Roamer? Nie gehört… oder doch? Nee… Umso erstaunter war ich, als ich las, dass es diese Band aus der schönen Schweiz bereits seit zehn Jahren gibt. In den Jahren 2011 und 2013 erschienen jeweils eine EP, 2015 dann mit "Extended Take My Time Suite" mehr Material im sogenannten 'CD & Artbook'-Format. Mit "What The Hell" liegt nun aber das waschechte Debütalbum der vier Schweizer vor, das – wieder Überraschung! – bereits in den Jahren 2013 und 2014 aufgenommen wurde. Wow, entweder hat das Quartett verdammt lange gebraucht, um ein geeignetes Label zu finden, oder es war anderweitig ebenfalls so dermaßen beschäftigt, dass es einfach eine Weile gedauert hat. Richtig ist natürlich die zweite Vermutung, denn der Bandgründer, Keyboarder, Sänger und Komponist Samuel Blatter hat tatsächlich viele Projekte gleichzeitig am Laufen, die obendrein nicht unbedingt alle mit Rockmusik zu tun haben. Auch der zuletzt dazugestoßene Christian Weber am Bass ist Mitglied bei ca. einem Dutzend musikalischer Projekte, wollte anfangs eigentlich nur aushelfen, bevor er soviel Spaß an der Band empfand, dass er heute noch dabei ist.
Blatter startete die Combo 2008, um seine Vorliebe zu Bands wie Nine Inch Nails, Björk und Radiohead mit seinem Hang zu Jazz und Improvisationen zu vereinen. Was wir nun auf dem vorliegenden "What The Hell" zu hören bekommen, ist eine manchmal schwer verdauliche Mischung aus Alternative Rock und… naja, Art Rock trifft es wohl am besten. Im Opener "Open My Pants" trifft beispielsweise eine relativ straighte Bass-Linie auf eine Gegenpunkte setzende sowie den Rhythmus derbe unterbrechende Gitarre. Die Drums von Martin Stebler halten im Hintergrund eher unspektakulär den Rhythmus und Blatter sorgt mit psychotischen Keyboard-Sounds sowie hohem Gesang für das sonderbare, das befremdliche Element in (nicht nur) diesem Song. Worte wie 'Entfremdung' oder 'Melancholie' ziehen sich vom Gefühl her dann auch durch die gesamte Scheibe, wofür alleine schon der Gesamtsound sorgt.
Der Bandleader und alleinige Komponist Samuel Blatter hat unglücklicherweise auch schon eine tragische Krankheitsgeschichte hinter sich, was er in seinen Texten "Number", "Sick Enough" und auch "Bye Bye Baby" verarbeitet. Wobei sich das Unkonforme, das etwas Entrückte durch sämtliche Nummern des Albums zieht. Und um bei der tristen Grundstimmung zu bleiben, setzt er sich im Titelsong mit den Depressionen von Freunden auseinander. Sehr psychedelisch kommt das bereits erwähnte "Sick Enough" daher, bei dem man aufpassen muss, dass man nicht selbst in melancholische Gefühls-Ebenen mitgezogen wird. Simon Rupp an der Sechssaitigen, der ebenfalls von Anfang an in der Band ist, betätigt sich auf dem Album eher selten als Rhythmus-Gitarrist, sondern konzentriert sich vielmehr darauf, den jeweiligen Tracks durch Licks und weitere Fills neue Klangdimensionen zu verpassen.
Nicht unbedingt aufmunternde oder gar Party-Musik also, die uns die vier Eidgenossen, deren Basis einst in Solothurn war, hier bieten. Dafür ist diese Mucke allerdings vielschichtig, sehr tiefgehend und emotional. Sowas muss man natürlich mögen und der Freund des straighten Rock wird hier eher weniger Spaß haben. Die Alternative Rock-Fans sollten aber zumindest mal ein geneigtes Ohr riskieren, denn die Songs von Roamer sind bei weitem nicht uninteressant. Zu einer wahren Noise-Orgie kommt es zum Beispiel bei "There’s No Me", während "One Step" stellenweise an die Gesänge der Ureinwohner Nordamerikas erinnert. Die wahrscheinlich rockigste Nummer ist "Touchscreen", während "Number" mit effektverfremdetem Gesang das Bild bestimmt. Abgeschlossen wird die Platte dann mit dem wieder etwas vertrackten "Sunday Morning".
Vielleicht keine Musik für jeden Tag, die uns Roamer hier mit "What The Hell" präsentiert, aber wie bereits erwähnt auch keinesfalls uninteressant. Als Anspieltipps werfe ich mal "Open My Pants", "What The Hell", "There’s No Me" und auch "Sunday Morning" in die Runde.
Line-up Roamer:
Samuel Blatter (keyboards, lead vocals)
Simon Rupp (guitars)
Christian Weber (bass, background vocals)
Martin Stebler (drums, background vocals)
With:
Mivvi La Lupa (additional vocals – #1,5,10)
Tracklist "What The Hell":
- Open My Pants
- Today
- What The Hell
- Sick Enough
- Bye Bye Baby
- There’s No Me
- One Step
- Touchscreen
- Rebel
- Number
- Sunday Morning
Gesamtspielzeit: 45:37, Erscheinungsjahr: 2018
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