Die Herkunft des seltsamen Bandnamens wird im beiliegenden Info-Material geliefert. Demnach saßen im Jahre des Herrn 2017 einst der Bassmann Ray und Schlagzeuger Tom beisammen, um einen schmissigen Namen für eine neue Band zu finden. Eine erhebliche Menge Feuerwasser soll dabei eine gewisse Rolle gespielt haben, aber nach achtundvierzig Stunden konnte man sich immer noch nicht auf eine Variante einigen und ihr Manager sagte wohl sinngemäß: »Mann, seid Ihr Pussies – Pussies auf dem Tanzboden.« Damit waren die Pussies On The Dancefloor geboren. Ihren Hang zu schrägen Titeln werden sie uns auch auf dem neuen Album "Rumors" präsentieren, wenn es zum Ende heißt: "Four Gay Dogs, A Flamingo And A Rubberduck". Vier schwule Hunde, ein Flamingo und eine Gummiente, cool, eine Konstellation, wie sie uns täglich im Leben begegnet. Oder etwa nicht?
Wer jetzt aber nur Gaudi erwartet, um es mit einem Terminus aus der Heimat der Band zu bezeichnen, der irrt gewaltig. Die Musik hat ein hohes Energie-Level und bietet durchgängig auch handwerklich starke, harte Rockmusik. Ihrem provokativ witzigen Namen werden die fünf Herren aus München eher in ihrer Selbstdarstellung und den schrägen Künstlernamen gerecht, die ein bisschen so klingen, als wären sie ebenfalls in einer Sauf-Session entstanden. Da orientiert man sich eben an dem teils schrillen Auftreten der alten Glam-Rocker. Und die Texte protzen immer wieder mal mit augenzwinkerndem Sex. Das klingt nach 'Sex’n’Drugs and Rock’n’Roll' und soll natürlich helfen, ein gewisses Image aufzubauen. Die Jungs »machen…richtig Bock auf eine dreckige Live-Show«, mutmaßte an dieser Stelle Kollege Jochen schon vor zwei Jahren beim Erstlingswerk. Schade, dass die aktuelle Situation auch hier keine Möglichkeit lässt, den Glam-Faktor auf der Bühne zu checken. Virus, go home!
Mötley Crüe und Guns’N Roses wurden bereits damals als Wurzeln verortet, und völlig überraschend hört man das auf dem zweiten Album immer noch heraus. Die Band gibt uns die volle Saiten-Kante, metallene Riffs, wilde Heavy-Hooks und geile Soli, von der Rhythmus-Abteilung mächtig auf Attacke gebürstet, die Pussies sorgen für jede Menge Bewegung in den Gehörgängen.
Gleich das Titelstück zu Beginn zeigt die Qualitäten der Band, die neben einem profunden Handwerk und ihrer grundsätzlich harten Ausrichtung sehr wohl auch mit Melodien zu spielen vermag. Da finden wir auf dem Album manche Hookline, die sich im Kleinhirn abspeichert. Das hat bisweilen Ohrwurmcharakter und das Gitarrensolo in der Ballade "For The Rest Of My Life pt2" ist zum Heulen schön. Will sagen, wir haben es mit gutem Songwriting zu tun. Es verwundert nicht, dass die Musik der Jungs bereits in diversen Radio-Shows gespielt wurde, die schmissigen Harmonien lassen sich auch gut an Hörer vermitteln, die nicht zwingend im Metal zuhause sind, "Never Ever" liefert gleich zu Beginn den Beleg dafür. Den Refrain kann man schon mal mitbrüllen. Was auch in den beiden ersten Nummern deutlich wird, sind die geschickt gesetzten Breaks. Nimm die Intensität oder das Tempo zurück, bevor Du zum Schlag ausholst – dann knallt es noch besser. Geht übrigens auch umgekehrt wie in "Abbie", das abgeht wie die Feuerwehr, aber einen völlig entschleunigten Refrain bereithält.
Auch wenn ich das Solo in "For The Rest Of My Life pt2" bereits herausgehoben habe, möchte ich diesen einzigen balladenhaften Song noch einmal besonders herausstellen. Die Melodik ist großartig, es gibt geradezu hymnische Momente. Viele große Bands haben ihre Erfolge oft gerade auf solchen Slow-Rock-Songs gegründet, man mag es den Münchnern ebenfalls wünschen. "3 Minutes", die Nummer, die auch nur drei Minuten dauert, zeigt kurz und knapp, wie die Harmonien in den Mainlines durch den geschickt eingesetzten mehrstimmigen Gesang unterstrichen werden, während die beiden Gitarren sehr schön korrelieren, mal gemeinsam kompakt, mal gezielt gegenläufig. Das klingt sehr eingespielt und geschmeidig. Wem das zu kuschelig wurde, freut sich auf "Blow It Away", eine krachend pure Metal-Nummer und ganz dem Titel entsprechend. "Razor’s Edge" schließt nahtlos an, hat aber ein sehr gängiges, domestiziertes Hauptthema und ein intensives geiles Solo, da geht echt die Post ab. Schick.
Und dann verlässt die Band kurz den Pfad, der bis hierhin insgesamt sehr deutlich markiert war. "Love = War" beginnt reflektiert und ohne Riffs, es kommt sogar ein Keyboard im Hintergrund zum Einsatz und vermittelt zunächst eine ganze neue Stimmung. Nach neunzig Sekunden werden wir jedoch wieder von wilden Saiten-Akkorden empfangen und zum Höhepunkt gibt es dem Titel angelehnt Sirenenklänge zu hören. Coole Nummer.
Das explosionsartige Intro zu "Proud And Horny" erinnert mich übrigens ein bisschen an den großen Saiten-Virtuosen Yngwie Malmsteen. Und wenn man gerade noch ’stolz und geil' war, kommt als nächstes der Song mit den komischen Tieren? "Four Gay Dogs, A Flamingo And A Rubberduck", was für ein abgefahrener Themenwechsel. Es ist der klassische Rausschmeißer, hat einen guten Groove und darum verzeihe ich den Jungs gerne auch das »Nananana Nana« im Refrain.
Diese Pussies aus München und ihre Musik haben einen hohen Spaßfaktor intus – rotzig, lässig und immer unter Volldampf. Doch der Spaß generiert sich vor allem aus der Qualität der Musik und eben nicht aus Glammer und Schau. Wie schon der Kollege damals sinngemäß schrieb: Eigentlich haben sie eine Show drumherum gar nicht nötig, die Musik spricht durchaus für sich selbst. Mir persönlich ist das Drumherum sowieso völlig Schnuppe, die meisten meiner Lieblingsmusiker sind auf der Bühne hinsichtlich ihrer optischen Präsenz eher Langweiler. Die stehen da weitgehend nur rum und machen schlicht ihr Ding. Das aber so, dass mir gepflegt das Blech wegfliegt. Jeder wie er mag. Letztlich zählt eh nur die Musik, und die ist auf "Rumors" richtig gut!
Also, a bisserl Gaudi geht halt allerweil und eine nette Portion Provokation tut gut in Zeiten um sich greifender politischer Über-Korrektheit. Dafür darf man auch schon mal schräge glamouröse Fummel anlegen, wie es das begleitende Material und der Web-Auftritt erahnen lassen. Und man darf gepflegt auch mal den Langen raushängen lassen, wie man gemeinhin so sagt. Natürlich rein metaphorisch gesprochen, sonst kommt der Freund und Helfer vorbei! Miau.
Line-up Pussies On The Dancefloor:
Leo 'Goldenvoice' Lightning (vocals)
Taylor Riff (guitar, backing vocals)
Phil 'Fastfinger' Fyre (guitar, backing vocals)
Ray 'The Brain' Dancefloor (bass, keyboards, backing vocals)
Tom 'Smashing' Timber (drums)
Tracklist "Rumors":
- Rumors
- Never Ever
- Abbie
- Broke But Rich
- For The Rest Of My Life Pt.2
- 3 Minutes
- Make Love Not War
- Blow It Away
- Razor’s Edge
- Love = War
- Proud And Horny
- Four Gay Dogs, A Flamingo And A Rubberduck
Gesamtspielzeit: 52:48, Erscheinungsjahr: 2021
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