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Riot In The Attic / Dawn – CD-Review

Riot In The Attic / Dawn

Nachdem ich die 2017er Veröffentlichung Under The Sun ausgiebig beleuchten durfte, hab ich nun den Nachfolger, "Dawn", bereits mehrfach in meinem Player rotieren lassen.
So viel sei schon mal vorab gesagt: Es hat sich hinsichtlich der musikalischen Stile der Band nicht viel geändert und das ist auch gut so. Denn dieser Mix aus Classic/Garage/Heavy/Stoner- und Prog Rock hat sich offenbar bewährt und der Band bisher nicht geschadet. Warum auch?

Der Opener "Head High" (ein Hinweis auf das, was uns noch erwarten wird?) beginnt mit einem Intro, das erst einmal ein Fragzeichen in meinem Gesicht hinterlässt: Satzgesang, Händeklatschen – bis nach zehn Sekunden der berühmte 'Schlag in die Magengrube' erfolgt. Riot In The Attic machen keine Gefangenen und legen schon mal ordentlich vor. Leider ist das Stück lediglich 2:17 Minuten lang (eine für einen Stonerrock-Song übrigens völlig unübliche Spielzeit), das mit einem herrlichen Gitarrensolo endet.

Das fünfminütige "Black Swan" überrascht mit hörenswerten Melodiebögen, sattem Sound und rotzigem Gesang. Irgendwie hab ich plötzlich Black Label Society im Ohr. Ein eingestreutes, wohldosiertes Gitarrensolo rundet die Nummer ab.
Es folgt fast acht Minuten lang "Astrovision", das eine leicht melancholische Stimmung verbreitet. Die Band erschuf hier ein wunderschönes, atmosphärisch-psychedelisches Soundgefüge. Es gab Zeiten, da hätte man sich in solchen Fällen vermutlich die eine oder andere bewusstseinserweiternde Substanz eingeworfen. Der eindringliche, unter die Haut gehende Gesang passt sich dieser Stimmung entsprechend an. Der Bass blubbert phasenweise stoisch vor sich hin, plötzlich fällt mit voller Wucht die 'Axt' ein und 'zerschlägt' das filigrane Gespinst, bis sich die Klampfe wieder zurück nimmt und sich nur noch als flirrendes Gewebe über den Tieftöner legt. Ein Song mit mehrfachen Rhythmus-Wechseln, der sich zum Ende hin steigert bis zur völligen Explosion. Einer meiner absoluten Favoriten auf der Platte.

"Pleasureland" und auch "Vortex" punkten mit einem kernig stampfenden Rhythmus, der dem Moshpit live vermutlich ein Grinsen ins Gesicht zaubert, mich aber nicht vom Hocker haut.

"Thalassa", ein Instrumentalstück, ist das nächste Highlight auf der Platte. Hier wird dem Hörer 7:33 Minuten lang wahres Kopfkino geboten. Eröffnet wird mit orientalischen Klängen und ich fühle mich sofort in eine Wüste versetzt. Noch ist es sehr kühl, Beduinen sitzen am Feuer und trinken Tee. Ihre Kamelherden liegen daneben und dösen vor sich hin, unterbrochen von dem einen oder anderen Knurren oder Schnaufen. Die Männer sind in eine leise Unterhaltung vertieft. So könnte man die zarten und leicht perlenden Gitarrenklänge, von Dan virtuos gespielt, deuten, die diese Szene gekonnt untermalen.
Doch dann plötzlich wird mit dem Einsetzen einer Zakk Wylde-ähnlichen Gitarre Aufbruchstimmung verbreitet. Denn der Feuerball am Himmel ist am Horizont schon zu sehen. Die Beduinen packen eilig ihre Habseligkeiten auf ihre Lastentiere, die sich nur widerstrebend erheben. Es ist Zeit zum Aufbruch, denn bis zum Abend muss man eine neue Schlafstätte samt Wasserstelle gefunden haben. So oder so ähnlich?

"Be Calm" kann man ohne weiteres in die Schublade Sleazy Rock einordnen und "Beetween The Lines" wiederum ist ein sehr knackig-dynamischer Track, der fett aus den Boxen dröhnt. Man kann vorab schon mal festhalten, dass die Songs sehr abwechslungsreich auf dem Silberling angeordnet wurden, so dass es dem Hörer wirklich nicht langweilig wird. Hier kommt sowohl der Doomer/Stoner-Fan als auch der Heavy- und Classic-Rocker voll auf seine Kosten. Die Band bewegt sich sehr sicher zwischen den verschiedenen Genres, klingt jedoch absolut nicht 'angestaubt', wie man vielleicht vermuten könnte.

Bereits bei den ersten Klängen von "Call Of The Void" hab ich das Gefühl, die Hohepriester des Dooms hätten sich auf der Scheibe verewigt. Wie zähe Lava quillt das Stück aus den Speakern und walzt alles nieder, was sich in den Weg stellen will. Der Gitarren-Sound klingt dermaßen fett, so dass man mehr als einmal zu der Annahme gelangt, es wären zwei Gitarristen am Werk. Meine Recherchen ergaben jedoch, dass Dan über 2 Amps spielt. Dazu passt er seinen Gesang, der stellenweise eintönig, ja fast teilnahmslos klingt, auch hier wieder perfekt der Musik an.

Zum Abschluss zieht die Band noch einmal alle Register. "We Know Nothing" ist mit 8:49 Minuten das längste Stück auf der Platte und ein weiterer Anspieltipp. Schon bei den ersten Takten wird man unweigerlich zum Mitwippen animiert. Nein, hier wird nicht 'zu tief im Keller gesägt', der Song hat stellenweise eher progressive Attribute, jedoch mit einer ordentlichen Portion Psychedelic garniert. Gesang gibt es nur wenig, so dass man eher von einem Instrumentalstück sprechen kann.

Fazit: Mehrmalig angehört und für gut befunden!
Riot In The Attic haben ihren Platz zwischen den Genres gefunden und sich dort recht gemütlich eingerichtet. Sie haben mit "Dawn" ein abwechslungsreiches Album geschaffen, wobei natürlich auch die Gefahr bestehen könnte, dass nicht jeder Hörer zwangsläufig in Begeisterungsstürme ausbrechen wird. Aber damit kann die Band vermutlich ganz gut leben.


Line-up Riot In The Attic:

Dan (guitar, vocals)
Tobi (bass)
Flo (drums)

Tracklist "Dawn":

  1. Head High
  2. Black Swan
  3. Astrovision
  4. Pleasureland
  5. Thalassa
  6. Vortex
  7. Be Calm
  8. Between The Lines
  9. Call Of The Void
  10. We Know Nothing

Gesamtspielzeit: 53:16, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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