«

»

Roadhouse Diet / Electric Devilry – CD-Review

Roadhouse Diet / Electric Devilry

Wieder mal ein Geheimtipp in Sachen Retro aus Schweden. Nicht verwunderlich, denn dort gedeihen seit etlichen Jahren immer wieder großartige junge Formationen, die sich das Erbe berühmter Vorfahren zur Herzensangelegenheit gemacht haben. Nicht umsonst waren es Bands wie Kamchatka, Siena Root oder Asteroid, die mich einst in diese Szene hinein gezogen haben.

Auf "Electric Devily" erwartet uns ein cooler Groove aus Hardrock und Heavy Blues, der hier und da auch mal die Dunkelheit des Stoner ausstrahlt. Frühere Wurzeln, die der Recherche nach eher in Lynyrd Skynyrd oder ZZ Top gesehen wurden, sind auf diesem Album in den Hintergrund getreten. Die einzelnen Songs leben eindeutig von einem energetisch dynamischen Drive, der ohne Unterlass auf die Tube drückt. Hier gibt es mächtig Holz ins Feuer, der Headbanger wird sich freuen.

Per Wiberg, eine schwedische Institution an den Tasten und vor allem bekannt durch seine Mitwirkung bei den Spiritual Beggars und bei Opeth, verleiht der Musik von Roadhouse Diet, wie schon auf dem Vorgänger-Album, einen zusätzlichen Aspekt. Seine satten Keys lassen beispielsweise "Full Spectrum Dominance" mächtig starke Erinnerungen an Deep Purple aufkommen.

Ein prägnantes Merkmal zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Platte: Die Songs leben stark von den leicht hymnischen, sehr eingängigen und vorwärtstreibenden Elementen; in den Strophen meist solo vorgetragen von der markanten und bestens passenden Stimme von Jonas Kjellgren, während in den Refrains mehrstimmige Harmonien bevorzugt werden. Die bei allem Volldampf und wuchtigem Unterbau erstaunlich melodischen Linien schenken einen jederzeit leichten Zugang. Das wirklich geile und sich aus dem wohl dreckigsten Intro des gesamten Albums entwickelnde "Burn That Midnight Oil" hat sich mit seinen inspirierenden Gesangsparts bei mir sogleich ganz tief ins Hirn gebrannt. Vor allem, wie es aus dem glockenklaren, psychedelisch melancholischen Intro, das uns in eine völlig andere Welt zu lotsen scheint, ganz plötzlich heraus gerotzt wird. Dieser geniale Übergang ist mein Highlight auf dem gesamten Werk. Ganz nebenbei setzt "Electric Devilry" mit seinem bedächtigen Intro und dem adäquaten Outro, sinnigerweise "yrliveD cirtcelE" bezeichnet, eine schöne Klammer für die eigentlich viel rauere Musik auf der Platte. Aber auch wenn die Abschluss-Nummer nichts anderes als den rückwärts geschriebenen Titel des Auftakts darstellt, habe ich keine unschwelligen satanischen Botschaften beim Zuhören vernommen. Alten LPs sagte man früher so etwas nach, wenn man sie den rückwärts abspielte. Was es nicht alles geben soll.

Die einprägsame Melodik in Verbindung mit dröhnenden Bässen und Gitarrenwänden sorgt für den Dauerantrieb bei den geneigten Zuhörern. Live-Auftritte der Band dürften mit jeder Menge schweißtreibender Begleitung vor der Bühne einhergehen. Leider konnte man sich dem Vernehmen nach davon in Deutschland noch kein Bild machen, die Band scheint bislang nur in Schweden aufgetreten zu sein.

"Divorced From Reality" überzeugt mit einer herrlich dehnenden Slide-Gitarre, die perfekt den hypnotisch wirkenden Gesang unterstützt und in in einem fuzzig efektvollen Freak-Out mit Per Wiberg im Duett wetteifert, mein zweiter Höhepunkt des Albums.

Wie gesagt, der Adrenalinspiegel wird beim Konsum von Electric Devilry permanent hoch gehalten und die Soundwände werden durch raffinierte Harmonien gut im Griff gehalten. Aber genau diese Stärke beinhaltet auch einen kleinen Schönheitsfehler, denn durch die kompakten Kompositionen erscheint der Silberling insgesamt zu gleichförmig, da fehlen mir ein wenig die Ecken und Kanten, die einen einzelnen Song bei mir im Gedächtnis zu verankern, wie es eben das Intro zur zweiten Nummer sehr nachhaltig geschafft hat. Als Beispiel mag ich hier "Compute To Kill" mit seinem Mörder-Boogie benennen, der krachend und in einem gewaltigen Wow-Effekt loslegt. Doch dann wird das wilde Treiben für meinen Geschmack zu sehr domestiziert und am Ende klingt der Song so wie die anderen. Da hätte etwas mehr Mut gut getan, den eigenen Pfad hier und da auch mal ein wenig weiter zu verlassen.

Ich möchte aber nicht den Fehler begehen und von einer eindeutig Vintage orientierten Band erwarten, den klassischen Rock neu zu erfinden, das dürfte schwerlich möglich sein. Das Album hat einen geilen Groove und macht Spaß auch in der Dauerschleife, es gibt keine Hänger und wer mal wieder Bock hat, ein bisschen die Sau rauszulassen, wird mit der elektrischen Teufelei bestens bedient.


Line-up Roadhouse Diet:

Martin Haglund (guitar)
Mr. Pillow (drums)
Jonas Kjellgren (guitar, vocals)
Kenneth Seil (bass, backing vocals)

guest:
Per Wiberg (keyboard)

Tracklist "Electy Devilry":

  1. Electric Devilry
  2. Burn That Midnight Oil
  3. Evil’s Got A Hold On Me
  4. Compute To Kill
  5. She’s A Demon
  6. Full Spectrum Dominance
  7. All The Lights Are Out Now
  8. Payin' The Devil’s Dues
  9. Soulless Sinister
  10. Hollow Shade
  11. Divorced From Reality
  12. yrliveD cirtcelE

Gesamtspielzeit: 41:40, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

Beiträge im RockTimes-Archiv

Über mich

News

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>