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Raven / Can’t Take Away The Fire – CD-Review

Raven / Can't Take Away The Fire - CD-Review

Entschuldigung, ich habe mich in der Tür geirrt … ist aber trotzdem geil!

Wie heißt es doch so schön im breitesten Südwestpfälzisch: »Gälläghääää«!

(Dieser dialektische Gaumenschmaus stammt von einem nativen Bewohner der hessischen Landeshauptstadt und wurde und wird vom südwestpfälzischen Teil der Redaktion gerne zitiert [Anmerkung des betroffenen Teils der Redaktion])

Und schwupps wird das Karohemd und die hoffnungslos abgewetzte Luftgitarre hervorgekramt und "A Million Miles Away" entführt uns in selige rockmusikalische Tage ohne jedwedes Chichi.

Besagter Titel erschien im Original 1973, ein Jahr später sollte sich in der im Nordosten Englands gelegenen Metropole Newcastle upon Tyne eine Band gründen, die in ihrer musikalischen Ausrichtung dem Duktus des irischen Nationalhelden unverdächtig war, aber mit dem Brüderpaar John und Mark gleich zwei Gallaghers aufzuweisen hatte.
Diese Formation spielte sich noch live in den kleinen Clubs und Pubs den Arsch ab, bevor sie erst sechs Jahre später ihren ersten Plattenvertrag bei einem Low-Budget-Label ergattern konnte. YouTube und Ähnliches war halt noch nicht erfunden.
1981 erschien ihr hochgelobtes Debütalbum Rock Until You Drop und machte sie im Rahmen der grassierenden NWOBHM-Welle zum heißen Scheiß für Entdeckernaturen.

Nur wenig später entwickelten sie sich zu großen Impulsgebern der durchstartenden Sub-Genres Speed-/Trashmetal und Powermetal, spielten in den USA zusammen mit den ganz jungen Metallica auf der "Kill 'em All For One"-Tour als Co-Headliner und angelten sich mit Atlantic Records den vermeintlichen Sechser im Lotto noch eher, als das Metallica selbst oder beispielsweise Anthrax taten.

Nur warum hat der Rezensent noch nie etwas von Raven gehört?
Am Durchhaltevermögen kann es nicht liegen, denn die EP "Can’t Take Away The Fire" reüssiert gerade und eine Kurzrecherche konstatiert, dass das letzte Langeisen ("All Hell’s Breaking Loose") seit 2023 am Start ist. Es werden im Zusammenhang mit Raven und mit wem sie bereits die Bühne geteilt haben etliche klangvolle Genre-Namen aufgeführt: Motörhead, Iron Maiden, Testament, Kreator, Running Wild, Risk, Korn, Yngwie Malmsteen, Machine Head, Tank, HammerFall, U.D.O., Diamond Head, Girlschool, Accept.

Okay, es wäre vermessen nicht zuzugeben, dass sich der Rezensent beim Thema 'Gallagher' bildlich gesehen in der musikalischen Tür geirrt hat, aber ihm sind trotzdem alle aufgeführten Namen geläufig, nur Raven nicht. Dabei hat das Trio im Grunde immer kontinuierlich veröffentlicht und getourt, von einer längeren Pause aus gesundheitlichen Gründen mal abgesehen.
Liegt es etwa doch an der Qualität?

Nein, hier kann Entwarnung gegeben werden und alle Kenner*innen lachen sich kopfschüttelnd sowieso ins Fäustchen.
Kennzeichen von Raven war schon immer eine satte Mischung aus Geschwindigkeit, Kraft und Melodie, kulminierend in einen hochenergetischen, geradezu athletischen Spielstil. Dabei bleiben sie bis heute dem Motörheadkonzept – Gesang und Bass in Personalunion, Gitarre und Schlagzeug – treu, freilich ohne 'Roll'.

Gleich der Opener "Black And Blue" ist auf einem Energielevel, der dem vermuteten Alter der Gallagher-Brüder Lügen straft, gefolgt vom herrlichen Nackenbrecher "Hungry". Wirklich erstaunlich ist die Feststellung, dass John Gallaghers Organ exakt so durch die Gegend wütet und falsettiert, wie es seit dem Debüt zu bewundern ist. Bei aller metallischen Würze im höheren Geschwindigkeitsbereich, gerade der Titelsong demonstriert eindrücklich, dass Raven es kompositorisch faustdick hinter den Ohren haben und genau wissen, dass reines Gebolze nicht zum Ziel führt. In dieser Hinsicht überraschen sie dann fulminant mit dem letzten Stück der fünf neuen Studioaufnahmen dieser auf 1000 Stück limitierten und nummerierten EP, die allesamt von der Band handsigniert sind.

"The Wreckage" orientiert sich in seinem bluesigen Lavastrom am Debütalbum von Black Sabbath und offeriert ungeahnte Feinheiten im Saitenspiel von Mark Gallagher. Dieses zurückgenommene Tempo steht dem Trio hervorragend zu Gesicht und sorgt für Abwechslung. Hervorzuheben ist ebenfalls der seit 2017 an Bord befindliche Doublebass- und Felleverdrescher Mike Heller, der seine Batterie mit fast beängstigender Präzision und bei Bedarf mit unfassbarem Tempo zu bedienen weiß. Ergänzt wird das schöne Kleinod an EP, welches auch ein wertiges Booklet mit allen Texten beinhaltet, durch drei Livestücke aus dem Archiv, die die Zeit von 2022 bis 1984 zurückdrehen, allerdings klanglich gegenüber den Studiostücken teils stark abfallen und speziell die 1984er Amsterdam-Aufnahme ihrer ersten Single aus 1980 ("Don’t Need Your Money") kommt leider nicht über mageres Bootlegniveau hinaus.
Dafür glänzen die fünf Studiostücke mit einem Sound auf der Höhe der Zeit. Also vergesst die hochwertige 'Altherren'-Anlage für Hifi-Enthusiasten und stülpt euch den ANC-Hörer mit viel Bass über die Ohren. Selbige werden geteert, gefedert und getackert, denn wer will schon solche Mucke auf kammermusikalischem Niveau hören?

Fazit:
Der Gallagher Rory ist und bleibt für immer eine der herausragendsten Ikonen des Bluesrocks.
Der Rezensent hat gelernt, dass Wissenslücken auf seine eigene Kappe gehen und die Gallagher Brüder von Raven ebenfalls große Ikonen sind, nur in einem anderen Genre.

Darauf einen Gälläghääää!


Line-up Raven:

Mark Gallagher (guitar, vocals)
John Gallagher (vocals, bass)
Mike Heller (drums – #1-6)
Joe Hasselvander (drums – #7)
Rob Hunter (drums – #8)

Tracklist "Can’t Take Away The Fire":

  1. Black And Blue (3:07)
  2. Power Hungry (3:25)
  3. Can’t Take Away The Fire (3:51)
  4. Gimme A Lie (3:02)
  5. The Wreckage (6:21)
  6. The Power [Live In Clifton, New Jersey, 2022] (3:47
  7. Architect Of Fear [Live In Erlangen, Germany, 1991] (4:42)
  8. Don’t Need Your Money [Live In Amsterdam, Netherlands, 1984] (3:58)

Gesamtspielzeit: 32:15, Erscheinungsjahr: 2025

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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