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Reinhard Mey / Menschenjunges – LP-Review

Reinhard Mey - Menschenjunges LP-Review

Hachja! So ein kleines, frischgeschlüpftes "Menschenjunges" ist doch immer wieder ein anrührender Anblick. Wenn es so daliegt, in seiner Unschuld und Hilflosigkeit, dann kann sich wahrscheinlich kaum jemand diesen berührenden Gefühlen entziehen. Und wenn man zu diesem kleinen Bündel Mensch in irgendeiner direkten, persönlichen Beziehung steht, dann geht das Gefühl noch viel tiefer. Vielleicht fängt man auch an zu sinnieren, was wohl das Leben für dieses Menschlein bereithalten wird und was man ihm wünscht. Den Titelsong "Menschenjunges" seines achten Albums hat Reinhard Mey unter den Eindrücken der Geburt seines ersten Sohnes geschrieben. Ein Lied voller Liebe und Zuneigung war Namensgeber dieser Platte, die jetzt wiederaufgelegt wurde.

Reinhard Meys erste acht Platten erfahren diese Ehre und erscheinen einzeln und als Box in edler 180g-Ausführung. Lang waren sie vergriffen, jetzt warten sie darauf, in die Regale von Liebhabern und Sammlern zu gelangen. Beigelegt ist ein Downloadgutschein für all die Gelegenheiten, bei denen die digitale Lösung einfacher zu handhaben ist.

Mein Song mit dem 'Muss ich haben'-Faktor auf dieser Platte war aber nicht das Titellied, sondern die aberwitzige Suche nach dem "Antrag auf Erteilung eines Antragformulars". Die hatte ich vor Ewigkeiten einmal im Radio gehört. Doch bei jeder Steuererklärung, Kindergeldbeantragung und all den anderen schönen bürokratischen Vorgängen trällert seither mein Hinterkopf »Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftsexemplars, dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt, Zum Behuf der Vorlage beim zuständ’gen Erteilungsamt….«.

Bissig und wortwitzig kommt auch "Wem Gott die rechte Gunst erweisen will" daher, in dem Mey all die Tourerfahrungen (von winzigem Honorar, Alkohol in den den verschiedensten Überdosierungen bis hin zu Unfällen und Krankheiten) jeweils auf die Ortsnamen reimt. "Mein erstes graues Haar" ist recht nachdenklich, sogar ein bisschen melancholisch. "Ist mir das peinlich" verführt zum Schmunzeln. Eine ganze Fettnapfrallye baut er auf und platscht ganz munter von einem zum anderen. Auf dem langweiligen Stehempfang, bei der er dem Gastgeber vorschlägt, in die nächste Kneipe flippern zu gehen, landet er genauso sicher im Fettnäpfchen wie im Kleiderschrank der Nachbarin.

Das gleichnamige Bilderbuch von Jörg Müller und Jörg Steiner diente als Vorlage für "Der Bär, der ein Bär bleiben wollte". Mey setzt die irrwitzige Geschichte des Bären, der im Winterschlaf eine Fabrik vor den Bau gesetzt bekommt, in eine Ballade um. Beim Erwachen im Frühling gerät er in die Fänge der Firmenhierarchie, keiner glaubt ihm, dass er ein Bär ist. Auch die Experten in Zoo und Zirkus akzeptieren ihn nicht als solchen und so landet er am Fließband der Fabrik. Erst als im Herbst die Instinkte wieder durchbrechen und er immer wieder einschläft, weil es Zeit für den Winterschlaf wird, wird er gefeuert und beim Versuch in einem Motel einzuchecken rausgeworfen, da Bären nicht beherbergt werden… klingt absurd, ist aber witzig umgesetzt.

"All' meine Wege" und "Eh meine Stunde schlägt" sind weitere nachdenkliche und selbstkritische Nummern, die das Album abrunden. Reinhard Mey meistert auch auf dieser Platte die Kunst, nicht ganz leichte Kost für alle Lebenslagen tiefgründig und doch bekömmlich zu präsentieren.


Line-up Reinhard Mey:

Reinhard Mey (Gesang, Gitarre)
RIAS Tanzorchester

Tracklist "Menschenjunges"

Seite 1

  1. Wem Gott die rechte Gunst erweisen will (4:23)
  2. Mein erstes graues Haar (3:53)
  3. Ist mir das peinlich (3:10)
  4. An meinen schlafenden Hund (4:17)
  5. Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars (5:40)
  6. All' meine Wege (3:25)
Seite 2

  1. Menschenjunges (5:20)
  2. Der Bär, der ein Bär bleiben wollte (10:55)
  3. Ihr Lächeln (4:08)
  4. Eh' meine Stunde schlägt (3:23)

Gesamtspielzeit: 39:14, Erscheinungsjahr: 2017 (1977)

Über den Autor

Sabine Feickert

Hauptgenres: Rock, Deutschrock, Mittelalter, 'leise Töne'
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