Zu den ganz großen Namen gehört der Schweizer Reto Burrell zwar noch nicht, aber nach zwanzig Jahren im Business und jetzt stolzen zehn Studioalben hat er sich eine feste Fangemeinde erspielt, die auch immer weiter zu wachsen scheint. Offensichtlich zu Recht, denn wenn ein Musiker über die Jahre mit vier unterschiedlichen Alben auch vier Mitarbeiter der RockTimes-Redaktion überzeugen kann, dann mag das durchaus etwas heißen. Für sein aktuelles Werk "Shampoo Or Gasoline" wandte Burrell einen Trick an, den beispielsweise auch die Rolling Stones immer gerne praktiziert haben. Nämlich direkt nach Abschluss einer Tour noch in ein Aufnahmestudio einzuchecken, um das noch vorhandene Adrenalin sowie das vertraute Zusammenspiel der Musiker auszunutzen und so ein frisches Live-Feeling in die neuen Songs und Aufnahmen zu packen. So sind in den EPM Studios ein Dutzend neuer Tracks entstanden, von denen lediglich einer mit Gastmusikern eingespielt wurde.
Der Frontmann und seine vier Mitmusiker präsentieren hier eine Mischung aus Americana und Rock, aus der gleich mehrere Nummern, so wie etwa die mit ihren starken Refrains umgehend ins Ohr gehenden "On Top Of The Moon" sowie "Robin Hood", herausstechen. Sehr rockig mit ordentlichem Punch geht es beim zweitgenannten Titel zur Sache, selbst wenn die Akustik-Gitarre zunächst die führende Rolle übernimmt. Die Band ist unwahrscheinlich tight zusammen und sorgt für einen guten Drive, während der Frontmann Akzente mit seiner Harmonika setzt. Deutlich nachdenklicher und ruhiger geht es bei "In A Bucket With A Hole" zu, wobei auch hier die sehr guten Gesangsmelodien vorhanden sind. Auch textlich ist der Schweizer sehr gewandt, was unter anderem die Zeilen des Refrains »I’m not angry at you laughing when I’m crying in a bucket with a hole« aufzeigen, während sich der Protagonist ständig fragt, wann dieser Eimer mit einem Loch drin endlich mit seinen Tränen bis zum Rand voll ist, damit er endlich aufhören kann zu weinen.
Nicht wirklich überraschend hat Burrell auch eine sehr starke Band am Start. Seine Gitarre verzahnt sich perfekt mit der zweiten von Ewald Heusser, der Bass von Toby Bachmann klingt warm und voll, Chris Filter an den Drums legt mit sehr viel Feeling immer den perfekten 'Teppich' und die Tastenarbeit von Thomas Kull sorgt für warme Orgel-Klänge. Ebenfalls klasse kommt "Tell Me Why", geschrieben aus der Sicht eines Kindes, das seinem Vater auch heutzutage noch berechtigte Fragen (wie »Why do we all have to die?, Why is Santa not a woman?, Why did they ban good music from the radio?«) stellt, deren Beantwortung man für sich selbst über die Jahrzehnte meist bereits aufgegeben hat und phlegmatisch in ein achselzuckendes »Ist halt so…!« getaumelt ist. "Carried Away" verfügt mit seinem Gitarrenspiel sogar über leicht fernöstliche Züge, die dann aber wieder mit einer bluesigen Harmonika gekontert werden. Rein mal bezüglich der Abwechslung der zwölf Songs kann man dem Künstler also schon mal eine sehr gute Note attestieren.
"Like Zombies And Toys", das letzte Stück der Scheibe, hat Reto Burrell mit den Musikern von Maple Tree Circus eingespielt. Eine feine Bluegrass-Nummer mit erneut sehr kritischem Text hinsichtlich des stumpfen Hinnehmens der Gesellschaft von Vorgesetztem, statt immer wieder auch mal zu hinterfragen und seinen Kopf ein bisschen einzuschalten. Leider ist dieser Spaß nach knapp neunzig Sekunden schon wieder zu Ende, das hätte ruhig ein bisschen länger laufen können. "Rising To The Bait" eröffnet die Scheibe mit einem groovenden Blues Rock-Riff, gefolgt von dem straight nach vorne rockenden Titelsong, der erneut die Stärken des Protagonisten in Sachen Songwriting und Umsetzung unterstreicht. Dass Reto Burrell ganz genau weiß was er will, macht auch die Tatsache klar, dass er "Shampoo Or Gasoline" selbst produziert hat.
Dieses Album ist eine Rechnung, die zu 100 % aufgeht!
Line-up Reto Burrell:
Reto Burrell (acoustic & electric guitars, harmonica, lead vocals)
Ewald Heusser (electric guitars)
Thomas Kull (B3 organ, piano, Wurlitzer, Juno60, accordion)
Toby Bachmann (bass)
Chris Filter (drums & percussion, background vocals)
With:
Sebastian Schwarz (banjo – #12)
Fabio Erni (acoustic guitar – #12)
Lukas (fiddle – #12)
Kevin (upright bass – #12)
Tracklist "Shampoo Or Gasoline":
- Rising To The Bait
- Shampoo Or Gasoline
- On Top Of The Moon
- Blind (Everything Is Fine)
- Where Is Robin Hood?
- In A Bucket With A Hole
- Shout It Out
- Tell Me Why
- She Says She’s American
- Carried Away
- Leaving Scars Behind
- Like Zombies And Toys
Gesamtspielzeit: 45:20, Erscheinungsjahr: 2018
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