»Raum ist in der kleinsten Hütte« – das wusste bereits Friedrich Schiller und schrieb diese Worte 1803 in seinem Gedicht "Der Jüngling am Bache" nieder. 'Kleine Hütte' mag für das vor zwei Jahren nach aufwändiger Renovierung wiedereröffnete Pößnecker Schützenhaus nicht zutreffen. Doch machte allein die Frage die Runde, was einen international gefragten Künstler wie Ray Wilson in eine 12.000 Einwohner zählende Kleinstadt verschlägt.
Etwa ein Jahr war dessen Gastspiel zuvor angekündigt worden und der Einladung folgten zahlreiche Fans, die dem Haus einen vollen Saal bescherten. Das Konzept ging für Fans, Musiker und den örtlichen Veranstalter auf, denn die gute Resonanz und die Kulisse sorgten für einen Wohlfühleffekt, der sich durch den ganzen Abend zog. Man merkte dem Publikum die Vorfreude auf das zweistündige Konzert an und die merklich auf Genesis eingestimmte Fangemeinde ging vom ersten Takt an stimmungsvoll mit. Schon nach den Auftakttiteln "Calling All Stations" und "That’s All" war das Eis gebrochen und der sprichwörtliche Funke von der Bühne auf das Publikum übergesprungen.
Der Ex-Sänger von Genesis, der in dieser Funktion 1996 die Nachfolge von Phil Collins antrat und bis zur Auflösung der Band 1999 dort am Mikro stand, quittierte die tolle Stimmung im Saal mit Ansagen vor jedem Titel und einer Spielfreude, der seine Bandkollegen in nichts nachstanden. Zur fünfköpfigen Begleitformation gehörten Bruder Steve Wilson (Gitarren und Hintergrundgesang), Kool Lyczek (Keyboards) Mario Koszel (Schlagzeug), Marcin Kajper (Bass, Saxophon, Flöte) und Alicja Chrzaszcz (Violine). Nicht mit dabei auf der aktuellen Tour ist Gitarrist Ali Ferguson, der zuletzt noch bei der Produktion ZDF @ Bauhaus als siebentes Bandmitglied mitwirkte.
Die jeweilige Instrumentierung machte aus den Genesis-Welthits, die den Großteil des Programms ausmachten, wahre Perlen. Wilson und seine Musiker coverten nicht bloß, sie interpretierten die Klassiker auf individuelle Weise neu, wie das folkloristisch angehauchte "Follow You, Follow Me" an einem Beispiel verdeutlichte. "In The Air Tonight" begann Ray Wilson mit einer Ein-Mann-Akustik-Version, ehe sich die Kollegen nach und nach einschalteten und der Titel mehr und mehr an Dynamik aufnahm. Immer wieder reizvoll, wie der Sänger den Song "Mama" interpretiert, der nach eigenen Aussagen auch sein Lieblingslied ist.
Der Satzgesang der Wilson-Brüder verleiht den Genesis-Liedern einen außergewöhnlichen Klang. Das Salz in der Suppe waren aber als Zugabe die Violine von Alicja Chrzaszcz sowie der Saxophoneinsatz von Marcin Kajper, der sich auf der Bühne Bass, Saxophon und Flöte teilte. »Ich bin begeistert. Phil Collins singt normalerweise zwei Oktaven höher, aber Ray Wilson macht seine Sache sehr gut«, bescheinigte Besucher Alexander Post vom Pößnecker Musikduo Saitensprung dem Gast eine exzellente Leistung.
Der Fleißarbeiter Ray Wilson, der inzwischen fast jedes Jahr ein neues Soloalbum einspielt, hätte theoretisch auch ein Programm ausschließlich mit eigenen Titeln vortragen können. So aber war es ein gefühltes Genesis-Konzert. Dazu gehörten ebenfalls die Solotitel von Peter Gabriel ("In Your Eyes", "Solsbury Hill"), die für einen Großteil der Anhängerschar zum musikalischen Erbe der erfolgreichen Band gehören.
Genesis wurden 1967 gegründet und nachträglich zum 50. Geburtstag gibt es von Ray Wilson das "Genesis Classic" überschriebene Tourprogramm. Der Sänger geht darin auf, ohne sich von seinen musikalischen Wurzeln zu verabschieden. Wilson ist stilistisch zwischen Rock und Pop schwer auszumachen, in seinen Produktionen gibt es Akustik-Stücke neben Rockmusik.
Der Abend klang mit der Coverversion von "Knockin' On Heaven’s Door" als dritte Zugabe aus. Ein Konzert, das in Pößneck in einer ähnlichen Form nach einer Zugabe verlangt und dank abwechslungsreicher Unterhaltung nur zufriedene Gesichter in die Nacht entließ.
Auch ließ es sich Ray Wilson nicht nehmen, nach dem Konzertreigen das Gespräch mit den Fans zu suchen. Im Anschluss stand er noch lange für Autogrammwünsche und Fotos zur Verfügung.
Ein herzlicher Dank geht an Madlen Scholz vom Veranstaltungsmanagement der Stadtmarketing Pößneck GmbH für die Akkreditierung.
Line-up Ray Wilson & Band:
Ray Wilson (vocals, guitars)
Steve Wilson (guitars, vocals)
Kool Lyczek (piano, keyboards)
Marcin Kajper (Bass, Saxophone, Flute)
Mario Koszel (drums, percussion)
Alicja Chrzaszcz (violin)
Setlist:
- Calling All Stations
- That’s All
- Land of Confusion
- Lemon Yellow Sun
- Take It Slow
- There Must Be Some Other Way
- First Day of Change
- In Your Eyes
- The Carpet Crawlers
- Propaganda Man / More Propaganda
- No Son of Mine
- Home by the Sea
- Follow You Follow Me
- Song for a Friend
- In the Air Tonight
- Solsbury Hill
- Alone
- Makes Me Think of Home
- The Dividing Line
- Mama
Zugaben:
- Congo
- Inside
- Knockin' On Heaven’s Door
Neueste Kommentare