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Ringo Starr / Zoom In – EP-Review

Ringo Starr / Zoom In

Frieden und Liebe trotzen den Unwägbarkeiten der dunklen Gegenwart und schenken ein kleines Licht

Die Corona-Pandemie verändert die Welt … so wie wir sie kannten. Der Klimawandel tut dies auch, allerdings zeitlich nicht so komprimiert und die negativen Folgen sind scheinbar für viele immer noch sehr weit weg oder gar überhaupt nicht relevant. Des Rezensenten Zwillingssohn, der Jüngere, will jetzt Wassermelonen im Garten heimisch machen – ein für die norddeutsche Tiefebene absolut naheliegendes Unterfangen.
Beiden weltverändernden Ereignissen gemein ist allerdings eine fortschreitende politische Spaltung der Gesellschaft. Die handelnden und in Verantwortung stehenden Personen geraten zunehmend ins Fegefeuer der Kritik, im Zweifel von allen Seiten, und das Vertrauen der Bevölkerungen schwindet. Sicherlich eine der Hauptursachen für den weltweit zu beobachtenden Trend zur steigenden Affinität hinsichtlich autokratischer Macker mit vermeintlich ganz einfachen Lösungen für komplexe Probleme.

Diese Entwicklungen müssten einer Persönlichkeit wie Ringo Starr – für die eventuell hier anwesenden jüngeren Leser*innen: Der war mal Schlagzeuger bei der erfolgreichsten Boygroup aller Zeiten – den Beatles – ganz gewaltig auf den Sack gehen und zunehmend graue Haare zu Berge stehen lassen. Stattdessen hockt der gute Mann, der in diesem Sommer 81 Jahre jung wird, in seinem L.A.-Domizil ganz brav im (persönlichen) Lockdown, hat sein Haus nach eigener Aussage innerhalb der letzten zwölf Monate lediglich sechsmal verlassen und schaut in Videokonferenzen wie das blühende Leben eines Mittfünfzigers aus, der nichts an seiner optimistischen sowie lebensbejahenden Ausstrahlung eingebüßt hat und unverdrossen wie einnehmend an seinem Lebensmotto festhält: 'Peace and Love!'

Sein alter Boygroup-Mitstreiter Paul McCartney hat ja bekanntlich das letzte Lockdown-Jahr kreativ und produktiv genutzt, um seine McCartney-Trilogie nach 1970 ("McCartney") und 1980 ("McCartney II") doch noch abzuschließen ("McCartney III"), vollkommen im Alleingang eingespielt, aufgenommen und produziert und von der Kritik mehr als wohlwollend aufgenommen.
Ringo Starr stand dagegen nie im Verdacht ein musikalisches Multi-Talent zu sein – er singt halt gerne, ohne dies besonders gut zu können und trommelt wie kein Zweiter, ohne jemals in Versuchung zu geraten, dabei besondere Virtuosität demonstrieren zu müssen. Aber Ringo ist ein Sympath mit einem jahrzehntelang aufgebauten Netzwerk. Er weiß zwar nicht, wie sein eigenes Home Recording-Studio technisch funktioniert, kennt dafür aber 'Gott und die Welt', so dass er jederzeit für jeglichen Anlass die richtigen Leute akquirieren kann. Und da er nun mal zwei Jahre älter ist als Sir Paul, hat Ringo beschlossen, fürderhin nur noch EPs zu produzieren, die sind kürzer und schneller realisiert als komplette Alben.

So verfasste Diane Warren (schrieb neun Nummer Eins-Hits der Billboard Hot 100) mit "Here’s To The Nights" Ringos Variante der Band Aid und USA For Africa-Star-Versammlungen und im entsprechenden Video sind dann auch – pandemisch korrekt per Video-Schalte – Leute wie Paul McCartney, Joe Walsh (Eagles), Sheryl Crow, Lenny Kravitz, Chris Stapleton, Ben Harper, Dave Grohl (Nirvana, Foo Fighters, Queens Of The Stone Age), Steve Lukather (Toto), Nathan East (Eric Clapton, Toto) oder Benmont Tench (Tom Petty & The Heartbreakers) zu sehen und zu hören.

Jeff Silbar (Bette Midler, Kenny Rogers, Dolly Parton) verantwortet zusammen mit der Nashville-Allzweckwaffe Joe Turley den Titelsong, der durch Robby Kriegers (Doors) unnachahmliche Saitenarbeit veredelt wird und sich im Albumtitel bestimmt nicht zufällig auf die erste Hälfte reduziert ("Zoom In Zoom Out").

Zusammen mit Sam Hollander, der als Songwriter und/oder Produzent für insgesamt 22 US Top 40 Pop Hits verantwortlich zeichnet, wird Ringo der Tango gelehrt ("Teach Me To Tango"), im Verbund mit dem jamaikanischen Gitarristen Tony Chin, der im Booklet und auf dem Promo-Waschzettel fälschlicherweise als Tony Chen ausgewiesen wird (ein preisgekrönter New Age- und Soundtrack-Komponist an den Tasten) und in seiner Vergangenheit bereits mit Größen wie Leslie Butler, Burning Spear, Johnny Clarke oder Big Mountain spielte, wird mit entspanntem Reggae-Groove versucht das Blatt zu wenden ("Waiting For The Tide To Turn") und schließlich geben ihm das aktuelle Toto-Frontduo Steve Lukather und Joseph Williams mit archetypischer Rhythmik unmissverständlich mit auf den Weg, dass es nicht genug Liebe auf der Welt gäbe ("Not Enough Love In The World").

Fazit:
Nicht umsonst sagt sich Ringo Starr, dass ein Lebensmotto auf einem Bein schlecht stehen kann. "With A Little Help From My Friends" wurde ihm schon früh auf den Leib geschrieben und sorgt auch heute noch in knapp zwanzig Minuten für kurzweilige Pop-Rock-Musik in absolut klassischer Tradition, welche wohl kaum die Welt verändern wird … aber selbige in finsteren Zeiten ein kleines bisschen heller macht!


Line-up Ringo Starr:

Ringo Starr (drums – #1-5, vocals – #1-5, percussion – #2,3,5, drum fill – #3)
Steve Lukather (guitar – #1,5, background vocals – #5)
Nathan East (bass – #1,4)
Benmont Tench (piano – #1,2, organ – #2)
Bruce Sugar (synth guitar – #1,4)
Jim Cox (string arrangement – #1  synth strings – #1)
Charlie Bisharat (violin – #1)
Jacob Braun (cello – #1)
Amy Keys & Windy Wagner (background vocals – #2)
Robby Krieger (guitar – #2)
Jeff Silbar (bass – #2, guitar – #2)
Grant Michaels (keyboards – #3)
Josh Edmondson (guitar – #3)
Sean Gould (guitar – #3)
Kavah Rastegar (bass – #3)
Candace Devine (background vocals – #3)
Zelma Davis (background vocals – #3,4)
Charity Daw (background vocals – #3)
James King (horns – #3)
Blair Scinta (drums – #3)
Hal Rosenfeld (percussion – #3)
Sam Hollander (background vocals – #3)
Tony Chin (guitar – #4)
Ed Roth (Hammond B3 – #4)
Joseph Williams (keyboards & background vocals – #5)

Guest Vocals:
Paul McCartney (#1)
Joe Walsh as well as Corinne Bailey Rae (#1)
Eric Burton (Black Pumas) (#1)
Sheryl Crow (#1)
Finneas (#1)
Dave Grohl (#1)
Ben Harper (#1)
Lenny Kravitz (#1)
Jenny Lewis (#1)
Steve Lukather (#1)
Chris Stapleton and Yola (#1)

Tracklist "Zoom In":

  1. Here’s To The Nights (4:06)
  2. Zoom in Zoom Out (3:57)
  3. Teach Me To Tango (3:08)
  4. Waiting For The Tide To Turn (3:54)
  5. Not Enough Love In The World (4:16)

Gesamtspielzeit: 19:21, Erscheinungsjahr: 2021 (EP-CD, EP-Vinyl, Cassette & Digital)

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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