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Robert Fripp / Exposure – CD-Review

Nach den beiden King Crimson-Alben "Starless And Bible Black" (1974) sowie "Red" (1974) wurde es, was Plattenveröffentlichungen anging, etwas ruhiger um die Art-/Prog Rock-Band. Da machte ihr Gründungsmitglied Robert Fripp von sich Reden, denn nach LPs mit Brian Eno ("No Pussyfooting"/"Evening Star") war der Gitarren-Tüftler und tonale Querdenker mit "Exposure" Ende der Siebzigerjahre im Zentrum des Interesses der Musikwelt. Mit einer besonderen Gitarren-Loop-Technik auf den beiden Alben mit Brain Eno sprach man damals auch von Frippertronics, die Robert Fripp mit seinem Arbeitsgerät und einiger Technik kreierte. Mit "Exposure" gab es eine Frippertronics-Fortsetzung.

Nichtsdestotrotz soll es in dieser Rezensions-Würdigung siebenunddreißig Jahre nach dem Erscheinen von "Exposure" genau darum gehen.
Bereits erwähnter Brian Eno war auch hier mit von der Partie. Außerdem ergänzten das Line-up die Sänger Terre Roche, Maggie Roche (beide bei The Roches), Daryl Hall, Peter Hammill sowie Peter Gabriel. Hinter dem Schlagzeug saßen Phil Collins und Narada Michael Walden. Tony Levin, der später auch Mitglied bei King Crimson war, zupfte die dicken Saiten und Barry Andrews (XTC/Shriekback) war der weitere Tastenmann.

Bei der "Exposure"-Ausgabe von 1979 füllen ganze siebzehn Songs die Tracklist und die Spielzeiten reichen von fünf Sekunden bis zu knapp fünf Minuten.
Mit seinen eigenwilligen Ideen avanciert die vorliegende Platte zu einer Scheibe, die von Stilvielfalt geprägt ist. Hier wird der Rock vielschichtig, kennt kaum Grenzen und man schaut verdammt oft über den Tellerrand.
Es gibt Songs, die wahre Exponate persönlicher Sichtweisen sind und quasi einen kosmopolitischen Kreis ergeben. Der Individualist Robert Fripp war Ende der Siebzigerjahre seiner Zeit (und der anderer) voraus. Die Art der Musik, die man hier zum Teil hört, wurde später auch Teil von King Crimson.
Aus meiner Sicht kommt "Here Comes The Flood", hier auch von Peter Gabriel gesungen, besser weg, als bei der Veröffentlichung des Ex-Genesis-Sängers. "Exposure" ist ein verquer-liebenswertes Stück Musik mit hypnotischer Funk-Gitarre und einer sich artikulierenden Frau, bei deren Stimme einem das Blut in den Adern gefriert. Dennoch… klasse Lied!

Wenn der Name der amerikanischen Stadt Chicago im Zusammenhang mit Musik fällt, dann denkt man an den Blues. "Chicago" ist Robert Fripps Blues mit dezenten, aber vielsagenden Frippertronics und einem tollen Piano. Ein 12-Takter, den man nicht alle Tage hört, damals wie heute. Brillant!
Nach dem "Preface", einem Studio-Geplänkel, überraschen uns der Protagonist & Co. mit einem herrlich treibenden Rock’n’Roll. Hätte man als ersten richtigen Song wohl nicht erwartet. Umso größer ist die Verwunderung aber auch Freude, wenn man an King Crimson denkt. Dennoch verleugnet Robert Fripp nicht seine Band-Heimat. "Disengage" ist starker Tobak, bei dem Peter Hammill stimmlich eher performt als singt. Highlight! Das Stück wird mit einem schnellen Reglerdreh ausgeblendet und der Hörer wird abrupt in eine andere Welt versetzt. Mit "North Star", von Darryl Hall gesungen, pinselt die Musiker-Mannschaft klebrigen Kleister an die Wände, aber der ist so schön und beppt quasi am Trommelfell fest. Soul à la Robert Fripp.

Das längste Stück, zumindest vom Titel her, ist "I May Not Have Had Enough Of Me, But I’ve Had Enough Of You", eine aberwitzige Beziehungskiste, die durch vehemente Gitarrenriffs in Szene gesetzt wird. Mittendrin ein erlösendes Intermezzo aus der musikalischen Zwangsjacke, in der man aber sehr gerne steckt, denn Robert Fripp konfrontiert einen mit Ungewöhnlichem, dem man in seiner Ausprägung gerne verfällt. Widersprüchlich kommt das kürzere "NY3" daher. Diese Nummer ist ein Fusion-Ehekrieg mit so vielen Szenen, dass man dieses Stück definitiv mehrmals hören muss.
Die beiden Buchstützen von "Here Comes The Flood" sind "Water Music I" sowie "Water Music II". Diese beiden Tracks ergeben in der Summe viel mehr als es die Spielzeiten unter dem Strich sind. Da gibt es kein Vertun: Brillant und ganz oben in der Liste angesiedelter Highlights.

Experimentieren lohnt sich, zumindest, was Robert Fripp und sein musikalisches Theater in siebzehn Aufzügen angeht. "Exposure" zeigte und zeigt Wirkung beim Hörer.


Line-up Robert Fripp:

Robert Fripp (guitars)
Terre Roche (vocals)
Maggie Roche (vocals)
Peter Gabriel (vocals)
Daryl Hall (vocals)
Peter Hammill (vocals)
Brian Eno (keyboards)
Barry Andrews (keyboards)
Tony Levin (bass)
Phil Collins (drums, percussion)
Narada Michael Walden (drums)

Tracklist "Exposure":

  1. Preface (1:15)
  2. You Burn Me Up I’m A Cigarette (2:23)
  3. Breathless (4:39)
  4. Disengage (2:49)
  5. North Star (3:08)
  6. Chicago (2:11)
  7. NY3 (2:23)
  8. Mary (2:10)
  9. Exposure (4:26)
  10. Hääden Two (2:54)
  11. Urban Landscape (2:35)
  12. I May Not Have Had Enough Of Me, But I’ve Had Enough Of You (3:42)
  13. First Inaugural Address To I.A.C.E Sherborne House (0:05)
  14. Water Music I (1:25)
  15. Here Comes The Flood (4:06)
  16. Water Music II (4:28)
  17. Postscript (0:37)

Gesamtspielzeit: 45:25, Ertscheinungsjahr: 1979

 

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
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