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Rich Hopkins And Luminarios / My Way Or The Highway – CD-Review

rich hopkins and luminarios-my way or the highway

Meine letzte Berührung mit dem Wüstenrock liegt eigentlich schon ein paar Jahre zurück. 2005 trug meine Heimatstadt Duisburg die Worldgames aus, sozusagen die Olympischen Spiele der nicht-olympischen Sportarten. Im kulturellen Begleitprogramm verzauberte uns damals eine Band, die aus dem Dunstkreis staubtrockener Ebenen und heulender Kojoten stammend gerne auch mal die texanische Grenze gen Mexico überschreitet: Joey Burns mit seiner Combo Calexico. Das Konzert hat lange nachgewirkt, umso erstaunlicher, dass ich erst jetzt durch die vorliegende Bemusterung auf Rich Hopkins And Luminarios aufmerksam wurde. Ein schwerwiegender Fehler, das ist mir jetzt klar.

"May Way Or The Highway" konfrontiert uns mit einer Melange aus Roots-Musik, Folkrock, ein bisschen Country und viel psychedelisches Sechziger-Jahre- Feeling, etwa Bob Dylan meets Crazy Horse meets Tom Petty meets The Byrds. Man könnte die Liste der Vergleiche und Wurzeln sogar noch ein Stück weit weiterführen. Ganz offensichtlich ist es eine große Leistung von Rich Hopkins, diese Stile einzufangen und mit seiner tief emotional und so herrlich kratzig, schwelgend gespielten Gitarre zu einem Heimat- und Erdverbundenen, authentischen Sound zu verschmelzen. Ein Sound, der die Weite und die schroffe Unberührtheit der Wüste ausatmet. Und ja, seine Soli haben ein bisschen was von Neil Young, das wird sicher nicht zum ersten Mal bemerkt worden sein.

Das Album führt uns durch klassische Song-Strukturen, wo uns ein paar Reminiszenzen aus legendären Nummern wie "Like A Rolling Stone" oder der »jingle-jangle morning« eines "Mr. Tambourine Man" begegnen und die in den härteren Passagen eine gewisse Verwandschaft mit den sehr geschätzten Walkabouts nicht verleugnen können, die ihren folkigen Independent-Rock ihrer Herkunft Seattle entsprechend ein kleines Stück näher am damals so populären Grunge anlegten. Wenn die Luminarios mal richtig abgehen, sind sie manchmal auch nicht allzu weit davon entfernt. "I Don’t Want To Love You Anymore" möge Zeuge sein.

Gesanglich bietet das Album ganz viel Abwechslung, denn Rich überlässt die vokalen Parts immer wieder mal dem einen oder anderen, eben nicht nur seiner Gattin Lisa Novak. Wenn in "Meant For Mo'" mit Cesar Aguirre ein anerkannt bekannter Rapper den eingesprochenen Gesang übernimmt, dann klingt das für mich eine ganze Menge mehr organisch und gewachsen als seinerzeit die Modernisierungskampagnen des Herrn Santana. Rich baut den Rap atemraubend in sein hier besonders eindrucksvolles Gitarrenspiel ein, da ist nichts dem Zufall oder gar kalkulatorischen Erwägungen überlassen, das fühlt sich so an, als müsse es genau so klingen.

"Lost Highway", eine kleine akustische Klangmalerei, weckt ein paar Assoziationen an "Desperados", den bleihaltigen Ballerwestern von Robert Rodriguez, wo Antonio Banderas mit seinem Gitarrenkoffer voller absonderlicher Knarren eine Barbelegschaft nach der anderen in die ewigen Jagdgründe befördert. Nicht ganz verwunderlich, denn dort sorgt ein gewisser Tito Larriva mit seinen Tarantulas für den mitreißenden Soundtrack – und Tito hat sicherlich auch seine Schnittmengen mit Rich.

"Journey To Palenque" erscheint beinahe wie die Wüstenversion des Auftakts zur Floydschen Reise zur dunklen Seite des Mondes, coole und fast gespenstisch sphärische Klänge. Aber keine Sorge, schon "Chan Kah" nimmt mit Richs wunderbar kratzig, warmer Gitarre jeden verirrten Wüstenwanderer bei der Hand und führt uns mit herrlichen Harmonien in einen Hort stiller Entrücktheit und emotionaler Exkurse, nur um in "Gnashing Of Teeth" noch einen draufzulegen. Sein getragenes Intro mäandert irgendwo zwischen "Freebird" und "Cortez The Killer", schwebt und wächst, befeuert von psychedelischem, mehrstimmigen Gesang und Jon Sanchez’s eloquenter Untermahlung in ein kulminierendes Feuerwerk. Licks aus dem Sonnenuntergang eines späten John Wayne-Films, die mit den Rauchzeichen friedlicher Indianer in die Sphären des großen Manitus driften. Die Gänsehaut kriecht wie eine Klapperschlange in mein Befinden und die eigentlich wüstenerprobten Gäule gehen mit mir durch. Ein Song wie eine Erlösung.

Fast ein wenig schade, dass ein eher belangloses Stück danach das Gesamtwerk beendet, für mich wäre nach Nummer elf ein feiner Schluss geboten gewesen, danach ist eigentlich alles gesagt. Aber Mann, da jammere ich auf ziemlich hohem Niveau, vielleicht braucht es am Ende ja den Durchatmer.
"My Way Or The Highway" präsentiert uns ein feines Stück lebendiger und vor allem von Herzblut tief gesättigter Musik, ein "My Way" eines alten Fahrensmannes, der aus seiner Seele längst keine Mördergrube mehr macht. Wenn wir seinem Weg folgen, dann führt uns das in ehrliche, den eigenen Wurzeln verbundene Pfade – Wege durch eine Wüste, wie viele von uns sie nie gesehen haben. Voller Sehnsucht, Schroffheit und Weite. Rich Hopkins und seine Kapelle sind der Wind, der den trockenen Sand über die endlosen, lebensfeindlichen Ebenen treibt und in Blüten purer Schönheit erblühen lässt. Dass ich das erst jetzt entdeckt habe, erschreckt mich ein bisschen und erfüllt mich dennoch mit der Freude, den Desperados demnächst auch in unseren Gefilden begegnen zu können. Im Mai 2017 bläst der Wüstensturm über zahlreichen deutschen Städten, die Gelegenheit werde ich mir nicht entgehen lassen.


Line-up Rich Hopkins and Luminarios:

Rich Hopkins (guitar, vocals)
Lisa Novak (vocals, guitar, percussion)
George Reiff (bass)
Steve McCarthy (drums, percussion)
Jon Sanchez (guitar # 3, 11, mellotron # 11, synthesizer # 6)
Eric Hisaw (guitar # 1, 4, 7)
Derek Morris (keyboards # 1, 10, 12)
Lars Gorranson (synthesizer # 8, flute 1)
Damon Barnaby (guitar # 4)
Duane Hollis (bass # 4)
Winston Watson (drums # 4)
Cesar Aguirre (rap vocals # 6)
Paul Beebe (bass # 2, 6, vocals 2)

Tracklist "My Way Or The Highway"

  1. Angel Of The Cascades
  2. Gaslighter
  3. Want You Around
  4. If You Want To
  5. Lost Highway
  6. Meant For Mo'
  7. Hell Or High Water (Married Go 'Round)
  8. I Don’t Want To Love You Anymore
  9. Journey To Palenque
  10. Chan Kah
  11. Gnashing Of Teeth
  12. Walkaway Again

Gesamtspielzeit: 55:08, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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4 Kommentare

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  1. El Pres

    RICH HOPKINS & LUMINARIOS – My Way Or The Highway-European-Tour Mai 2017:

    05.05.17 Hannover-Isernhagen/Blues Garage
    06.05.17 Bordesholm/Albatros
    07.05.17 Berlin/Maschinenhaus in der Kulturbrauerei
    08.05.17 Berlin/Rock Steady Records Shop
    09.05.17
    10.05.17 Hamburg/Downtown Blues Club
    11.05.17 Eppstein/Wunderbar Weite Welt
    12.05.17 Villingen-Schwenningen/Scheuer
    13.05.17 Essen/Grend
    14.05.17 Wesel/Karo
    15.05.17 CH-Zürich/El Lokal
    16.05.17 Heilbronn/Red River Saloon
    17.05.17 DAY OFF
    18.05.17 Frankfurt/Zoom
    19.05.17 Olsberg/Alter Bahnhof Bigge – Linie 73
    20.05.17 Singwitz/Kesselhaus Lager
    21.05.17 Bad Brambach/Cafe Grenzland
    22.05.17 Dresden/Jazzclub Tonne
    23.05.17 Erfurt/Museumskeller
    24.05.17 Meidelstetten/Adler
    25.05.17 DAY OFF
    26.05.17 Halle/Objekt 5
    27.05.17 Zschopau/Schloss Wildeck Open Air
    28.05.17 Zwickau-Lichtentanne/St. Barbara

    1. Sabine

      Danke für die Termine! Das ist mal ein echt toller Service 😉

  2. Michael Breuer

    Glaub ich gerne – hab mir direkt nach der Bemusterung die Rockpalast-Aufnahme geordert. Was soll ich sagen? Eigentlich ohne Worte, und "Paraguay" ist ein Erlebnis der besonderen Art, das geht durch die Haut bis auf die Knochen. Freue mich sehr auf die Tour im Mai – da bin ich dabei.
    Viele Grüße, Michael

  3. Guenter Lotz

    Der muss Live gesehen werden! Ganz große Klasse!

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