine spannende Bandbreite ab. "Fat Boy" rockt roh und straight und schmutzig mit zerrenden Gesangseffekten. "Goldmine" (Dazu gibt es auch ein cooles Video mit Sänger Tico hinter einer Glassscheibe inklusive dem gewohnten Spiel mit Licht und Schatten) geht nicht minder geradeaus, klingt aber etwas wehmutsvoller und tiefsinniger und eignet sich eher als Anspielmöglichkeit fürs Rockradio. "Sorrows In Silence" ist etwas techniklastiger, etwas abgedrehter und wartet mit dem ersten Refrain fast die Hälfte der Spielzeit ab – ein kompakter Leckerbissen für die Prog-Fraktion. Und "Step The Rats Down" ist der vielleicht bis dato beste Song, den die Band abgeliefert hat. Die 'perfekte' Purified Black-Nummer. Die Strophe ist furchteinflößend geheimnisvoll, surreal verqeuer; der Chorus ist ein Dampfhammer, der das Potenzial hat, beim Konzert alle Köpfe und Fäuste zu synchronisieren.

Was für ein Brett. Auch, wenn ich Purified Black gern Freunden von Tool, Deadsoul Tribe, Cryptex oder Edensong ans Herz lege – wirklich vergleichbar scheinen sie nicht, prima so. Bereit für ein bisschen Psychotrip sollte man schon sein. Ganz ohne Drogen, nur mit eindringlicher Musik. Aber was sind schon Drogen – Elvis hatte schließlich mit Drogen auch nichts am Hut: "Elvis Didn’t Do No Drugs". Glückwunsch, Jungs, für dieses aufregende Purified Black-Debüt. Man darf gespannt sein, wohin diese musikalische Reise noch führen wird. Gut, dass ihr als Kinder im Dreck gespielt habt.

 


Line-up Purified Black:

Tico (vocals)
Fabian (guitar)
Paul (bass)
Maisch (keys, Hammond)
H. (drums)

Tracklist "Elvis Didn’t Do no Drugs":

  1. City Of G.O.D. (3:58)
  2. Follow Me (3:24)
  3. Liar (5:06)
  4. One Clear Thought (4:23)
  5. Step The Rats Down (4:54)
  6. Goldmine (4:01)
  7. Fat Boy (3:12)
  8. Why Try (4:41)
  9. Sorrows In Silence (3:24)
  10. Down An Out (3:03)
  11. Copy And Paste (2:37)
  12. Step Inside (8:53)

Gesamtspielzeit: 51:37, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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